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Prof. Dr. Jan Roggenkamp*: Die Privatkopieabgabe auf dem (Irr)weg zur Pauschalabgabe?

ZVR-Online Dok. Nr. 40/2013 – online seit 30.05.2013

A. Einleitung

Die im analogen Zeitalter (auch) in Deutschland und Österreich eingeführte sogenannte Privatkopieabgabe[1] (auch Urheberrechtsabgabe genannt) hat sich im digitalen Zeitalter in vielen Mitgliedstaaten der EU zu einer den Sonderabgaben ähnlichen[2] pauschalen Abgabe entwickelt, die den diversen Verwertungsgesellschaften Europas Einnahmen in Millionenhöhe gewährleistet (allein EUR 453 Millionen in 2006).[3] Nach Art. 5 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2001/29/EG (i.W. „Richtlinie“)[4] ist die nationalgesetzliche Zulassung von „Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke“ (vulgo „Privatkopien“) unter der Bedingung zulässig, „dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten“. Derzeit sind beim EuGH eine Vielzahl an Vorabvorlageverfahren zu den Grundlagen dieses „gerechten Ausgleichs“ anhängig, da die nationalgesetzlichen Umsetzungen mit den Vorgaben der Richtlinie, der Warenverkehrfreiheit nach Art. 34 AEUV sowie der Regelungen zu staatlichen Beihilfen nach Art. 107 AEUV kollidieren.Rn. 1
Neben den insbesondere vom BGH vorgelegten Fragen dazu, welche Nutzungshandlungen als Vervielfältigungen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 lit. a bzw. b qualifiziert werden können,[5] sind für die systematische Ausgestaltung des Abgabesystems insbesondere die Urteile des EuGH zur Differenzierung zwischen privaten und nicht-privaten Endnutzern[6] sowie die bevorstehende Entscheidung des EuGH zu den vom Österreichischen Gerichtshof (OGH) in der Sache „Austro Mechana ./. Amazon“ nach Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen grundlegend.[7]Rn. 2

B. Hintergrund: Die europarechtlichen Grundlagen

I. Der „gerechte Ausgleich“

Bei der Privatkopieabgabe, die als Kompensation für die gesetzliche Lizenz in Art. 5 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2001/29/EG zu zahlen ist, handelt es sich weder um eine angemessene Vergütung noch um einen Schadenersatzanspruch. Vielmehr ist der „gerechte Ausgleich“, den Art. 5 Abs. 2 lit. b fordert, „ein neues, mit dieser Richtlinie eingeführtes Konzept".[8] „[D]er Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers [ging] dahin [...], ein neues Konzept auf Gemeinschaftsebene einzuführen, ohne an bereits bestehende Begriffe des mitgliedstaatlichen bzw. internationalen Urheberrechts (47) anzuknüpfen.“[9] Der „gerechte Ausgleich“ ist „als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen und im gesamten Gebiet der Union einheitlich auszulegen“.[10] Die Vorgaben der Richtlinie sowie des EuGH gehen neben den allgemeinen Vorschriften des Unionsrechts innerstaatlichen Regelungen vor. Missverständliche Formulierungen, wie z.B. in § 54 Abs. 1 UrhG[11] sind europarechtskonform zu lesen.[12]Rn. 3

