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VG Hannover, Urt. v. 23.09.2013 – 10 A 2028/11 – “Einwilligung in Entnahme von Körperzellen genügt nicht“

ZVR-Online Dok. Nr. 2/2014 – online seit 12.02.2014

§ 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG, § 81g Abs. 3 StPO, § 81g Abs. 1 StPO

Leitsätze

1. Ein Anspruch auf Löschung eines DNA-Identifizierungsmusters aus der DNA-Analysedatei des Bundeskriminalamts besteht, wenn schon die Anordnung der Entnahme von Körperzellen und ihrer molekulargenetischen Untersuchung rechtswidrig war.Rn. 1
2. Auch wenn der Betroffene in die Entnahme und molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen einwilligt, muss die (Polizei )Behörde vor der Anordnung die tatbestandlichen Voraussetzungen prüfen und eine Gefahrenprognose i.S.d. § 81g Abs. 1 StPO stellen.Rn. 2
3. An die Prüfung des Tatbestands und die Gefahrenprognose nach § 81g Abs. 1 StPO durch die Polizeibehörde sind inhaltlich keine geringeren Anforderungen zu stellen als an einen richterlichen Beschluss im Sinne von § 81g Abs. 3 StPO.Rn. 3

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Löschung seines durch den Beklagten in der Verbunddatei „DNA-Analyse“ des Bundeskriminalamts gespeicherten DNA-Identifizierungsmusters. Diese Datei enthält neben Tatortspuren unbekannter Täter (sogen. Spurendatensätze) auch durch eine DNA-Analyse ermittelte genetische Fingerabdrücke von bekannten Personen (sogenannte Personendatensätze).Rn. 4
Dem Kläger wurden am 3. Juli 2007 Körperzellen zur Analyse und Speicherung seines DNA-Identifizierungsmusters entnommen. Anlass für die Maßnahme war ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung zum Nachteil seines Ziehvaters. Nach dem von der Polizei aufgenommenen Sachverhalt hat der Ziehvater des Klägers eine häusliche Auseinandersetzung wegen der Bedienung eines Computers geschildert. Der Kläger habe erst den Computer mehrmals auf den Tisch geschlagen und dann seinen Ziehvater in die Toilette gesperrt. Weil er vor kurzem einen Schlaganfall gehabt habe, sei er - der Ziehvater - in panische Angst geraten und habe lautstark um Hilfe gerufen. Nach geschätzt fünf Minuten habe der Kläger die Tür wieder geöffnet und ihn unter Schlägen aus der Wohnung verwiesen. Der Kläger sei Drogenkonsument und sehr aggressiv. In der gemeinsamen Wohnung sei der Kläger angetroffen worden und nach Eröffnung des Tatvorwurfs zur Überprüfung auf Drogenkonsum der Wache zugeführt worden. Ein Atemalkoholtest sei negativ, ein Urintest auf Cannabis positiv ausgefallen. Der Kläger habe angegeben, seit 48 Stunden keine Drogen genommen zu haben, aber seit 10 Jahren abhängig zu sein.Rn. 5
Nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung im Sinne von § 81 b StPO wurden dem Kläger mit dessen Einwilligung sodann Körperzellen in Form einer Speichelprobe entnommen. Die Einwilligung wurde durch Unterschrift auf einem Formblatt erklärt und erstreckt sich auf die Entnahme der Körperzellen, deren molekulargenetische Untersuchung und den Vergleich des festgestellten DNA-Identifizierungsmusters mit anderen DNA-Mustern in laufenden Strafverfahren (§ 81 e StPO) sowie die molekulargenetische Untersuchung und Verarbeitung seines DNA-Identifizierungsmusters sowie seiner personenbezogenen Daten zur Identitätsfeststellung in zukünftigen Verfahren (§ 81 g StPO). Das Formblatt enthält die Erläuterung, dass der Anlass für die geplante DNA-Maßnahme die Vorsorge für künftige Strafverfahren sei und der Kläger darüber belehrt worden sei, dass ohne seine schriftliche Einwilligung Körperzellen nur bei Vorliegen einer richterlichen Anordnung gewonnen werden dürften und dass sein DNA-Identifizierungsmuster nach den gesetzlichen Bestimmungen des BKA-Gesetzes und den Richtlinien für die Errichtung und Führung von Dateien über personenbezogene Daten beim Bundeskriminalamt (Dateienrichtlinien) in der DNA-Analysedatei gespeichert und verarbeitet werde. Die Verarbeitung schließe unter anderem die Datenübermittlung zu Zwecken der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr und der internationalen Rechtshilfe ein.Rn. 6
