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OVG Koblenz, Urt. v. 06.12.2012 – 7 C 10749/12.OVG – „Alkoholverbot auf der Jakobuskerwe“

ZVR-Online Dok. Nr. 9/2013 – online seit 16.01.2013

§ 47 VwGO, § 47 Abs. 2 VwGO, § 43 POG Rpf.

Leitsätze

1. Die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags nach Außerkrafttreten einer Norm entfällt, wenn der Antragsteller kein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, dass die Norm ungültig war.Rn. 1
2. Ein solches Feststellungsinteresse kann unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr bestehen (hier: verneint).Rn. 2
3. Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebietet, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung auch in Fällen tiefgreifender oder gewichtiger Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (hier: Fall eines tiefgreifenden oder gewichtigen Grundrechtseingriffs durch eine Gefahrenabwehrverordnung verneint).Rn. 3

Tatbestand

Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass die Gefahrenabwehrverordnung der Antragsgegnerin vom 26. Juni 2012 zur Verhütung von Körperverletzungen und Sachbeschädigungen aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses bei der Jakobuskerwe 2012 im Ortsbezirk Hambach - Gefahrenabwehrverordnung (GAVO) - unwirksam war.Rn. 4
Diese Gefahrenabwehrverordnung war vom 27. Juli bis 1. August 2012 in Kraft (§ 5 GAVO). Sie enthielt für die Festbesucher der Jakobuskerwe 2012 im Ortsbezirk Hambach von Neustadt an der Weinstraße das Verbot, im öffentlichen Raum alkoholhaltige Getränke mitzuführen und/oder zu verzehren (§ 1 Abs. 1 GAVO). Das Verbot galt nicht für Bier, Wein und Schaumwein (Sekt) und nicht für gaststättenrechtlich konzessionierte bzw. genehmigte sowie gewerberechtlich zugelassene Verkaufsstellen und -flächen (§ 1 Abs. 2 GAVO). Das Verbot galt auch nicht für Besucher von privaten, nicht jedermann zugänglichen Veranstaltungen im Verbotsbereich sowie für Personen, die dort eine Wohnung, Arbeits- oder Betriebsstätte haben (§ 1 Abs. 3 GAVO). In zeitlicher Hinsicht galt es an den fünf Tagen der Jakobuskerwe - Freitag, 27. Juli 2012 bis Dienstag, 31. Juli 2012 - in der Zeit von 22:00 - 3:00 Uhr (§ 2 GAVO). Der Verbotsbereich erfasste den durch im Einzelnen aufgeführte Straßen abgegrenzten öffentlichen Raum im Ortsbezirk Hambach, in dem die Jakobuskerwe stattfand; er war in einem Plan dargestellt, der als Anlage Bestandteil der Gefahrenabwehrverordnung war (§ 3 GAVO und Anlage 1 hierzu). Die Gefahrenabwehrverordnung wurde am 12. Juli 2012 im Amtsblatt der Antragsgegnerin öffentlich bekanntgemacht.Rn. 5
Mit seinem am 18. Juli 2012 bei Gericht eingegangenen Normenkontrollantrag hat der Antragsteller zunächst geltend gemacht, die Gefahrenabwehrverordnung sei unwirksam, weil sie nicht hinreichend bestimmt sei und auch keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliege, sondern nur ein Gefahrenverdacht. Das normierte Alkoholverbot sei zur Verhütung von Körperverletzungen und Sachbeschädigungen nicht geeignet und weder erforderlich noch angemessen. Er sei von der Gefahrenabwehrverordnung betroffen, da er in N. wohne und beabsichtige, weiterhin Weinfeste wie die Jakobuskerwe zu besuchen und dort mitgebrachte alkoholische Getränke - auch hochprozentige - zu verzehren.Rn. 6
