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VG Mainz, Beschl. v. 14.06.2012 – 3 L 823/12.MZ – „Anordnung einer MPU bei Alkoholauffälligkeit außerhalb des Straßenverkehrs“

ZVR-Online Dok. Nr. 51/2012 – online seit 08.10.2012

§ 3 StVG, § 11 Abs. 8 FeV, § 13 Satz 1 FeV, § 46 FeV, § 47 Abs. 1 FeV

Leitsatz der Redaktion

Auch eine außerhalb des Straßenverkehrs aufgetretene Alkoholauffälligkeit kann die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachten zur Klärung der von einer Person durch Alkoholmissbrauch ausgehenden Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer dann rechtfertigen, wenn die Alkoholauffälligkeit in einer Weise zutage getreten ist, die zu der begründeten Annahme Anlass gibt, der Betreffende werde angesichts der bei ihm erkennbar gewordenen Alkoholgewohnheiten voraussichtlich schon in überschaubarer Zukunft auch nach dem Genuss von Alkohol ein Kraftfahrzeug führen und so zu einer konkreten Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer werden.Rn. 1

Gründe

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines am 15. Mai 2012 erhobenen Widerspruchs gegen die mit Bescheid des Antragsgegners vom 3. Mai 2012 für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig. Er hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn insoweit ergibt die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 3. Mai 2012 offensichtlich rechtmäßig ist. Unter diesen Umständen gebührt dem Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seiner Verfügung Vorrang vor dem Interesse des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines gegen den Bescheid eingelegten Widerspruchs wiederherzustellen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. März 1986 – 1 B 14/86 –, NVwZ 1987, 240).Rn. 2
Zunächst ist die Anordnung des Sofortvollzugs in Bezug auf die in dem angegriffenen Bescheid enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Behörde ist verpflichtet, mit einer auf den konkreten Fall abgestellten und nicht nur formelhaften Begründung darzulegen, warum ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht. Im Fahrerlaubnisrecht decken sich indessen häufig – und das gilt auch hier – die Gründe für den Erlass der vom Gesetzgeber zwingend geforderten Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung weitestgehend mit den Gründen für deren sofortige Durchsetzung. Der Antragsgegner hat zur Begründung des Sofortvollzugs ausgeführt, dass der Antragsteller wegen Anhaltspunkten für einen Alkoholmissbrauch eine Gefährdung des Straßenverkehrs darstelle und nicht verantwortet werden könne, dass er durch die aufschiebende Wirkung eines eventuell eingelegten Rechtsbehelfs weiterhin am Straßenverkehr teilnehme. Dies genügt unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr angesichts der hohen Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs in formaler Hinsicht dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Ob die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs hingegen in inhaltlicher Hinsicht überzeugt oder nicht, ist keine Frage des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern des ebenfalls erforderlichen besonderen Vollzugsinteresses.Rn. 3
Die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – i.V. mit § 46 der Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV –, denn der Antragsteller hat sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Nach den vorgenannten Vorschriften hat die Verwaltungsbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer solchen als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn u.a. Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen.Rn. 4