In den Akten befindet sich eine am 5. Juli 2007 gespeicherte Prognose des den Vorgang bearbeitenden Polizeikommissars, die vollständig und wörtlich lautet:

„Dem Beschuldigten scheint jegliches Unrechtsbewusstsein zu fehlen. Immer wieder tritt es als Straftäter polizeilich in Erscheinung (s.o.). Auch die Verbüßung einer Freiheitsstrafe in der JVA Burgdorf scheint ihn nicht geändert zu haben, da er nun wieder wegen Körperverletzung auffällig wird. Der Beschuldigte ist laut polizeilichem Informationssystem Btm-Konsument. Aus den o.g. Gründen ist zu erwarten, dass er auch weiterhin Straftaten begehen wird. [Seitenumbruch]
Rn. 7
(1999, 2005), Verstoß gegen das BtmG (1999, 2005, 2006), Betrug (2x 1999, 2005), Erschleichen von Leistungen (1998,2001, 2002, 2004), Körperverletzung (2002,2004,2007). Der Beschuldigte wurde erst am 11.01.2006, nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe, aus der JVA Burgdorf entlassen.“Rn. 8
Die dem Kläger entnommene Speichelprobe wurde am 19. Juli 2007 dem Beklagten übersandt. Dort wurde die Probe aufbereitet, ein DNA-Identifizierungsmuster ermittelt und dieses am 21. September 2007 in der DNA-Analysedatei gespeichert. Nach Abschluss der Maßnahme wurde der Vorgang an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Unter dem 26. März 2008 vermerkte die Staatsanwältin „Die Voraussetzungen für einen Antrag nach § 81 g Abs. 1 StPO liegen vor.“Rn. 9
Im April 2010 wurde gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall eingeleitet, nachdem in einem aufgebrochenen Kraftfahrzeug eine Zigarettenkippe mit anhaftenden DNA-Spuren aufgefunden worden war, die anhand seines gespeicherten DNA-Identifizierungsmusters dem Kläger zugeordnet werden konnten. Das Ermittlungsverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil die Einlassung des Klägers, er habe die Zigarettenkippe nicht selbst in dem Auto hinterlassen, nicht widerlegt werden könne.Rn. 10
Am 30. April 2011 wurde die Polizei nach einem Streit zwischen dem Kläger und seiner Nachbarin herbeigerufen. Die Nachbarin gab der Polizei gegenüber an, der Kläger habe ihr vorgeworfen, stets mit den Türen zu knallen, und sie im Lauf des Streitgesprächs in die Wohnung gestoßen und in die Küche gedrängt. Dort habe er sie mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen und bis zur Atemnot am Hals gewürgt. Danach sei der Kläger wieder in seine Wohnung gegangen. Der Kläger hat den Streit bestätigt, die vorgeworfenen Tätlichkeiten aber bestritten. Das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gem. § 153 a StPO eingestellt.Rn. 11
Der Kläger hat zunächst gegenüber der Polizeidirektion Hannover versucht, die Löschung seines DNA-Identifizierungsmusters klageweise durchzusetzen. Auf einen Hinweis der Kammer, dass anstelle der Polizeidirektion der Beklagte für die Löschung zuständig sei, hat er am 3. Juli 2013 bei dem Beklagten die Löschung seines DNA-Identifizierungsmusters beantragt.Rn. 12
Mit Bescheid vom 12. Juli 2013 hat der Beklagte die Löschung des DNA-Identifizierungsmusters abgelehnt. Die Speicherung sei rechtmäßig erfolgt. Der Kläger sei seit 1997 wegen zahlreicher Einzeltaten polizeilich in Erscheinung getreten, die in ihrer Gesamtheit einen Unrechtsgehalt von erheblicher Bedeutung aufwiesen. Es bestehe daher auch Grund zu der Annahme, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen seien.Rn. 13
Die inhaltlichen Anforderungen an eine derartige Prognose seien niedrig und würden durch die am 5. Juli 2007 getroffenen Erwägungen des ermittelnden Polizeikommissars erfüllt. Seine Prognose nehme darauf Bezug, dass der Kläger häufig polizeilich in Erscheinung getreten sei und enthalte eine Einschätzung der Persönlichkeit des Klägers gerade im Hinblick auf dessen Einsichtsfähigkeit. Dieser Faktor sei ein ganz wesentliches Prognosekriterium. Insofern stütze sich die Prognose auch auf die kriminalistische Erfahrung als „sonstige Erkenntnis“ im Sinne des § 81 g Abs. 1 Satz 1 StPO. Bestätigt werde die Prognose durch die zwischenzeitlich gegen den Kläger geführten Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall.Rn. 14