Die Antragsgegnerin hat hierauf erwidert, die Gefahrenabwehrverordnung diene der Eindämmung von Gewaltdelikten gegen Personen und Sachen, für welche übermäßiger Alkoholgenuss mitursächlich sei, und damit der Abwehr einer abstrakten Gefahr, welche für das Volksfest Jakobuskerwe drohe. Nach den Erkenntnissen der Polizei und der Ordnungsbehörde aus früheren Einsatzerfahrungen löse insbesondere der am späten Abend und frühen Morgen erfolgte Verzehr größerer Mengen Alkohols sehr häufig aggressives Verhalten der Betroffen auf der Hambacher Jakobuskerwe aus. Der Aggressionsverlauf beginne meist verbal und ende oft mit Gewaltanwendung gegen andere Personen oder fremde Sachwerte. Die Erkenntnisse legten zudem offen, dass dieses Aggressionspotenzial ganz überwiegend durch den raschen Anstieg der Blutalkoholkonzentration geschaffen werde, der vornehmlich durch den Genuss hochprozentiger Alkoholika erzielt werde. Deren Verzehr in größeren Mengen erfolge fast immer aus in Supermärkten relativ preisgünstig erworbenen Vorräten, die zur Festmeile in Rucksäcken oder Ähnlichen transportiert würden. Diese Geschehnisse träfen nicht auf alle Volksfeste in ihrem Stadtgebiet zu. Nach Erstellung eines Sicherheitskonzepts für Volksfeste im Jahre 2007, zu dem neben verstärkter Präsenz von Sicherheitskräften und Aufenthaltsverboten für auffällig gewordene Gewalttäter das hier streitige partielle Alkoholverbot gehöre, sei es zu einem deutlichen Rückgang der Gewaltdelinquenz auf der Hambacher Jakobuskerwe gekommen.Rn. 7
Den ebenfalls am 18. Juli 2012 gestellten Antrag des Antragstellers, die Gefahrenabwehrverordnung bis zur Entscheidung über seinen Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen, hat der Senat mit Beschluss vom 25. Juli 2012 - 7 B 10751/12.OVG - abgelehnt.Rn. 8
Mit Schreiben vom 19. September 2012 hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, sie beabsichtige nach aktueller polizeirechtlicher Prognose künftig nicht mehr, eine Gefahrenabwehrverordnung des hier im Streit stehenden Inhalts für die Hambacher Jakobuskerwe zu erlassen. Bei der diesjährigen Jakobuskerwe seien keine Verstöße gegen die Gefahrenabwehrverordnung festgestellt worden. Alkoholbedingte Vorkommnisse seien nach Anzahl und Schwere weiter zurückgegangen. Es erscheine daher verantwortbar, das Sicherheitskonzept für die Jakobuskerwe künftig - wie bereits bei anderen Volksfesten in ihrem Gebiet - aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu ändern. Es sollten nur noch die starke Präsenz von Sicherheitskräften und Aufenthaltsverbote für gefährliche Personen zur Anwendung kommen, auf das partielle Alkoholverbot hingegen verzichtet werden.Rn. 9
Der Antragsteller macht nunmehr geltend, er habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die außer Kraft getretene Gefahrenabwehrverordnung unwirksam gewesen sei. Die Antragsgegnerin habe nicht mitgeteilt, es werde keine Gefahrenabwehrverordnung mehr für die Jakobuskerwe erlassen, sondern lediglich behauptet, sie beabsichtige dies derzeit nicht. Dies reiche für die Verneinung seines Rechtsschutzinteresses nicht aus. Die Antragsgegnerin habe noch mit Schreiben vom 23. Juli 2012 angegeben, sie beabsichtige für weitere Weinfeste bzw. Großveranstaltungen - auch für die künftigen Jakobuskerwen - inhaltsgleiche Rechtsvorschriften zu erlassen. Die jetzige Mitteilung, sie beabsichtige, dies nicht mehr zu tun, könne somit nur darauf zurückzuführen sein, ihm das Rechtsschutzinteresse abzusprechen. Außerdem habe die Antragsgegnerin für das Pfälzische Winzerfest „Haiselscher“ und das Deutsche Weinlesefest im Jahr 2012 eine gleichlautende Gefahrenabwehrverordnung erlassen und werde dies ihren Angaben zufolge auch künftig tun. Die Bejahung einer Wiederholungsgefahr setze lediglich voraus, dass die Behörde voraussichtlich auch künftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten werde. Sei diese Voraussetzung - wie hier - erfüllt, könne er nicht auf die Alternative zukünftig möglichen Eilrechtsschutzes verwiesen werden. Er beabsichtige, auch weitere