Zur Vorbereitung ihrer Entscheidung kann die Fahrerlaubnisbehörde, wenn ihr Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist, nach § 46 Abs. 3 FeV von dem Betreffenden nach §§ 11 bis 14 FeV u.a. die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens fordern. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, worauf der Betroffene bei der Anordnung der Beibringung eines Gutachtens hinzuweisen ist. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die vorangegangene Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens ihrerseits rechtmäßig war (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. September 2006 – 10 B 10734/06.OVG –, LKRZ 2007, 75 = juris [Rdnr. 4]). Dies ist vorliegend der Fall.Rn. 5
Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 a) 2. Alt. FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung ihrer Entscheidung die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens u.a. an, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Nach der Legaldefinition in Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist von Alkoholmissbrauch auszugehen, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Dementsprechend kann einem Fahrerlaubnisinhaber die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der von ihm durch Alkoholmissbrauch ausgehenden Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer nur aufgegeben werden, wenn aufgrund bestimmter Umstände der begründete Verdacht besteht, dass er künftig ein Fahrzeug führen könnte, obwohl er hierzu wegen alkoholbedingter Beeinträchtigungen nicht mehr uneingeschränkt in der Lage ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Juni 2007 – 10 A 10062/07 –, AS 36, 1, 3 = juris [Rdnr. 34]). Dies bedeutet indessen nicht notwendigerweise, dass eine aufgetretene Alkoholauffälligkeit nur dann die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen und somit Anlass für eine Anordnung nach § 13 Nr. 2 a) 2. Alt. FeV geben kann, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr steht. Dies folgt daraus, dass § 13 Nr. 2 a) 2. Alt. FeV (bzw. ähnlich Nr. 2 e) ersichtlich – wie ein Vergleich zu den Regelungen der Nr. 2 b, c und d dieser Bestimmung, die den Bereich des Alkoholmissbrauchs in Verbindung mit der Teilnahme am Straßenverkehr abdecken, zeigt – ein Auffangtatbestand ist. Mit ihm soll sichergestellt werden, dass die Fahrerlaubnisbehörde in Fällen eines greifbaren Gefahrenverdachts nicht sehenden Auges untätig bleiben muss, bis noch weitere Verdachtsmomente hinzutreten, die einen unmittelbaren Verkehrsbezug aufweisen. Von daher vermag auch eine außerhalb des Straßenverkehrs aufgetretene Alkoholauffälligkeit eine solche Maßnahme jedenfalls dann zu rechtfertigen, wenn sie in einer Weise zutage getreten ist, die zu der begründeten Annahme Anlass gibt, der Betreffende werde angesichts der bei ihm erkennbar gewordenen Alkoholgewohnheiten voraussichtlich schon in überschaubarer Zukunft auch nach dem Genuss von Alkohol ein Kraftfahrzeug führen und so zu einer konkreten Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer werden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. September 2006, a.a.O. = juris [Rdnr. 8]; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. November 2008 – 3 M 503/08 –, NJW 2009, 1829, 1830 = juris [Rdnr. 6]).Rn. 6
Indes reicht allein der Umstand, dass der Fahrerlaubnisinhaber aufgrund des Umfangs seines bisherigen Konsums von Alkoholika – etwa der Trinkmengen oder der Trinkhäufigkeit – massiv an Alkohol gewöhnt ist, nicht aus, um Alkoholmissbrauch i.S. von Nr. 8.1. der Anlage 4 zur FeV anzunehmen. Die außerhalb des Straßenverkehrs aufgetretene Alkoholauffälligkeit muss in einer Weise zutage getreten sein, die zu der begründeten Annahme Anlass gibt, der Betreffende werde angesichts der bei ihm erkennbar gewordenen Alkoholgewohnheiten voraussichtlich schon in überschaubarer Zukunft auch nach dem Genuss von Alkohol ein Kraftfahrzeug führen und so zu einer konkreten Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sich bei dem Betreffenden im Rahmen seines Auffälligwerdens angesichts einer hierbei festgestellten schweren Alkoholisierung Anhaltspunkte für einen häufigen