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VG Ansbach, Urt. v. 25.07.2913 – AN 14 K 13.00535 – „Behinderte zahlen Rundfunkbeitrag“

ZVR-Online Dok. Nr. 54/2013 – online seit 09.09.2013

§ 4 Abs. 2 RBStV, § 4 6 RBStV

Leitsatz der Redaktion

Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags bestehen nicht.Rn. 1

Tatbestand

Die am ***************geborene Klägerin wird nach einem Schlaganfall von ihrem Sohn ************* betreut. Ein Betreuerausweis des Amtsgerichts ******** liegt vor. Nach einer Bescheinigung der **** vom ************ 2011 ist die Klägerin Behinderte mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 und kann wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen. Sie erfüllt daher die Voraussetzungen des Merkzeichens RF.Rn. 2
Die Klägerin wurde mit Bescheid des Bayer. Rundfunks vom 10. Januar 2012 ab 1. Januar 2012 von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Der Bescheid führte aus, die Befreiung gelte unbefristet vorbehaltlich der Regelung des § 6 Abs. 6 Rundfunkgebührenstaatsvertrag.Rn. 3
Mit Hinweisschreiben der *** vom 27. September 2012 wurde auf den neuen Rundfunkbeitrag ab 1. Januar 2013 nach der geänderten Rundfunkfinanzierung hingewiesen und auf die Verpflichtung ab 1. Januar 2013 für Schwerbehinderte mit Merkzeichen RF den 1/3-Beitrag zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 19. November 2012 erfolgte die Mitteilung, dass die Befreiung automatisch auf den ermäßigten Beitrag umgestellt werde ab 1. Januar 2013 und der Betreuer nichts weiter unternehmen müsse.Rn. 4
Mit Schreiben vom 29. November 2012 an die *** teilte der Betreuer der Klägerin mit, dass seine Mutter lediglich Pflegegeld als Leistung der Pflegeversicherung in Höhe von 440,00 EUR monatlich beziehe und auf Grund des verwandtschaftlichen Verhältnisses trotzdem keine weiteren öffentlichen Mittel in Anspruch genommen würden. Für die häusliche Betreuung seiner Mutter fielen monatlich 1.490,00 EUR an, außerdem kämen dazu monatlich ca. 450,00 EUR für Unterkunft, Verpflegung und Stellung einer Ersatzkraft für der Helferin zustehende Freizeit.Rn. 5
Der Betreuer der Klägerin stellte mit Antrag vom 29. November 2012 erneut Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht und gab an, dass die Klägerin Empfängerin von Hilfe zur Pflege sei und über das Merkmal RF im Schwerbehindertenausweis verfüge. Gleichzeitig wurde gegen die automatische Umstellung ab 1. Januar 2013 auf den Drittelbeitrag „Widerspruch“ erhoben.Rn. 6
Mit Schreiben vom 24. Januar 2013 lehnte der Bayer. Rundfunk den Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 29. November 2012 ab mit dem Hinweis, dass beim Nachweis des RF-Merkzeichens im Schwerbehindertenausweis Gebührenbefreiung gewährt werde, die Unterlagen, die dem Befreiungsantrag beigefügt worden seien wiesen aber nicht nach, dass diese Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllt seien. Gleichzeitig erging ein Schreiben gleichen Datums vom Beitragsservice von ***, *** und **************** an den Betreuer der Klägerin, es werde die Umstellung auf den ermäßigten Betrag ab 1. Januar 2013 beanstandet, eine Löschung des Beitragskontos sei jedoch nicht möglich, der Gesetzgeber folge höchstrichterlicher Rechtsprechung, die für eine Befreiung von der Beitragspflicht aus dem Gleichheitsgedanken heraus allein finanzielle Gründe und soziale Bedürftigkeit gelten lasse. Mit Telefax vom 7. Februar 2013 legte der Betreuer der Klägerin gegen diese Entscheidung Widerspruch ein, in der von dem Beklagten übersandten Akte ist lediglich Seite 2 dieses Widerspruches enthalten.Rn. 7
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2013 (ein Zustellungsnachweis ist in der Akte nicht enthalten) wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Rundfunkgebührenstaatsvertrag sei ab 1. Januar 2013 durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ersetzt worden. Die Klägerin könne sich daher nicht auf einen Bestandsschutz der unbefristeten Befreiung mit Bescheid vom 10. Januar 2012 berufen.Rn. 8
Für den Zeitraum bis 31. Dezember 2012 sei der Klägerin bereits mit Bescheid vom 10. Januar 2012 Rundfunkgebührenbefreiung bewilligt worden, der neuerliche Antrag auf Befreiung vom 29. November 2012 könne sich wegen des neuen Rundfunkbeitragsstaatsvertrages nur auf den Zeitraum bis 1. Januar 2013 beziehen, für den Rundfunkgebührenbefreiung bereits vorliege.Rn. 9
Nach den neuen Vorschriften seien eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nur dann möglich, wenn der Bezug einer der in § 4 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag genannten Leistungen oder das Vorliegen einer bestehenden Taub-Blindheit nachgewiesen werde könne. Die Gewährung der Befreiung sei damit unabhängig von der Höhe des Einkommens.Rn. 10
Gegen diesen Widerspruchsbescheid richtet sich die Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach vom 11. März 2013, eingegangen dort am Folgetag mit den Anträgen:
  1. Der Antragsgegner hat den an die Antragstellerin gerichteten Gebührenbescheid in der Fassung eines Widerspruchsbescheides ausschließlich zu Lasten und Kosten der Antragsgegnerin zurückzunehmen.
  2. Es ist festzustellen, dass die Antragstellerin auf Grund ihrer zu keiner Zeit vom Beitragsservice und/oder *** widerrufenen und unbefristet ausgesprochenen ***-Befreiung vom 10. Januar 2012 weiterhin von der Rundfunkgebührenpflichtbeitragspflicht befreit ist; vorsorglich, in Ergänzung hierzu, wird auch der Befreiungstatbestand, dass die notwendigen, laufenden, monatlichen Lebenshaltungskosten die laufenden monatlichen Einnahmen wie Renten und Pflegegeld der Antragstellerin übersteigen und sie daher keiner Gebührenpflicht unterliegt, geltend gemacht, die als Gebührengrundlage zugeteilte Beitragsnummer ********* zu stornieren ist, sowie generell Gebührenforderungen, basierend auf dieser Bezeichnung und Registrierung, erlassen werden.
  3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der gerichtlichen und außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin.
  4. Vorsorglich wird Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils mit sofortiger Vollzugsanordnung gestellt, falls den Anträgen entsprochen werde.
 