Dass dem Kläger ohne richterlichen Beschluss Körperzellen entnommen worden seien, mache die Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters nicht rechtswidrig, weil der Kläger wirksam in die Entnahme der Zellen und deren molekulargenetische Untersuchung eingewilligt habe. Sein Einwand, er habe die Einwilligungserklärung im Klageverfahren erstmals gesehen und sei im Übrigen durch Alkoholeinwirkung einwilligungsunfähig gewesen, sei als bloße Schutzbehauptung zu werten. Der Kläger habe das Formular selbst unterschrieben und ein am selben Abend bei ihm durchgeführter Atemalkoholtest sei negativ verlaufen.Rn. 15
Der Löschung des DNA-Identifizierungsmusters stehe zudem entgegen, dass die Daten für die Aufgabenerfüllung weiterhin erforderlich seien. Es stehe zwar außer Frage, dass die mehrfachen Beförderungserschleichungen des Klägers eine weitere Speicherung nicht erforderten; der Kläger sei aber in verschiedensten Deliktsbereichen einschließlich Körperverletzungen in Erscheinung getreten. Gerade bei Gewaltdelikten könne ein DNA-Abgleich zur Aufklärung beitragen.Rn. 16
Den Bescheid des Beklagten hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Juli 2013 zum Gegenstand seiner zuvor erhobenen Klage gemacht.Rn. 17
Er hält die Prognoseentscheidung der Polizeidienststelle für irrelevant. Es fehle vielmehr an einer richterlichen Entscheidung. Seine Einwilligungserklärung sei unwirksam und im Übrigen widerrufen bzw. angefochten worden.Rn. 18
Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 12.07.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sein in der Verbunddatei „DNA-Analyse“ gespeichertes DNA-Identifizierungsmuster zu löschen.
Rn. 19
Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.
Rn. 20
Er verteidigt den angefochtenen Bescheid und führt unter wiederholender Ergänzung von dessen Begründung aus, dass eine negative Wiederholungsprognose nicht dadurch ausgeschlossen sei, dass das für die Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters anlassgebende Strafverfahren eingestellt worden sei. Im Übrigen sei wegen der wiederkehrenden Delikte des Klägers eine Wiederholungsgefahr anzunehmen. Dass das gegen den Kläger geführte Verfahren wegen besonders schweren Diebstahls eingestellt worden sei, sei unerheblich. Das Verfahren aus dem Jahr 2011 wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Nachbarin des Klägers wiederum sei nach § 153 StGB eingestellt worden, ohne dass das Amtsgericht den vorgeworfenen Sachverhalt in Frage gestellt habe.Rn. 21
Der Kläger könne seine Einwilligung von Rechts wegen nicht mehr anfechten. Selbst wenn er geltend mache, er sei durch Drohung zur Einwilligung genötigt worden, sei die für Anfechtungen wegen Drohung geltende Frist von einem Jahr ab dem Ende der Zwangslage abgelaufen.Rn. 22
Wegen des weiteren Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Polizeidirektion Hannover und des Beklagten sowie des DNA-Sonderhefts der Staatsanwaltschaft Hannover Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.Rn. 23

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat den geltend gemachten Anspruch auf Löschung seines DNA-Identifizierungsmusters aus der DNA-Analysedatei des Bundeskriminalamts. Der das Löschungsbegehren ablehnende Bescheid vom 12. Juli 2013 und die weitere Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).Rn. 25
Der Löschungsanspruch ergibt sich aus § 32 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz - BKAG -) vom 7.7.1997 (BGBl. I, S. 1650), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.6.2013 (BGBl. I, S. 1602). Danach sind Daten unter anderem dann zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. So verhält es sich hier, weil bereits die Anordnung der Polizei, dem Kläger zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen zu entnehmen und zur Feststellung seines DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch zu untersuchen, rechtswidrig war. Infolge dessen erweist sich auch die Speicherung des unter Vollzug dieser rechtswidrigen Anordnung gewonnenen DNA-Identifizierungsmusters als rechtswidrig.Rn. 26