oder wiederkehrenden Konsum größerer Mengen oder hochprozentigen Alkohols in Verbindung mit einem sonstigen unverantwortlichen Verhalten gegenüber Dritten zeigt. Hierbei kann dem Aussageverhalten des Fahrerlaubnisinhabers selbst oder aber Angaben Dritter über das Alkoholverhalten des Fahrerlaubnisinhabers Bedeutung zukommen. Hinzukommen muss, dass der Fahrerlaubnisinhaber in besonderer Weise – „zwingend“ – auf das regelmäßige Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr angewiesen ist und es von daher mit Rücksicht auf die Häufigkeit und Intensität seines Alkoholkonsums letztlich nur eine Frage der Zeit sein kann, dass er sich mit der Situation konfrontiert sieht, am Straßenverkehr teilnehmen zu „müssen“, obwohl er alkoholbedingt fahruntüchtig ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Juni 2007, a.a.O. S. 4 = juris [Rdnrn. 36 f.]; Beschluss vom 11. September 2006, a.a.O. = juris [Rdnr. 9]). Anhaltspunkte für einen Alkoholmissbrauch können sich darüber hinaus auch aus dem Umstand ergeben, dass der Betreffenden wegen in der Vergangenheit zu verzeichnender Trunkenheitsfahrten auffällig geworden ist und hieraus Rückschlüsse auf eine gegebenenfalls latente Trennungsproblematik gezogen werden können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. September 2006, a.a.O.).Rn. 7
Ausgehend von diesen Grundsätzen durfte der Antragsgegner rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass der Antragsteller den Konsum von Alkohol und die Teilnahme am Straßenverkehr nicht zuverlässig zu trennen vermag. Diese Annahme rechtfertigt sich aus einer der Gesamtwürdigung des Vorfalls vom 19. November 2011. An diesem Tag wurde der Antragsteller ausweislich eines Vermerks der Polizeiinspektion Mainz 3 durch Polizeibeamte der Polizeiinspektion Oppenheim auf einem Fest volltrunken und randalierend festgenommen und durch Rettungskräfte in das Hildegardis-Krankenhaus nach Mainz verbracht, wo er aufgrund andauernder Aggressionen durch Polizeibeamte bewacht werden musste, bis ein Transport in die Rheinhessenfachklinik Alzey möglich war. Eine im Krankenhaus entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 3,0 ‰.

Schon die festgestellte BAK von 3,0 ‰ – die bereits im toxischen Bereich liegt – spricht für einen Verdacht auf zumindest Alkoholmissbrauch. Insoweit kann nämlich aufgrund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse davon ausgegangen werden, dass Personen, die eine BAK von 1,6 ‰ und mehr erreichen, deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten haben, zur Risikogruppe überdurchschnittlich alkoholgewöhnter Kraftfahrer gehören und regelmäßig an einer dauerhaft ausgeprägten Alkoholproblematik leiden, die die Gefahr von Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr in sich birgt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 – 3 C 32.07 –, BVerwGE 131, 163, 167 = juris [Rdnr. 16]; VG Aachen, Urteil vom 9. Mai 2012 – 3 K 1042/12 –, juris [Rdnr. 45]; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 15. August 2011 – 7 L 827/11 –, juris [Rdnr. 17]; VG Neustadt/Wstr., Beschluss vom 17. Januar 2005 – 4 L 2998/04.NW –). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Betreffende Ausfallerscheinungen zeigt oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, dass Personen mit sozial angepasstem Trinkverhalten gar nicht in der Lage sind, entsprechende Alkoholmengen zu sich zu nehmen (Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Kommentar zu den Begutachtungs-Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, 2. Auflage, 2005, S. 129 ff.; Stephan, Trunkenheitsdelikte im Verkehr und Alkoholmissbrauch, Blutalkohol 25 (1988), 201, 210 f.; Kunkel, Angaben zum Trinkverhalten: Soziales Trinken und Blutalkoholkonzentrationen, Blutalkohol 22 (1985), 341, 353). Eine BAK von 1,6 ‰ oder mehr erreicht demnach nur eine Person, die häufiger und in größeren Mengen Alkohol zu sich nimmt.