II. Differenzierung zwischen privaten und nicht-privaten Endnutzern

Nach der europäischen Konzeption dient die Privatkopieabgabe dem Ausgleich des „Schadens [...], der den Urhebern geschützter Werke infolge der Einführung der Ausnahme für Privatkopien entstanden ist“,[13] d.h. der gerechte Ausgleich stellt „eine Gegenleistung“ für den „etwaigen Schaden“ durch private Vervielfältigungen dar.[14] Hieraus folgt zum einen, dass jegliche Zahlung kompensatorischer Natur sein muss (Konnexität zwischen Schaden und Ausgleich),[15] und zum anderen, dass ausschließlich Nutzungshandlungen i.S.d. Art. 5 Abs.2 lit.b (also nicht kommerzielle Vervielfältigungen durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch) abgaberelevant sein können.[16]Rn. 4
Angesichts der „praktischen Schwierigkeiten, die privaten Nutzer zu identifizieren und sie zu verpflichten, den Rechtsinhabern den ihnen zugefügten Nachteil zu vergüten“ hat der EuGH es jedoch als europarechtlich zulässig angesehen statt den Privatpersonen, die von der gesetzlichen Lizenz profitieren, Unternehmen zu belasten, „die über Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung verfügen und sie zu diesem Zweck Privatpersonen rechtlich oder tatsächlich zur Verfügung stellen“.[17] Allerdings hat der EuGH ebenfalls klargestellt, dass "der Endnutzer [...] grundsätzlich als Schuldner [...] zu betrachten ist“und "diese Person verpflichtet [ist], den mit dieser Vervielfältigung verbundenen Schaden wiedergutzumachen, indem sie den Ausgleich finanziert."[18] Sowohl nach Ansicht des EuGH als auch des von der Europäischen Kommission eingesetzten Mediators Antonio Vitorino ist daher die Überlassung bzw. die Veräußerung der Produkte an private Endnutzer neben der technischen Eignung eine Voraussetzung der Abgabepflicht, denn die „Eventualität des dem Urheber des geschützten Werks entstandenen Schadens besteht in der Verwirklichung der notwendigen Vorbedingung, die darin besteht, dass Anlagen oder Geräte, die die Anfertigung von Kopien ermöglichen, einer natürlichen Person überlassen werden“.[19]Rn. 5

C. Austro Mechana ./. Amazon

Diese Aussagen sind nicht unbestritten. Vor dem EuGH ist derzeit das Verfahren „Austro Mechana ./. Amazon“ (C-521/11) anhängig. Grundlage dieses Verfahrens sind Forderungen der österreichischen Verwertungsgesellschaft Austro-Mechana gegen das Online-Versandhaus Amazon auf Rechnungslegung sowie Zahlungen in Millionenhöhe (nach dem Klageantrag 1,86 Millionen Euro allein für das erste Halbjahr 2004) für das Inverkehrbringen von unbespielten Bild- oder Tonträgern wie CD-, DVD-Rohlinge, Speicherkarten und MP3-Player seit 2002 auf Basis der Leerkassettenvergütung nach § 42b Abs.1 österreichisches UrhG[20]. Nachdem die österreichischen Gerichte in erster und zweiter Instanz dem Anspruch auf Rechnungslegung per Teilurteil stattgaben und sich die Entscheidung über die Zahlungsansprüche vorbehielten, setzte der OGH das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vor.[21] Der OGH möchte insbesondere wissen, ob folgende Regelungen des österreichischen Rechts europarechtlich zulässig sind: (i) Urheberabgaben werden auf sämtliche Leermedien erhoben, wobei gewerblichen Nutzern die Möglichkeit einer Vorabfreistellung sowie Rückerstattung eröffnet wird, (ii) die Hälfte des Erlöses wird an soziale und kulturelle Einrichtungen verteilt und (iii) bei grenzüberschreitenden Lieferungen wird eine Abgabe erhoben, selbst wenn in einem anderen Mitgliedstaat bereits eine Abgabe erhoben wurde.Rn. 6