Rechtsgrundlage für eine Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters ist § 81 g Abs. 1 StPO. Danach sind solche Maßnahmen zulässig, wenn der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig ist und wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten kann gem. § 81 g Abs. 1 Satz 2 StPO im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen.Rn. 27
Diese tatbestandlichen Voraussetzungen müssen nach Auffassung der Kammer auch dann gegeben sein, wenn der Beschuldigte in die Entnahme der Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters schriftlich einwilligt.Rn. 28
Denn die Einwilligung ersetzt zwar gem. § 81 g Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO die richterliche Entscheidung bzw. ermöglicht die Anordnung der Entnahme der Körperzellen durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen auch ohne Gefahr im Verzug. Damit ersetzt sie aber schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur formelle Voraussetzungen, nicht aber auch die tatbestandlichen Anforderungen. Die Bedeutung und die Tragweite der durch eine solche Anordnung betroffenen Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und der informationellen Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) gebieten, die Vorschrift insofern restriktiv auszulegen und nicht über ihren Wortlaut hinaus zu dehnen. Insbesondere die Negativprognose ist deshalb eine unverzichtbare Voraussetzung für die Erstellung eines molekulargenetischen Identifizierungsmusters für Zwecke künftiger Strafverfahren (vgl. Senge, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, Rn. 16 zu § 81 g StPO; Markwardt/Brodersen, in: NJW 2000, 692 <693>).Rn. 29
Auch der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gegenüber der öffentlichen Gewalt aus Art. 19 Abs. 4 GG verbietet es, die Entnahme und molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen und die Speicherung des gewonnenen DNA-Identifizierungsmusters allein aufgrund der Einwilligung des Betroffenen als rechtmäßig anzusehen. Denn wenn die richterliche Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 81 g Abs. 3 StPO bei einer schriftlichen Einwilligung des Betroffenen unterbleibt, gibt die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Speicherungsvoraussetzungen im Rahmen eines Löschungsbegehrens dem Betroffenen die Möglichkeit, noch nachträglich gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen und den mit der Entnahme und Untersuchung von Körperzellen verbundenen Eingriff in seine Grundrechte zwar nicht vollends (dazu BVerfG, Beschluss vom 10.3.2009 - 2 BvR 400/09 -, juris Rn. 10; Beschluss vom 23.1.2013 - 2 BvR 2392/12 -, juris Rn. 10), aber wenigstens weitestmöglich rückgängig machen zu lassen. Wäre dem Verwaltungsgericht infolge der Einwilligung die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen verwehrt, liefe auch diese letzte Rechtsschutzmöglichkeit leer.Rn. 30
Schließlich geben auch die Entstehungsgeschichte der Norm und der ihr zugrundeliegende Zweck keinen Anhalt für die Vermutung, dass bei schriftlicher Einwilligung die Entnahme und molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen ungeachtet der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81 g Abs. 1 StPO zulässig sein sollte. Der Gesetzgeber ging bei Einführung von § 81 g Abs. 3 StPO zwar davon aus, dass sowohl das Recht auf körperliche Unversehrtheit als auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich der Disposition des jeweiligen Grundrechtsträgers unterliegen. Eine solche Disposition kann der Betroffene aber nur dann bewusst treffen, wenn ihm die rechtlichen Rahmenbedingungen bekannt sind, unter denen ihm gegebenenfalls auch ohne seinen Willen Körperzellen entnommen und aufbereitet werden könnten. Entsprechend hat der Gesetzgeber die Dispositionsbefugnis ausdrücklich nur „in dem hier in Frage stehenden Rahmen“ (vgl. BT-Drs. 15/5674, S. 8) angeführt. Als diesen „Rahmen“ sieht die Kammer die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81 g Abs. 1 StPO an.Rn. 31