Weinfeste wie das Deutsche Weinlesefest zu besuchen und hierzu hochprozentige alkoholische Getränke mitzuführen. Hinzu komme, dass das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung gewährleiste in Fällen gewichtiger, allerdings in zeitlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt sei, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen könne. Genauso sei es hier faktisch nicht möglich, effektiven Rechtsschutz gegen die Gefahrenabwehrverordnungen der Antragsgegnerin zu erlangen. Da diese kurzfristig verkündet würden, habe er faktisch keine Möglichkeit, sie gerichtlich überprüfen zu lassen. Ein Eilantrag hätte mangels offensichtlicher Begründetheit - wie im vorliegenden Fall - keinen Erfolg. Aufgrund des Zeitablaufs wäre der Antrag in der Hauptsache unzulässig, wenn man ihm ein Feststellungsinteresse abspreche.Rn. 10
Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass die am 26. Juni 2012 erlassene Gefahrenabwehrverordnung der Antragsgegnerin zur Verhütung von Körperverletzungen und Sachbeschädigungen aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses bei der Jakobuskerwe 2012 im Ortsbezirk Hambach unwirksam war, hilfsweise ungültig.
Rn. 11
Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.
Rn. 12
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der Beratung gewesen ist.Rn. 13

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag ist unzulässig.Rn. 14
Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift einen Normenkontrollantrag im Sinne des § 47 Abs. 1 VwGO stellen. Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller, weil er geltend machen kann, durch die Gefahrenabwehrverordnung der Antragsgegnerin vom 26. Juni 2012 zur Verhütung von Körperverletzungen und Sachbeschädigungen aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses bei der Jakobuskerwe 2012 im Ortsbezirk Hambach - Gefahrenabwehrverordnung (GAVO) - und deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Gefahrenabwehrverordnung enthielt für die Festbesucher der Jakobuskerwe 2012 im Ortsbezirk Hambach das Verbot, im öffentlichen Raum alkoholhaltige Getränke mitzuführen und/oder zu verzehren (§ 1 Abs. 1 GAVO). Das Verbot galt nicht für Bier, Wein und Schaumwein (Sekt) und nicht für gaststättenrechtlich konzessionierte bzw. genehmigte sowie gewerberechtlich zugelassene Verkaufsstellen und -flächen (§ 1 Abs. 2 GAVO). In zeitlicher Hinsicht galt es an den fünf Festtagen der Jakobuskerwe 2012 (Freitag, 27. Juli, bis Dienstag, 31. Juli 2012) in der Zeit von 22:00 bis 3:00 Uhr (vgl. § 2 GAVO). Der Verbotsbereich erfasste den durch im Einzelnen aufgeführte Straßen abgegrenzten öffentlichen Raum im Ortsbezirk Hambach, in dem die Jakobuskerwe stattfand (vgl. § 3 GAVO und Anlage 1 hierzu). Der Antragsteller hatte erklärt, die Jakobuskerwe besuchen und dorthin alkoholische Getränke, auch hochprozentige Alkoholika, mitnehmen und verzehren zu wollen. Er war daher von dem partiellen Alkoholverbot der Gefahrenabwehrverordnung möglicherweise betroffen und ist mithin antragsbefugt.Rn. 15
Sein Normenkontrollantrag ist gleichwohl unzulässig, weil die Geltungsdauer der Gefahrenabwehrverordnung mit Ablauf des 1. August 2012 endete (vgl. § 5 GAVO). Das Außerkrafttreten einer Norm während eines Normenkontrollverfahrens lässt einen zulässig gestellten Normenkontrollantrag zwar nicht ohne Weiteres zu einem unzulässigen Antrag werden, wenn die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO fortbestehen. Die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags nach Außerkrafttreten einer Norm entfällt allerdings dann, wenn der Antragsteller kein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, dass die Norm ungültig war (vgl. BVerwGE 68,12; NdsOVG, Urteil vom 25. November 1996 - 3 K 4767/94 -, juris, Rn. 4 und Urteil vom 28. Januar 2010 - 12 KN 65/07 -, juris, Rn. 29). An einem berechtigten Interesse des Antragstellers an der Feststellung, dass die Gefahrenabwehrverordnung der Antragsgegnerin ungültig war, fehlt es hier.Rn. 16