I. Pauschalabgabe?

In dem vom OGH vorgelegten Verfahren stellt sich inhaltlich also die Frage nach der konkreten Umsetzung der vorgenannten Differenzierung zwischen privat und nicht-privat genutzten Produkten. Insbesondere wird hinterfragt, ob eine pauschale Erhebung der Abgabe verbunden mit einer nachträglichen Rückerstattung bzw. eine „Vorabfreistellung“ zulässig ist.Rn. 7
Generalanwalt Paolo Mengozzi vertritt in seinem im März 2013 vorgelegten Schlussantrag die Auffassung, dass eine innerstaatliche Regelung grundsätzlich europarechtlich zulässig sein könne, „die zum einen die Möglichkeit der Vorabfreistellung von der Pflicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs für – natürliche oder juristische – Personen vorsieht, bei denen aufgrund objektiver Umstände – seien es auch nur Indizien – vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie die Trägermedien zu eindeutig anderen Zwecken als solchen erwerben, die der Pflicht zur Zahlung des gerechten Ausgleichs unterliegen, und die zum anderen die allgemeine Möglichkeit vorsieht, dass dieser gerechte Ausgleich nachträglich in allen Fällen erstattet wird, in denen der Nachweis erbracht wird, dass die Verwendung des Trägermaterials keine Handlung war, die einen Schaden für den Urheber des Werks begründen kann.“ Letztlich sei es jedoch die Aufgabe der Mitgliedstaaten selbst unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falles zwischen dem Eigentumsrecht der Urheber in Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und dem Recht der vertreibenden Unternehmen auf unternehmerische Freiheit nach Art. 16 der Charta abzuwägen.[22]Rn. 8
Dieser Ansatz des Generalanwalts vermag nicht zu überzeugen. Für eine Abwägung zwischen den gegenseitigen Interessen ist kein Raum. Denn die Richtlinie enthält klare Vorgaben darüber, wer von der gesetzlichen Lizenz profitiert und dementsprechend „indirekter Schuldner“ sein muss und wer gerade nicht. Selbst wenn man eine Abwägung für notwendig erachten wollte, so könnte deren Ergebnis nur sein, dass eine auch nur zeitweise Belastung nicht-privater Nutzer unzulässig ist. In Rede steht nämlich nicht eine Abwägung der Rechte des Verletzten und des Verletzers. Vielmehr sind die Rechte der nicht-privaten Endnutzer, sowie die Rechte der abgabepflichtigen Hersteller, Importeure und Händler von Vervielfältigungsgeräten und Leermedien betroffen, die weder Verletzer noch Störer, sondern Dritte sind. Sie werden allein aufgrund von Praktikabilitätserwägungen in Anspruch genommen, soweit sie „die Möglichkeit haben, die tatsächliche Belastung dieser Finanzierung auf die privaten Nutzer abzuwälzen.“[23] Der vorlegende OGH bezweifelt daher zu Recht, ob es rechtmäßig sein kann, den Aufwand und das Risiko, die Rückerstattung durchzusetzen, auf Personen zu verlagern, die zur Zahlung des gerechten Ausgleichs nicht verpflichtet sind.[24] Dies gilt umso mehr, da offenbar auch die Erstattung der Privatkopieabgabe im Falle des Exports nicht bzw. nur schwerlich möglich ist, wie unter anderem die Ausführungen zur Problematik bei grenzüberschreitenden Transaktionen zeigen.[25]Rn. 9
Zudem ist der Ansatz des Generalanwalts angesichts der eindeutigen Aussage des EuGH in der Sache Padawan, dass die „unterschiedslose Anwendung der Abgabe für Privatkopien“ auf nicht-privat genutzte Geräte europarechtswidrig ist[26], fraglich. Noch deutlicher sind insofern die Aussagen der Generalanwältin Trstenjak, nach deren Ansicht es den „Mitgliedstaaten – zumindest für den Bereich der Privatkopien – verwehrt [ist], den Kreis der Anspruchsgegner einseitig auf andere Personengruppen wie Unternehmen und Freiberufler zu erweitern, die erfahrungsgemäß Geräte und Datenträger zur digitalen Wiedergabe zu anderen Zwecken als dem des privaten Gebrauchs erwerben.“[27] Schließlich erklärte auch der Mediator Antonio Vitorino, dass der Ansatz des EuGH eine Differenzierung zwischen Verkäufen an Private und Nichtprivate verlange und letztere Verkäufe nicht Gegenstand einer Abgabe sein dürfen.[28]Rn. 10
Ein Rückerstattungssystem, wie es das österreichische Recht vorsieht, dürfte nicht mit den Vorgaben der Richtlinie vereinbar sein, da es in der Praxis zu einer erheblichen Belastung Dritter (Geräte- und Leermedienindustrie, gewerbliche Endnutzer) führt, die gar keine Privatkopien vornehmen. Eine solche Abgabe würde dann den Charakter einer Abgabe zum „Ausgleich“ von Privatkopien verlieren und eine steuerähnliche Pauschalabgabe darstellen, die nicht mit dem Eigentumsrecht der Urheber und/oder der Richtlinie 2001/29/EG gerechtfertigt werden kann.Rn. 11