Das folgt im Fall des Klägers schon daraus, dass in dem von ihm unterzeichneten Einwilligungsformular die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 g Abs. 1 StPO nicht aufgeführt waren und damit auch seiner Einwilligung nicht zugrunde gelegen haben werden. Aber selbst wenn dem Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen bekannt gewesen oder mündlich mitgeteilt worden wären, hätte er als juristischer Laie seine Dispositionsbefugnis kaum sachgerecht ausüben können, weil er nicht fachgerecht einschätzen kann, ob die ihm vorgeworfene Tat eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 81 g Abs. 1 Satz 1 StPO war oder ihm vorgeworfene, wiederholte Taten im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstanden. Auch die in § 81 g Abs. 1 StPO geforderte Negativprognose konnte der Kläger in eigener Sache kaum sachgerecht treffen; er dürfte sie im Zweifel für sich auch eher verneint haben.Rn. 32
Sind nach alledem auch bei einer schriftlichen Einwilligung die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81 g Abs. 1 StPO zu beachten, obliegt die Prüfung dieser Voraussetzungen dem Polizeibeamten, der die Einwilligung des Betroffenen einholt und auf ihrer Grundlage die Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung nach § 81 g Abs. 1 StPO anordnet und vollzieht. Als materielle Voraussetzung für eine rechtmäßige Anordnung ist diese Prüfung einschließlich der Gefahrenprognose bereits vor der Entnahme der Körperzellen vorzunehmen. Das zeigt schon der Tatbestand des § 81 g Abs. 1 StPO, der nicht zwischen der Entnahme der Körperzellen und deren molekulargenetischer Untersuchung differenziert, sondern beide Handlungen unter einheitliche Tatbestandsvoraussetzungen stellt. Insofern unterscheidet sich § 81 g Abs. 1 StPO von Abs. 3 der Vorschrift, der (nur) hinsichtlich der Entnahme der Körperzellen formale Erleichterungen bei Gefahr im Verzug vorsieht und darin zwischen der Entnahme und der molekulargenetischen Untersuchung von Körperzellen differenziert. Auch § 81 g Abs. 2 StPO spricht dafür, dass bereits für die Entnahme der Körperzellen die tatbestandlichen Voraussetzungen einschließlich der Gefahrenprognose vorliegen müssen. Denn in der dort geregelten strengen Zweckbindung und dem Gebot der Vernichtung des gewonnenen Zellmaterials kommt die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, dass bereits der Besitz von Zellmaterial eines Einzelnen durch den Staat enger rechtlicher Grenzen bedarf, weil technisch auch eine missbräuchliche Verwendung, insbesondere durch Untersuchungen im codierenden Bereich der DNA, möglich wäre.Rn. 33
Vor diesem Hintergrund stellen die unter dem 5. Juli 2007 schriftlich niedergelegten Erwägungen des sachbearbeitenden Polizeikommissars schon formal keine tragfähige Prognose dar, weil sie erst zwei Tage nach der Entnahme der Körperzellen festgehalten wurden.Rn. 34
Es ist auch nicht ersichtlich, dass es sich bei dem Vermerk vom 5. Juli 2007 lediglich um die nachträgliche Niederschrift von Erwägungen handeln sollte, die bereits vor Entnahme der Körperzellen „mündlich“ oder „in Gedanken“ angestellt worden sind. Hiergegen spricht vielmehr, dass die Körperzellen - ausweislich der Eintragungen im Einwilligungsformular - nicht durch den Ersteller der Prognose vom 5. Juli 2007, sondern durch einen anderen Polizeibeamten entnommen worden sind. Aber selbst wenn sie rechtzeitig angestellt worden wären, genügten die Erwägungen vom 5. Juli 2007 nicht den materiell-rechtlichen Anforderungen des § 81 g StPO.Rn. 35
Denn die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen durch einen Polizeibeamten bei Einwilligung des Betroffenen kann nach Überzeugung der Kammer keinen geringeren inhaltlichen Anforderungen unterliegen als ein richterlicher Beschluss gem. § 81 g Abs. 3 Satz 5 StPO.Rn. 36
In einem solchen Beschluss ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einzelfallbezogen darzulegen, warum die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichsteht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats vom 14.8.2007 - 2 BvR 1293/07 -, juris Rn. 5). Es bedarf ferner der Darlegung positiver, auf den Einzelfall bezogener Gründe für die Annahme, dass wegen der Art oder Ausführung der bereits abgeurteilten Straftaten, der Persönlichkeit des Betroffenen oder sonstiger Erkenntnisse zu erwarten ist, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind.Rn. 37