Rn. 11
Die Klägerin habe nach ihrem 87. Geburtstag einen Schlaganfall erlitten und habe nach dem Krankenhaus wieder in ihre gewohnte Umgebung zurückgewollt. Es sei daher eine Pflegekraft angestellt worden, die monatlich 1490,00 EUR koste, zusätzlich fielen Kosten in Höhe von monatlich 450,00 EUR für die Betreuung an. Dem Beitragsservice seien Steuererklärungen und alle sonstig wichtigen Unterlagen übermittelt worden. Auch werde im Widerspruchsbescheid nicht angezweifelt, dass die für eine Existenz notwendigen Ausgaben, die gleichfalls nachgewiesenen Einnahmen überstiegen, man ziehe sich jedoch auf bestimmte vorzulegende Nachweise für bestimmte staatliche Sozialleistungen (Sozialhilfe, Hartz IV), die nicht beizubringen seien, zurück. Einen Widerruf des damaligen unbefristeten Befreiungsbescheides halte man offensichtlich nicht für erforderlich. Es werde darauf hingewiesen, dass der neue Rundfunkbeitrag nach einem Gutachten im Auftrag des Handelsverbandes Deutschland verfassungswidrig sei.Rn. 12
Im Verfahren werde es darum gehen zu überprüfen, ob es rechtens sei, eine unbefristet erteilte und auf behördlichen Feststellungen basierende Gebührenbefreiung durch eine neue Gebührenfestlegung einseitig zu Lasten des Gebührenbefreiten aufzuheben bzw. zu überprüfen, ob nachprüfbare und belegte Nachweise nach Offenlegung der Vermögensverhältnisse, die an sich einen Anspruch auf staatliche Sozialleistungen begründen würden, den vom Beitragsservice geforderten Unterlagen gleichzustellen sei und auf dieser Grundlage eine Gebührenbefreiung zu gewähren sei.Rn. 13
Mit Schriftsatz vom 18. April 2013 beantragte der Beklagte