II. Insbesondere: Grenzüberschreitender Handel mit Waren

Das Risiko, dass die Erhebung von Urheberabgaben das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen könnte, hat der Europäische Gesetzgeber bereits bei Erlass der Richtlinie erkannt (vgl. Erwägungsgrund 38). Besonders deutlich wird diese Problematik bei grenzüberschreitenden Lieferungen von Waren durch internationale Unternehmen, da die Abgaben in den Mitgliedstaaten unabhängig davon erhoben werden, ob bereits in einem (oder mehreren) anderen Mitgliedstaaten Abgaben auf dieselben Geräte erhoben wurden. So hatte die EU Kommission 2011 bereits darauf hingewiesen, dass das „reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes [...] die Vereinbarkeit von Abgaben für Privatkopien mit dem freien Warenverkehr [verlangt], um einen gut funktionierenden grenzüberschreitenden Handel mit Waren zu ermöglichen, die Abgaben für Privatkopien unterliegen“, und aus diesem Grund den Mediator Vitorino eingesetzt, der u.a. die „Interoperabilität der verschiedenen nationalen Systeme“ überprüfen sollte, wobei insbesondere „die grenzübergreifenden Auswirkungen eines fragmentierten Abgabensystems auf den Binnenmarkt zu berücksichtigen“ waren. Denn die Folge eines inkohärenten Abgabensystems ist unter anderem eine doppelte Abgabezahlung, die mit dem kompensatorischen Charakters der Abgabe nicht vereinbarist Zwar stellt auch Generalanwalt Mengozzi klar, „dass die doppelte Leistung des gerechten Ausgleichs für dasselbe Trägermaterial grundsätzlich unzulässig ist.“[29] Allerdings zieht er eine andere Konsequenz als der Generalanwalt im Verfahren Stichting de Thuiskopie ./. Opus, Niilo Jääskinen, der erklärte, dass ein „Unternehmen [...] nicht zur Zahlung eines gerechten Ausgleichs verpflichtet werden [sollte], wenn es diesen bereits in einem anderen Mitgliedstaat geleistet hat“ und daher die „Erhebungsstellen, die die Rechtsinhaber in diesem Staat vertreten, [...], den vereinnahmten Betrag an die Stellen in den Ländern [...] verteilen [sollten], auf die die Tätigkeit des Verkäufers ausgerichtet ist.“[30] Mengozzi verweist die Abgabepflichtigen hingegen darauf, sich an die Organisation in dem Mitgliedstaat zu wenden, in dem trotz Ausfuhr Urheberabgaben gezahlt wurden. Sollte eine Rückforderung dieser Abgaben nicht möglich sein, so handelt es sich nach Ansicht von Mengozzi um „eine zu missbilligende Konsequenz der unzureichenden Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten“, welche in Zukunft vom Unionsgesetzgeber beseitigt werden sollte.[31]Rn. 12
Statt von den nationalen Verwertungsgesellschaften ein koordiniertes Vorgehen beispielsweise durch Abschluss entsprechender Gegenseitigkeitsverträge zu verlangen, würden hierdurch die Folgen von inkohärenten innerstaatlichen Regelungen den Abgabenschuldnern auferlegt. Dieser Ansatz widerspricht der Durchsetzung des erklärten Ziels der Richtlinie, „den Wettbewerb im Binnenmarkt vor Verzerrungen zu schützen, die sich aus der Verschiedenheit der mitgliedstaatlichen Regelungen ergeben“.[32] Zudem dürfte er nicht mit Rechtsprechung des EuGH vereinbar sein. Nach dieser kann es einer Verwertungsgesellschaft „nicht gestattet werden, bei der Einfuhr in einen anderen Mitgliedstaat aufgrund des unterschiedlichen Vergütungsniveaus in den einzelnen Mitgliedstaaten die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung zu verlangen“[33]. Zudem rechtfertigt es „ein Unterschied zwischen den innerstaatlichen Rechtsvorschriften, der geeignet ist, den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten zu verfälschen, nicht, dass ein Mitgliedstaat solchen Praktiken einer privaten Stelle gesetzlichen Schutz gewährt, die mit den Bestimmungen über den freien Warenverkehr unvereinbar sind“[34] Der EuGH hat aus diesem Grund der GEMA verboten als “Privatunternehmen bei der Einfuhr von Tonträgern, die sich bereits im gemeinsamen Markt befinden, eine Belastung wegen ihres Grenzübertritts ein[zu]führen“ weil dies „dazu führen [würde], dass die Isolierung der nationalen Märkte, die der Vertrag beseitigen will, verfestigt würde.“[35] Nichts anderes darf für den Bereich der Urheberabgaben gelten.Rn. 13
Doppelerhebungen im Falle grenzüberschreitender Lieferungen innerhalb des gemeinsamen Marktes sind daher weder mit dem kompensatorischen Charakter der Abgabe in Einklang zu bringen, da der Nachteil bereits ausgeglichen wurde, noch sind sie mit der Warenverkehrsfreiheit vereinbar. Es ist insoweit Aufgabe der Verwertungsgesellschaften als Abgabengläubiger für ein koordiniertes Verfahren zu sorgen.Rn. 14