Rn. 8
Diese Annahme wird vorliegend durch die Feststellungen in dem polizeilichen Einsatzbericht vom 21. November 2011 bestätigt, denen zufolge der Antragsteller selbst angegeben hat, regelmäßig hochprozentigen Alkohol zu trinken. Soweit der Antragsteller diese Aussage bestreitet, vermag dies die Feststellungen in dem polizeilichen Einsatzbericht nicht zu erschüttern. Insoweit gilt es nämlich zu berücksichtigen, dass polizeiliche Einsatzberichte öffentliche Urkunden i.S. von §§ 415 Abs. 1, 418 Abs. 1 ZPO sind (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 11. März 2004 – 11 LA 380/03 –, NVwZ 2004, 1381 = juris [Rdnrn 4 ff.]; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Auflage 2010, § 418 Rdnr. 5) und den vollen Beweis der in ihnen bezeugten Tatsachen begründen. Den nach § 418 Abs. 2 ZPO grundsätzlich möglichen Gegenbeweis vermochte der Kläger nicht zu führen. Ein solcher ist insbesondere nicht mit den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen erfolgt. In diesen geben der Antragsteller und seine Ehefrau zwar an, der Antragsteller habe während der gesamten Ehe nie regelmäßig oder sogar häufig hochprozentige Alkoholika konsumiert, sondern vor dem Vorfall vom 19. November 2011 allenfalls ein bis zwei Bier getrunken, wenn er gewusst habe, nicht mehr fahren zu müssen. Diese Angaben vermögen die Kammer jedoch nicht vom Gegenteil der in dem polizeilichen Einsatzbericht wiedergegebenen Angaben des Antragstellers zu seinem Alkoholkonsum zu überzeugen. Wie dem Einsatzbericht – insoweit vom Antragsteller nicht bestritten – zu entnehmen ist, war der Antragsteller in der Lage, trotz einer BAK von 3,0 ‰ gegenüber seiner Ehefrau sowie weiteren Personen in einer Art und Weise aggressiv aufzutreten, dass er nicht nur festgenommen, sondern sogar während des Krankenhausaufenthaltes von Polizeibeamten noch bewacht werden musste. Ist aber jemand bei einer so hohen – im toxischen Bereich – liegenden Alkoholkonzentration noch in der Lage, in der beschriebenen Art und Weise zu agieren, so deutet dies vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf eine Gewöhnung an größere Alkoholmengen hin. Vor diesem Hintergrund decken sich die Angaben in den eidessstattlichen Versicherungen nicht mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Alkoholkonsum bei hohen Blutalkoholkonzentrationen. Hinzu kommt, dass der Antragsteller den Feststellungen, er habe selbst den regelmäßigen Konsum von hochprozentigem Alkohol eingeräumt, zunächst nicht entgegen getreten ist, obgleich ihm dies bereits in dem Bescheid über die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 27. Januar 2012 vorgehalten wurde. Auch auf einen entsprechenden Vorhalt in dem Schreiben des Antragsgegners vom 19. März 2012 reagierte der Antragsteller nicht. Vielmehr wies er lediglich darauf hin, dass er nicht alkoholisiert im Straßenverkehr aufgefallen sei und Maßnahmen ergriffen habe, die zeigten, dass er sich „offensiv mit einer möglichen Alkoholproblematik“ auseinander setze. Erstmals in dem auf das Anhörungsschreiben zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis folgenden Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24. April 2012 trat er den Feststellungen im Polizeieinsatzbericht entgegen. In der Gesamtschau dieser Umstände kann daher der Gegenbeweis des § 418 Abs. 2 ZPO nicht als erbracht angesehen werden.Rn. 9
Schließlich vermögen auch die vom Antragsteller vorgelegten – negativen – Laborbefunde die Zweifel eines – fahrerlaubnisrelevanten – Alkoholmissbrauchs nicht auszuräumen. Auch wenn ausweislich der vorgelegten Laboruntersuchungen der Antragsteller in Bezug auf die als Indikatoren für Alkoholmissbrauch geltenden Werte – etwa Gamma-GT, GOT oder GPT – negativ waren, gilt es zu berücksichtigen, dass diese Werte nur eine eingeschränkte Indizfunktion für eine behauptete Alkoholabstinenz haben, da sie sich bei abstinentem Verhalten bereits nach wenigen Wochen normalisieren (vgl. für Gamma-GT BayVGH, Beschluss vom 10. Januar 2011 – 11 CS 10.2404 –, juris [Rdnr. 24]). Insoweit können sie lediglich als Momentaufnahmen dafür dienen, dass der Antragsteller zu bestimmten Zeiträumen abstinent ist.Rn. 10