die Klage abzuweisen.
Rn. 14
Zur Begründung wurde ausgeführt, das Klageziel festzustellen, dass die Klägerin weiterhin beitragsbefreit sei, sei unzulässig. Das Rechtsschutzziel könne sie mit einer Verpflichtungsklage gegen den Befreiungsbescheid mit Wirkung ab 1. Januar 2013 verfolgen. Die ebenfalls eingelegte Verpflichtungsklage sei unbegründet. Durch den neuen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sei die frühere Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Menschen mit bestimmten Behinderungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und Nr. 8 RBStV aufgegeben. Menschen mit Behinderung werde nach § 4 Abs. 2 RBStV auf Antrag eine Ermäßigung der Rundfunkbeitragspflicht auf ein Drittel des Beitrags (monatlich 5,99 EUR) gewährt. Da die genannten Behinderungen als solche nicht den Empfang von Rundfunkangeboten ausschlössen, sei keine völlige Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht, sondern nur eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrages gerechtfertigt. Damit werde die Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 2000 berücksichtigt, wonach die bisherige Gebührenbefreiung aus rein körperlichen Gründen gleichheitswidrig sei (BSG vom 28.6.2000 B 9 SB2/00R – in: NJW 2001 1966). Die Regelung der Beitragsermäßigung auf ein Drittel des Rundfunkbeitrages führe zu einer angemessenen Beteiligung der genannten Personengruppen an der Rundfunkfinanzierung.Rn. 15
Nach § 14 Abs. 4 Satz 2 RBStV werde für Rundfunkteilnehmer die bisher aus körperlichen Gründen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und Nr. 8 RGebStV von der Rundfunkgebührenpflicht befreit waren, kraft Gesetzes vermutet, dass sie ab dem 1. Januar 2013 nach § 4 Abs. 2 RBStV ein Drittel des Rundfunkbeitrages zu entrichten haben. Infolge dieser gesetzlichen Vermutung muss der Beitragsschuldner keinen Antrag auf Ermäßigung stellen, zusätzlicher Verwaltungsaufwand wird so vermieden. Nach der Übergangsvorschrift des § 14 Abs. 7 RBStV gelten lediglich Befreiungsbescheide nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 und Nr. 9 bis 11 des alten Rundfunkgebührenstaatsvertrages als Rundfunkbeitragsbefreiungen nach § 4 Abs. 1 RBStV.Rn. 16
Eine Aufhebung des bisherigen Befreiungsbescheides sei analog § 43 Abs. 2 VwVfG nicht erforderlich, da sich der Verwaltungsakt auf andere Weise erledigt habe, da der Rundfunkgebührenstaatsvertrag aufgehoben worden sei und gegenstandslos geworden sei. Hilfsweise sei darauf hingewiesen, dass der Ablehnungsbescheid vom 24. Januar 2013 konkludent den Befreiungsbescheid vom 10. Januar 2012 gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG analog aufgehoben habe. Um eine Rücknahme handle es sich nicht nur dann, wenn mit einem späteren Verwaltungsakt der frühere ausdrücklich zurückgenommen werde, sondern grundsätzlich auch dann, wenn der neue Verwaltungsakt im Widerspruch zu einem früheren rechtswidrigen Verwaltungsakt ergehe und insoweit hinsichtlich des Regelungsgegenstandes jedenfalls eine andere Regelung treffe, ohne den früheren Verwaltungsakt ausdrücklich aufzuheben oder abzuändern. Nichts andere könne für den Widerruf gelten.Rn. 17
Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 RBStV zu. Die Klägerin erfülle insbesondere nicht die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV. Nach dieser Vorschrift würden Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des 12. Buches des Sozialgesetzbuches oder von Hilfe zur Pflege als Leistung der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz oder von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften befreit. Der Bezug von Pflegegeld aus der sozialen Pflegeversicherung nach SGB XI falle nicht unter diesen Tatbestand. Der Gesetzgeber des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages habe das Grundprinzip beibehalten, dass nur demjenigen ein Anspruch auf Befreiung zustehe, dessen Bedürftigkeit durch eine staatliche Sozialbehörde geprüft und in deren Bescheid bestätigt worden sei. Pflegegeld werde jedoch nicht in Abhängigkeit der Vermögenssituation gewährt. Eine Bedürftigkeitsprüfung werde daher nicht durchgeführt. Die vom Betreuer der Klägerin übersandten Unterlagen (Mitteilung der Krankenversorgung der ***************** über Leistungen der Pflegeversicherung, Steuerbescheid des Finanzamts ************, Rechnung des Pflegedienstes ******* und Bestätigung der Stiftung *******************) erfüllten die Voraussetzungen des § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV nicht.Rn. 18
Der Klägerin stehe auch kein Anspruch auf eine Befreiung in einem besonderen Härtefall zu (§ 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV). Wie bei den bisherigen Regelungen sei eine Befreiung alleine wegen geringen Einkommens nicht möglich. Ein Härtefall liege nach dem gesetzgeberischen Willen vor, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 RBStV nicht erfüllt seien, aber eine vergleichbare Bedürftigkeit mit dem in Nrn. 1 bis 5 RBStV genannten Personenkreis nachgewiesen werden könne. Ein Fall des § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV liege nicht vor. Die Klägerin habe einerseits keinen gesonderten Befreiungsantrag gestellt, andererseits nicht nachgewiesen, dass sie die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV erfülle. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe nicht hervor, dass die Einkünfte der Klägerin die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als 17,98 EUR überschreite. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages bestünden nicht, die Klage sei abzuweisen. Abschließend wurde Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung oder durch Gerichtsbescheid erklärt. Auch der Kläger teilte mit Schriftsatz vom 8. Mai 2013 sein Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren mit.Rn. 19
Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2013 wies der Bayer. Rundfunk gesondert darauf hin, dass insbesondere durch die Vorlage der Einkommenssteuererklärung die Voraussetzungen für einen besonderen Härtefall nicht nachgewiesen werden könnten. Auf die Begründung wird Bezug genommen.Rn. 20
Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2013 wies der Betreuer der Klägerin u.a. darauf hin, dass es nicht möglich sei, seitens der Sozialbehörden oder von vergleichbaren Einrichtungen eine Bestätigung zu erhalten, die belege, dass die Klägerin zwar an sich infolge ihrer zu geringen monatlichen Einkünfte zum Bezug von Sozialhilfe berechtigt wäre, doch auf Grund ihrer zu verbrauchenden Ersparnisse und der Unterhaltsverpflichtung des Sohnes keine Sozialhilfe erhalten werde.Rn. 21
Der Beklagte übersandte Aufsätze und Besprechungen mit dem Thema der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsrechts. Der Betreuer der Klägerin nahm dazu Stellung.Rn. 22
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Rundfunkbeitragsakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.Rn. 23