III. Staatliche Beihilfe?

Trotz der bestehenden Ähnlichkeit zwischen der Erhebung von Privatkopieabgaben und den Rundfunkgebühren wird die Frage, ob eine europarechtswidrige staatliche Beihilfe vorliegt, bisher nur mit Blick auf die Rundfunkgebühren diskutiert.[36] Dabei ist, die Frage, ob es sich bei der Privatkopieabgabe um eine aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe, i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälscht und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, gerade dann von Bedeutung, wenn die Abgabe auf der Einnahmenseite entgegen der Vorgaben der Richtlinie unterschiedslos auf alle Vervielfältigungsgeräte und/oder Leermedien erhoben werden sollte und auf der Ausgabenseite nicht sämtliche Erlöse unmittelbar an die Rechteinhaber, sondern teilweise an soziale und kulturelle Einrichtungen verteilt werden.Rn. 15
Die Europäische Kommission hat mit Blick auf die Rundfunkgebühren klargestellt, dass eine gesetzliche Lizenzgebühr, die unabhängig von einer konkreten Gegenleistung erhoben wird, als Beihilfe qualifiziert werden kann.[37] Unerheblich ist insofern, dass die Abgaben nicht unmittelbar vom Staat, sondern den Verwertungsgesellschaften erhoben werden, denn „nach ständiger Rechtsprechung ist nicht danach zu unterscheiden, ob die Beihilfe unmittelbar vom Staat oder von öffentlichen oder privaten Einrichtungen, die von ihm zur Durchführung der Beihilferegelung errichtet oder beauftragt wurden, gewährt wird [...]. Gemeinschaftsrechtlich kann es nämlich nicht zulässig sein, dass die Vorschriften über staatliche Beihilfen allein dadurch umgangen werden, dass unabhängige Einrichtungen geschaffen werden, denen die Verteilung der Beihilfen übertragen wird.“[38] Daher sind Mittel, die „durch verpflichtende Beiträge erhoben werden, die durch die staatliche Gesetzgebung auferlegt werden, und [...] nach den gesetzlichen Regelungen verwaltet und verteilt werden, [...] als staatliche Mittel“ zu beurteilen.[39] Entscheidend ist, dass die Mittel unter öffentlicher Kontrolle stehen, was - wie bei der Verwaltung der Privatkopieabgabe durch die Verwertungsgesellschaften - dann der Fall ist, wenn die Einrichtung, welche die Mittel verwaltet, diese nur für den vom Gesetz vorgegebenen Zweck verwenden darf.[40]Rn. 16
Es liegt zudem eine den Binnenmarkt beeinträchtigende Begünstigung inländischer Rechteinhaber vor, wenn, wie dies unter anderem in Österreich aufgrund der Förderung sozialer und kultureller Einrichtungen der Fall ist, die eingenommen Gelder vornehmlich inländischen Rechteinhabern zu Gute kommen. Es besteht außerdem die konkrete Gefahr, dass die Privatkopieabgabe aufgrund des zusätzlichen Zwecks in diesen Ländern besonders hoch ausfällt. Das wiederum könnte zu unterschiedlichen Preisniveaus und zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten und einer Verfälschung des Wettbewerbs führen.Rn. 17