Für die Annahme, dass es dem Antragsteller im Zustand der Alkoholisierung an der gebotenen Einsichts- und Kritikfähigkeit fehlt bzw. er sogar zu Kontrollverlusten neigt, die Zweifel an seiner Trennungsfähigkeit zwischen Alkoholkonsum und Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr begründet, spricht zudem der Umstand, dass der Antragsteller durch Polizeibeamte festgenommen werden musste, weil er in alkoholisiertem Zustand auf einem Fest randaliert hatte, und auch während Aufenthaltes im Krankenhaus ein aggressives Verhalten an den Tag legte, welches eine Bewachung durch die Polizei erforderlich machte. Dies spricht dafür, dass es dem Antragsteller im alkoholisierten Zustand an der gebotenen Zuverlässigkeit und Einsichtsfähigkeit fehlt.Rn. 11
Hinzu kommt, dass der Antragsteller seinen eigenen Angaben zufolge auch zwingend auf das regelmäßige Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr angewiesen ist. Er trägt selbst vor, dass er von seinem Wohnort A-Stadt seine Arbeitsstätte in Mainz-Hechtsheim zu zumutbaren Bedingungen nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern nur mit privaten Fahrzeugen erreichen könne. Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls die Schlussfolgerung gerechtfertigt, der Antragssteller werde in Anbetracht des durch den Vorfall vom 19. November 2011 gezeigten Konsumverhaltens den Konsum von Alkohol und die Teilnahme am Straßenverkehr nicht zuverlässig trennen können, so dass jedenfalls Anhaltspunkte für einen Alkoholmissbrauch i.S. von Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV vorliegen, die die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf der Grundlage von § 13 Satz 1 Nr. 2 a) 2. Alt. FeV rechtfertigen. Da diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach als gebundene Regelung ausgestaltet ist, ist es dem Antragsgegner schon aus Rechtsgründen verwehrt, andere nach Ansicht des Antragstellers – etwa in finanzieller Hinsicht – weniger einschneidende Maßnahmen in den Blick zu nehmen.Rn. 12
Ob darüber hinaus der Antragsgegner die Annahme eines Alkoholmissbrauchs auch aus dem Umstand ableiten durfte, dass der Antragsteller bereits im Februar 1993 eine Fahrzeug mit BAK von 1,57 ‰ führte und ihm deswegen aufgrund strafgerichtlicher Verurteilung die Fahrerlaubnis entzogen wurde, erscheint im Hinblick darauf, dass dieser Vorfall 18 Jahre zurückliegt, zumindest zweifelhaft. Letztlich kommt es hierauf nach dem Vorgesagten jedoch nicht an.Rn. 13
Ist nach alledem die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gerechtfertigt, so durfte der Antragsgegner aus dem Umstand, dass sich der Antragsteller der Beibringung verweigert hat, nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf dessen Nichteignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs schließen mit der Folge, dass ihm zwingend die Fahrerlaubnis zu entziehen war.Rn. 14
Auch die auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V. mit § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV gestützte Aufforderung, den Führerschein unverzüglich bei der Fahrerlaubnisbehörde abzugeben, ist rechtmäßig. Da dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu Recht entzogen wurde, hat er als gesetzliche Folge des Fahrerlaubnisentzugs den ihm erteilten Führerschein unverzüglich der Fahrerlaubnisbehörde auszuhändigen.Rn. 15
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.Rn. 16
Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1 VwGO i.V. mit Ziffern 1.5, 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.). Dabei waren die Fahrerlaubnisklassen M, S und L nicht gegenstandswerterhöhend zu berücksichtigen, da diese nach § 6 Abs. 3 Nr. 3 FeV von der Fahrerlaubnisklasse B mit umfasst sind.Rn. 17