Ein solches Feststellungsinteresse besteht entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Ein berechtigtes Interesse wegen Wiederholungsgefahr liegt nur vor, wenn der Antragsteller hinreichend konkreten Anlass hat, mit einer Wiederholungsgefahr zu rechnen (vgl. NdsOVG, Urteil vom 25. November 1996, a.a.O., Rn. 10). Nachdem die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 19. September 2012 mitgeteilt hat, sie beabsichtige nach aktueller polizeirechtlicher Prognose künftig nicht mehr, eine Gefahrenabwehrverordnung des hier im Streit stehenden Inhalts für die Hambacher Jakobuskerwe zu erlassen, ist eine konkrete Wiederholungsgefahr nicht erkennbar. Aufgrund dieser Absichtserklärung ist mit einem erneuten partiellen Alkoholverbot durch eine Gefahrenabwehrverordnung der Antragsgegnerin im kommenden Jahr für die Jakobuskerwe nicht zu rechnen.Rn. 17
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin noch mit Schreiben vom 23. Juli 2012 erklärt hatte, sie beabsichtige, nach vorgängigen polizeilichen Lagebeurteilungen für die künftigen Jakobuskerwen inhaltsgleiche Rechtsvorschriften zu erlassen. Dies rechtfertigt keine Zweifel an der von der Antragsgegnerin nunmehr geäußerten Absicht, künftig auf entsprechende Gefahrenabwehrverordnungen für die Jakobuskerwe zu verzichten. Die Antragsgegnerin hat bereits in dem genannten Schreiben vom 23. Juli 2012 deutlich gemacht, dass der Erlass entsprechender Gefahrenabwehrverordnungen von der polizeilichen Lagebeurteilung abhängig ist. Sie hat nach dem Ende der diesjährigen Jakobuskerwe nachvollziehbar den künftigen Verzicht auf das bisherige partielle Alkoholverbot damit begründet, dass es in diesem Jahr keine Verstöße gegen die Gefahrenabwehrverordnung gegeben habe und es zu einem Rückgang der alkoholbedingten Vorkommnisse auf der Jakobuskerwe gekommen sei. Für die Mutmaßung des Antragstellers, die Absichtserklärung der Antragsgegnerin könne nur darauf zurückzuführen sein, ihm das Rechtsschutzinteresse abzusprechen, sind demnach keine Anhaltspunkte ersichtlich.Rn. 18
Eine Wiederholungsgefahr lässt sich auch nicht im Hinblick darauf feststellen, dass die Antragsgegnerin ein inhaltsgleiches Alkoholverbot in anderen Gefahrenabwehrverordnungen für andere Volksfeste erlassen hat und voraussichtlich im nächsten Jahr wieder erlassen wird, wie zuletzt in der Gefahrenabwehrverordnung zur Verhütung von Körperverletzungen und Sachbeschädigungen aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses anlässlich des Pfälzischen Winzerdorfs („Haiselscher“) und des Deutschen Weinlesefestes 2012 in Neustadt an der Weinstraße vom 18. September 2012. Eine konkrete Wiederholungsgefahr setzt nämlich voraus, dass auch in Zukunft im Wesentlichen die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse wie in dem Zeitpunkt des Erlasses der vom Antragsteller beanstandeten Norm bestehen (vgl. NdsOVG, Urteil vom 25. November 1996, a.a.O., Rn. 10). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.Rn. 19