IV. Mittelbarer oder kollektiver Ausgleich?

Nach hier vertretener Auffassung ist zudem ein „mittelbarer oder kollektiver Ausgleich“ durch Finanzierung kultureller oder sozialer Einrichtungen mit dem kompensatorischen Charakter der Abgabe nicht vereinbar. Es erscheint widersprüchlich auf der einen Seite die Erhebung der Abgabe dadurch zu rechtfertigen, dass Rechteinhabern Nachteile entstehen, die ausgeglichen werden sollen,[41] und auf der anderen Seite die generierten Einnahmen nicht zum Ausgleich dieser Nachteile zu verwenden, sondern ähnlich einer Steuer zur allgemeinen Förderung inländischer Urheber zu verwenden.Rn. 18
Aufgrund der Ungleichbehandlung inländischer und ausländischer Urheber stellt ein derartiger „mittelbarer Ausgleich“ eine Regelung dar, welche die Wahrnehmung des Anspruchs auf einen gerechten Ausgleich „beschränkt, indem sie den Einzug [...] eines Teils des Ausgleichs den Bezugsberechtigten vorenthält“,[42] so dass auch nach Ansicht des Generalanwalts die Regelung mit dem Unionsrecht unvereinbar sein müsste.Rn. 19

D. Fazit

Es ist zu erwarten, dass der EuGH die vom OGH vorgelegten Fragen im Einklang mit seinen bisherigen Entscheidungen und dem europäischen Rechtsrahmen entscheidet und seine in den vorausgegangenen Verfahren aufgestellten Grundsätze, insbesondere zur Konnexität zwischen Schaden und gerechten Ausgleich, konsequent anwendet. Eine weitere Pauschalierung des gerechten Ausgleichs, welche die Privatkopieabgabe zu einer steuerähnlichen allgemeinen Erhebung ausweiten würde, birgt das Risiko, dass der „gerechte Ausgleich“ (!) zu einer aus staatlichen Mitteln gewährten Beihilfe für Verwertungsgesellschaften führt, die dann überdies von den nicht begünstigten gewerblichen Endnutzern mitfinanziert würde. Ein solcher Irrweg zu einer vom Privatkopierprivileg abgekoppelten Pauschalabgabe entbehrt eines tragfähigen europa- und verfassungsrechtlichen Fundaments.Rn. 20
Fußnoten

* Berlin/Nienburg.