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte über die Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit schriftlich einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).Rn. 24
Streitgegenstand ist die Umstellung des Rundfunkbeitrages ab 1. Januar 2013 nach § 4 Abs. 2 RBStV auf ein Drittel bei der bisher von den Rundfunkgebühren mit Bescheid vom 10. Januar 2012 befreiten Klägerin. Die zulässige Klage führt nicht zum Erfolg.Rn. 25
Die Klägerin kann sich nicht auf die unbefristete Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht mit Bescheid vom 10. Januar 2012 für den Zeitraum ab 1. Januar 2013 berufen. Der 15. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (15. RÄStV) hat den Rundfunkstaatsvertrag vom 31. August 1991, zuletzt geändert durch den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 18. Dezember 2008 aufgehoben. Ab 1. Januar 2013 trat der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) in Kraft mit Ausnahme von § 14 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 6 des RBStV, der bereits ab 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist. Dies hat zur Folge, dass der Bescheid vom 10. Januar 2012, mit dem für die Klägerin eine unbefristete Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht verfügt wurde, ab 1. Januar 2013 gegenstandslos geworden ist, da der Rundfunkgebührenstaatsvertrag aufgehoben worden ist. Eine irgendwie geartete Aufhebung des bisherigen Befreiungsbescheides war daher entbehrlich.Rn. 26
Die Klägerin erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Beitragspflicht nach § 4 RBStV. Nach dieser Vorschrift sind Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches oder nach §§ 27 a oder 27 d des Bundesversorgungsgesetzes, Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II einschließlich von Leistungen nach § 22 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches, soweit nicht Zuschläge nach dessen § 24 gewährt werden, die die Höhe des Rundfunkbeitrages übersteigen, weiterhin Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und nicht bei den Eltern wohnende Empfänger von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgesetz sowie Sonderfürsorgeberechtigte im Sinne des § 27 e des Bundesversorgungsgesetzes befreit. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Der Betreuer hat dazu ausgeführt, von einer Beantragung von Sozialleistungen sei abgesehen worden, da zunächst das Vermögen der Klägerin aufzubrauchen sei und er als Sohn der Klägerin unterhaltsverpflichtet sei.Rn. 27
Die Klägerin ist auch nicht Empfängerin von Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches oder von Hilfe zur Pflege als Leistung der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz oder von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften. Zwar erhält sie nach den Angaben des Betreuers Pflegegeld als Leistung der Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 440,00 EUR, allerdings handelt es sich dabei um eine Versicherungsleistung, die unabhängig von Einkommen und Vermögen ausgezahlt wird, während alle in § 4 genannten Sozialleistungen einkommens- bzw. vermögensabhängig sind. Das Pflegegeld als Leistung der Pflegeversicherung unterfällt nicht § 4 Abs. 1 Ziffer 7 RBStV. Schließlich ist die Klägerin auch nicht taubblind im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziffer 10 RBStV, sondern erfüllt die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Ziffer 3 RBStV. Sie ist behindert mit einem Grad der Behinderung, der nicht nur vorübergehend wenigstens 80 % beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann. Für diesen Personenkreis sieht § 4 Abs. 2 RBStV eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrages auf ein Drittel vor. Diese im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag aufgenommene Regelung korrespondiert mit der Auffassung des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 28. Juni 2000. Dort hat das Bundessozialgericht die Auffassung vertreten, dass ein durch Gebührenbefreiung ausgleichbarer Mehraufwand behinderter Rundfunk- und Fernsehteilnehmer kaum je entstehen dürfte, weil die deutsche Bevölkerung unabhängig von Behinderungen nahezu vollständig Rundfunk höre und fernsehe. Der Senat sah deshalb in der Gebührenbefreiung für Behinderte einen Verstoß gegen den gebührenrechtlichen Grundsatz der verhältnismäßigen Gleichbehandlung aller Nutzer. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die folgende Konsequenz aber nur der Verordnungsgeber ziehen könne. Diese Konsequenz wurde offenbar im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gezogen. Anlass zu verfassungsrechtlichen Bedenken besteht daher nicht, zumal der Verordnungsgeber durch die Ermäßigung des Beitrages auch dem Umstand Rechnung getragen hat, dass Behinderte mit bestimmten Erkrankungen oder Leiden ständig an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen können und für diese Beeinträchtigung ein Ausgleich geboten ist.Rn. 28
Auch ein besonderer Härtefall im Sinne des § 4 Abs. 6 RBStV liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift hat die Landesrundfunkanstalt in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zur befreien. Ein Härtefall liegt nach der Vorschrift insbesondere dann vor, wenn eine Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 RBStV in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten. Ein solcher Bescheid wurde im Verfahren nicht vorgelegt. Die Kammer kann auch einen sonstigen besonderen Härtefall in diesem Sinne nicht erkennen. Der Beklagte war auch nicht in der Lage die Vermögenssituation der Klägerin abschließend zu prüfen. Zwar hat sich der Betreuer der Klägerin einerseits darauf berufen, dass Sozialleistungen nicht beantragt wurden, da zunächst vorhandenes Vermögen aufzubrauchen sei und er als Sohn seiner Mutter gegenüber unterhaltsverpflichtet sei, andererseits wurden diese Vermögensverhältnisse der Klägerin aber nicht offengelegt. Alleine die Übersendung des Einkommenssteuerbescheides des Finanzamtes ************ gibt keinen umfassenden Aufschluss über die Vermögensverhältnisse der Klägerin, insbesondere konnte der Beklagte die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV auf der Grundlage dieser Auskünfte nicht überprüfen.Rn. 29
Der Kammer erscheint auch nicht verfassungsrechtlich bedenklich, dass Seniorenheimbewohner von dem Rundfunkbeitrag generell befreit sind, da Pflegeheime als Gemeinschaftsunterkünfte behandelt werden. Nach § 2 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. In § 3 Abs. 2 RBStV werden bestimmte Raumeinheiten nicht als Wohnung angesehen, da dort in der Regel nur ein vorübergehender oder nicht dauerhafter Aufenthalt erfolgt. Dabei handelt es sich jedoch um ein sachgerechtes Differenzierungskriterium, das für die Klägerin, die weiterhin in ihrer Wohnung lebt, nicht anwendbar ist. Auch unter anderen Gesichtspunkten kann die Kammer eine Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nicht erkennen.Rn. 30
Der Beklagte hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass der vom Kläger gestellte Feststellungsantrag unzulässig ist. Die begehrte Feststellung, dass die Klägerin ab 1. Januar 2013 auch von der Rundfunkbeitragspflicht befreit ist, könnte der Betreuer der Klägerin durch eine Anfechtungsklage eines Beitragsbescheides der den Zeitraum ab 1. Januar 2013 betrifft, verfolgen. Die Feststellungsklage ist insoweit subsidiär und unzulässig. Der Beklagte hat daher die Klägerin zu Recht, entsprechend der Übergangsbestimmung des § 14 Abs. 4 Satz 2 RBStV, ab 1. Januar 2013 zu einem Drittel des Rundfunkbeitrages herangezogen.Rn. 31
Die Klage war daher abzuweisen, die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.Rn. 32
Das Verfahren ist entsprechend § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.Rn. 33