Nach § 43 Abs. 1 POG können die allgemeinen Ordnungsbehörden zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung Gebote und Verbote erlassen, die für eine unbestimmte Zahl von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind (Gefahrenabwehrverordnungen). Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Für die Frage der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Gefahrenabwehrverordnung ist demnach zu prüfen, ob in tatsächlicher Hinsicht hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das von der Antragsgegnerin verbotene Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum Eintritt von Schäden führt (vgl. Beschluss des Senats vom 25. Juli 2012 - 7 B 10751/12.OVG -, veröffentlicht in ESOVGRP). Diese Frage lässt sich nur für das jeweilige konkrete Volksfest beantworten. Dementsprechend hat auch die Antragsgegnerin die von ihr angenommene Gefahr für die öffentliche Sicherheit bei der hier in Rede stehenden Gefahrenabwehrverordnung mit den Erkenntnissen der Polizei und der Ordnungsbehörde aus früheren Einsatzerfahrungen bei der Jakobuskerwe hergeleitet. Sie hat stets das Gefahrenpotenzial bei den einzelnen Festen in ihrem Gebiet bewertet und zuletzt nur noch für wenige ein partielles Alkoholverbot angeordnet. Wenn im vorliegenden Fall der Jakobuskerwe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das von der Antragsgegnerin verbotene Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum Eintritt von Schäden führt, so würde dies nicht den Schluss rechtfertigen, dass auch bei anderen Volksfesten, bei denen die Antragsgegnerin ein inhaltsgleiches Alkoholverbot angeordnet hat, keine hinreichende Tatsachengrundlage für die erforderliche Gefahrenprognose gegeben wäre. Ebenso wenig könnte im umgekehrten Fall, wenn eine hinreichende Tatsachengrundlage in Bezug auf die Jakobuskerwe zu bejahen wäre, hieraus gefolgert werden, dass dies auch für andere Volksfeste im Gebiet der Antragsgegnerin zutreffen müsste. Das partielle Alkoholverbot in der Gefahrenabwehrverordnung der Antragsgegnerin für das Winzerfest und das Deutsche Weinlesefest 2012 stützt sich mithin nicht auf im Wesentlichen gleiche Verhältnisse wie die vorliegende Gefahrenabwehrverordnung für die Jakobuskerwe 2012, sondern auf die Umstände des Einzelfalles in Bezug auf die konkrete Veranstaltung.Rn. 20
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller ein Verbot, alkoholhaltige Getränke mitzuführen und zu verzehren, grundsätzlich für nicht geeignet hält, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen zu verhindern, weil Alkoholgenuss nicht generell zu Aggressivität führe. Die Frage, ob ein allgemeines Verbot des Mitführens und Verzehrs von Alkohol im öffentlichen Raum geeignet ist, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen zu verhüten, würde sich im vorliegenden Verfahren nicht stellen. Denn das von der Antragsgegnerin angeordnete Verbot bezieht sich nicht auf Alkohol allgemein, sondern nimmt hiervon Bier, Wein und Sekt sowie zugelassene Verkaufsstellen und -flächen aus. Es zielt mithin auf das Mitführen von hochprozentigen alkoholischen Getränken in größeren Mengen in einem Rucksack oder ähnlichem sowie deren Verzehr. Zudem gilt es nur zu bestimmten Zeiten für ein bestimmtes Fest, dessen Besucher sich von denen anderer Volksfeste nach Anzahl und Verhalten unterscheiden können, so dass auch die Geeignetheit eines solchen partiellen Alkoholverbots unterschiedlich zu bewerten sein kann.Rn. 21
Ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung besteht auch nicht mit Blick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes.Rn. 22