[1]Grundlegend hierzu Paul/Naskret, CR 2003, 473; Bremer/Lammers, K&R 2008, 145; Kröber, K&R 2008, 11; Niemann, CR 2008, 205; Niemann, CR 2008, 273; Roggenkamp, jurisPR-ITR 25/2008 Anm. 2; Frank, CR 2011, 1.
[2]Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.01.1995, 1 BvL 18/93 u.a. - NJW 1995, 1733, 1735.
[3]EU Kommission, Mitteilung vom 24.05.2011, KOM(2011) 287 endgültig; vgl. auch Kretschmer, Private Copying and Fair Compensation: An empirical study of copyright levies in Europe, 2011, S.11.
[4]Nachfolgend zitierte Art. ohne Bezeichnung sind solche der Richtlinie 2001/29/EG.
[5]EuGH, C-457/11 – C-460/11 - VG Wort ./. Kyocera Mita et al.; vgl. auch EuGH, C-314/12, Constantin Filmverleih ./. UPC Telekabel; EuGH, C-463/12, Copydan Båndkopi ./. Nokia und EuGH, C-435/12 ACI Adam et al. ./. Stichting de Thuiskopie - GRUR 2011, 909 m. Anm. Kröber.
[6]EuGH, Urteil vom 21.10.2010, C-467/08 - Padawan ./. SGAE (dazu Roggenkamp, jurisPR-ITR 25/2008 Anm. 2); EuGH, Urteil vom 16.06.2011, C-462/09 - Stichting de Thuiskopie ./. Opus.
[7]OGH, Beschluss vom 20.09.2011, 4 Ob 79/11p - MR 2011, 369 - 377 - über juris abrufbar sowie unter bit.ly/15e59FS - beim EuGH anhängig unter Az.: C-521/11 - Austro Mechana ./. Amazon.
[8]Stellungnahme der EU-Kommission vom 26.03.2002 auf die parlamentarische Frage E-3348/01 vom 03.12.2001, veröffentlicht unter Az. OJ C 172 E/046, 18.07.2002.
[9]Schlussanträge der Generalanwältin Verica Trstenjak vom 11.05.2010, Rs. C-467/08, Rn. 70.
[10]EuGH, Urteil vom 21.10.2010, C-467/08 - Padawan ./. SGAE, Rn. 36.
[11]„Ist nach der Art eines Werkes zu erwarten, dass es nach § 53 Abs. 1 bis 3 vervielfältigt wird, so hat der Urheber des Werkes gegen den Hersteller von Geräten und von Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme solcher Vervielfältigungen benutzt wird, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung.“ (Hervorhebung nur hier)
[12]Frank, CR 2011, 1, 4.
[13]EuGH, Urteil vom 21.10.2010, C-467/08 - Padawan ./. SGAE, Rn. 42.
[14]EuGH, Urteil vom 16.06.2011, C-462/09 - Stichting de Thuiskopie ./. Opus, Rn. 25.
[15]EU Kommission Hintergrundpapier "Fair Compensation for Acts of Private Copying" vom 14.02.2008, S. 4; vgl. auch Frank, CR 2011, 1, 3; Conseil d’Etat, Entscheidung Nr. 315832, Nr. 316756 und Nr. 310195 vom 17.12.2010, S.4 ("La rémunération pour copie privée a pour unique objet de compenser, pour les auteurs [...] la perte de revenus engendrée par l'usage qui es fait licitement et sans leurs autorisation [...] à des fins strictement privées, que par suite, la détermination de la rémunération pour la copie privée ne peut prendre en considération que les copies licites réalisées dans les conditions prévues par les articles")
[16]Zum verbleibenden Bereich der Privatkopieschranke nach deutschem Recht Meschede, K&R 2008, 585.
[17]EuGH, Urteil vom 21. 10. 2010, C-467/08 - Padawan ./. SGAE, Rn. 46.
[18]EuGH, Urteil vom 21. 10. 2010, C-467/08 - Padawan ./. SGAE, Rn. 48; vgl. auch: EuGH, Urteil vom 16.06.2011, C-462/09 - Stichting de Thuiskopie ./. Opus. Rn.30.
[19]EuGH, Urteil vom 21.10.2010, C-467/08 - Padawan ./. SGAE, Rn. 49 und 58; Antonio Vitorino, „Recommendation resulting from the Mediation on private copying and repography levies“ vom 31.01.2013, S. 10f.
[20]Dieser lautet: „Ist von einem Werk, das durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt oder auf einem zu Handelszwecken hergestellten Bild- oder Schallträger festgehalten worden ist, seiner Art nach zu erwarten, dass es durch Festhalten auf einem Bild- oder Schallträger nach § 42 Abs. 2 bis 7 zum eigenen oder privaten Gebrauch vervielfältigt wird, so hat der Urheber Anspruch auf eine angemessene Vergütung (Leerkassettenvergütung), wenn Trägermaterial im Inland gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr kommt; als Trägermaterial gelten unbespielte Bild- oder Schallträger, die für solche Vervielfältigungen geeignet sind, oder andere Bild- oder Schallträger, die hierfür bestimmt sind.“
[21]OGH, Beschluss vom 20.09.2011, 4 Ob 79/11p - MR 2011, 369.
[22]Schlussanträge des Generalanwalts Paolo Mengozzi vom 7.3.2012, C-521/11, Rn. 57.
[23]EuGH, Urteil vom 21.10.2010, C-467/08 - Padawan ./. SGAE, Leitsatz 2; EuGH, Urteil vom 16.06.2011, C-462/09 - Stichting de Thuiskopie ./. Opus, Leitsatz 1; vgl. auch Frank, CR 2011, 1, 3.
[24]OGH, Beschluss vom 20.09.2011, Az. 4Ob79/11p, V.1.4; vgl. auch: Koch/Krauspenhaar, GRURInt 2012, 884.
[25]Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Paolo Mengozzi vom 7.3.2012, C-521/11, Rn. 90.
[26]EuGH, Urteil vom 21.10.2010, C-467/08 - Padawan ./. SGAE, Leitsatz 3.
[27]Schlussanträge der Generalanwältin Verica Trstenjak vom 11.05.2010 – C 467/08, Rn. 104.
[28]Antonio Vitorino, a.a.O., S. 14; vgl. auch Klett, K&R 2010, 801; vgl. auch: Audiencia Provincial de Barcelona, Urteil vom 2.3.2011; Juzgado de lo Mercantil de Madrid, Urteil vom 21.12.2010, 386/2010 und Urteil vom 25.02.2011, 120/2011; Audiencia Nacional, Urteil vom 3.3.2011, 704/2008; Conseil d’Etat, Entscheidung vom 17.06.2011, Nr. 324816, Nr. 325439, Nr. 325463, Nr. 325468 und Nr. 325469.
[29]Schlussanträge des Generalanwalts Paolo Mengozzi vom 7.3.2012, C-521/11, Rn. 86.
[30]Schlussanträge des Generalanwalts Niilo Jääskinen vom 10.3.2011, C-462/09, Rn. 55.
[31]Schlussanträge des Generalanwalts Paolo Mengozzi vom 7.3.2012, C-521/11, Rn. 86.
[32]EuGH, Urteil vom 21.10.2010, C-467/08 - Padawan ./. SGAE, Rn. 67.
[33]EuGH, Urteil vom 20.1.1981, C-55/80 und C-57/80 – Musikvertrieb Membran et all. ./. GEMA, Rn. 25.
[34]EuGH, Urteil vom 20.1.1981, C-55/80 und C-57/80 – Musikvertrieb Membran et all. ./. GEMA, Rn. 24.
[35]EuGH, Urteil vom 20.1.1981, C-55/80 und C-57/80 – Musikvertrieb Membran et all. ./. GEMA, Rn. 18.
[36]Zum neuen Rundfunkbeitrag siehe Geuer, CR 2013, 156; schon früh Dörr, K&R 2001, 233.
[37]EU Kommission, Entscheidung vom 14.12.1999, Nr. NN 88/98 – UNITED KINGDOM, Rn. 22 (“The licence fee represents an obligation, imposed by the public authorities, on all owners of a receiving appliance, irrespective of whether or not the appliance is actually used to watch the programmes of the BBC. Also, the decision to authorise the use of the licence fee to finance BBC News 24 was taken by the Secretary of State (see letter of 13 October 1997). On this ground, the licence fee constitutes a mandatory fee imposed by the State, and, therefore, the funds thereby obtained constitute State funds within the meaning of Article 87(1) of the Treaty.”).
[38]EuGH, Urteil vom 16. 5. 2002 - C-482/99 – Frankreich ./. EU Kommission, Rn. 28.
[39]EuGH, Urteil vom 12.7.1974, C-173/73 – Italien ./. Kommission, Rn.16 .
[40]EuGH, Urteil vom 17.7.2008 C-206/06 – Essent, Rn. 69ff.
[41]Vgl. Erwägungsgrund 35 und 38 der Richtlinie, EuGH, Urteil vom 21.10.2010, C-467/08 - Padawan ./. SGAE, Rn. 40.
[42]Schlussanträge des Generalanwalts Paolo Mengozzi vom 7.3.2012, C-521/11, Rn. 75.