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es mit dem in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz grundsätzlich vereinbar, wenn die Fachgerichte ein Rechtsschutzinteresse nur solange als gegeben ansehen, wie ein gerichtliches Verfahren dazu dienen kann, eine gegenwärtige Beschwer auszuräumen, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen. Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebietet darüber hinaus, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen „tiefgreifender“ oder „gewichtiger“ Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 96, 27 [40]; 110, 77 [85 f.]). Tiefgreifende bzw. gewichtige Grundrechtseingriffe kommen vor allem bei Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz vorbeugend dem Richter vorbehalten hat (vgl. BVerfGE 96, 27 [40]). Sie können darüber hinaus auch durch Beeinträchtigungen etwa des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit bewirkt werden, gegen die Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren in dem dafür verfügbaren Zeitraum typischerweise nicht erreichbar ist (vgl. BVerfGE 110, 77 [86]).Rn. 23
Vorliegend ist kein Fall eines tiefgreifenden oder gewichtigen Grundrechtseingriffs gegeben.Rn. 24
Das durch die Gefahrenabwehrverordnung angeordnete partielle Alkoholverbot berührte nicht den Schutzbereich eines Grundrechts mit Richtervorbehalt oder eines speziellen Freiheitsgrundrechts, sondern nur die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit. Die allgemeine Handlungsfreiheit wurde durch das Verbot wiederum nur sehr gering eingeschränkt. Räumlich galt das Alkoholverbot nicht in der gesamten Innenstadt der Antragsgegnerin, sondern nur auf dem Gebiet der Jakobuskerwe. In zeitlicher Hinsicht galt es nur während der Dauer der Jakobuskerwe von fünf Tagen und nur in der Zeit von 22:00 bis 3:00 Uhr. Das Alkoholverbot galt auch nicht für Bier, Wein und Schaumwein (Sekt) und nicht für gaststättenrechtlich konzessionierte bzw. genehmigte sowie gewerberechtlich zugelassene Verkaufsstellen und -flächen. Es bestand demnach nur ein räumlich, zeitlich und inhaltlich sehr begrenztes Alkoholverbot. Hierdurch konnte der Antragsteller lediglich sehr gering in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit eingeschränkt werden. Es kann daher nicht von einem tiefgreifenden oder gewichtigen Grundrechtseingriff ausgegangen werden, der im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes die Annahme eines Rechtsschutzinteresses des Antragstellers an der begehrten Feststellung rechtfertigen könnte.Rn. 25
Soweit in der Literatur darüber hinaus ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass eine Rechtsvorschrift rechtswidrig und unwirksam war, generell bei Normen angenommen wird, deren Geltung typischerweise zeitlich kurz befristet ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 47 Rn. 19), findet dies in der von ihr hierfür zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Stütze. Das Bundesverwaltungsgericht hat vielmehr in seiner Entscheidung vom 2. September 1983 (BVerwGE 68, 12) ausdrücklich ausgeführt, dass die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags nach Außerkrafttreten der Norm dann entfällt, wenn der Antragsteller kein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, dass die Norm ungültig war. Auch in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni 2001 (NVwZ-RR 2002, 152) heißt es unter Bezugnahme auf die genannte Entscheidung in BVerwGE 68, 12 lediglich, dass ein Interesse des Antragstellers an der Feststellung der Ungültigkeit bestehen kann, wenn eine auf kurzfristige Geltung angelegte Norm während des Normenkontrollverfahrens etwa wegen Zeitablaufs außer Kraft getreten ist. Dass in einem solchen Fall stets ein Feststellungsinteresse besteht, ist hingegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu entnehmen.Rn. 26
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.Rn. 27
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.Rn. 28
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.Rn. 29