Eine tragfähig begründete Entscheidung setzt dabei voraus, dass ihr eine hinreichende Sachaufklärung, insbesondere durch Beiziehung der verfügbaren Straf- und Vollstreckungsakten, des Bewährungshefts und zeitnaher Auskünfte aus dem Bundeszentralregister, vorausgegangen ist und in den Entscheidungsgründen die bedeutsamen Umstände abgewogen wurden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99, 2 BvR 276/00, 2 BvR 2061/00 -, BVerfGE 103, 21 <35 ff.>, juris Rn. 60).Rn. 38
Nach diesem Maßstab erweist sich die Prognose des sachbearbeitenden Polizeikommissars vom 5. Juli 2007 schon hinsichtlich der gebotenen Sachaufklärung als defizitär. Denn es ist nicht erkennbar, dass die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials über eine Abfrage des polizeilichen Informationssystems hinausgegangen ist. Weder die Straf- und Vollstreckungsakten früherer gegen den Kläger geführter Verfahren noch ein bei Verbüßung einer Freiheitsstrafe etwa angelegtes Bewährungsheft sind beigezogen worden. Entsprechend ist auch eine Auswertung dieser Akten nicht erfolgt. Die gegen den Kläger geführten Verfahren sind lediglich hinsichtlich der vorgeworfenen Straftatbestände aufgeführt, ohne die Herkunft dieser Erkenntnisse offenzulegen und die näheren Umstände oder auch nur den Verfahrensausgang zu ermitteln.Rn. 39
Als besonders schwerwiegend erweist sich dabei die unterbliebene Beiziehung jeglicher Vollstreckungsakten einschließlich eines ggf. angelegten Bewährungshefts, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiter erhöhte Begründungsanforderungen bestehen, wenn bereits ein Gericht im Rahmen der Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung eine günstige Sozialprognose getroffen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.12.2000 - a. a. O., Rn. 60). Denn die Umstände, die bei einer Sozialprognose für die Strafaussetzung zur Bewährung bestimmend sein können, sind gleichermaßen im Rahmen der Gefahrenprognose im Sinne des § 81 g Abs. 1 StPO in den Abwägungsvorgang einzustellen. Dies gilt etwa für die Rückfallgeschwindigkeit, den Zeitablauf seit der früheren Tatbegehung, das Verhalten des Betroffenen in der Bewährungszeit oder einen Straferlass, seine Motivationslage bei der früheren Tatbegehung, seine Lebensumstände und seine Persönlichkeit.Rn. 40
Über die für seine Prognoseentscheidung geltenden Begründungsanforderungen konnte sich der sachbearbeitende Beamte deshalb nicht im Klaren sein, denn mangels beigezogener Akten wusste er nicht, ob für eine Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung eine Sozialprognose getroffen worden ist, die er im Rahmen seiner eigenen Prognose besonders hätte würdigen müssen. Schon ob der Kläger tatsächlich eine Freiheitsstrafe verbüßt hat, ist anhand der Ausführungen vom 5. Juli 2007 nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Die Freiheitsstrafe ist dort ohne Angabe eines Aktenzeichens erwähnt. Zumindest in der Auswertung eines Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 10. März 2011 durch die Polizeidirektion Hannover ist eine Freiheitsstrafe nicht aufgeführt; die letzte dort genannte Strafe ist eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu 20 Euro wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr. Eine zwischenzeitliche Tilgung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe dürfte aufgrund von § 46 Abs. 2 lit. a BZRG nicht erfolgt sein. Auch die Bevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, eine Freiheitsstrafe des Klägers sei ihr unbekannt.Rn. 41
Ungeachtet dessen erweisen sich - die gerichtliche Entscheidung selbständig tragend - sowohl die Einschätzung, dass die dem Kläger bisher vorgeworfenen Straftaten bei Gesamtbetrachtung einen einer erheblichen Tat im Sinne des § 81 g Abs. 1 StPO gleich stehenden Unrechtsgehalt aufweisen, als auch die darauf beruhende Gefahrenprognose, dass gegen den Kläger auch künftig Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sein werden, auch inhaltlich als unzureichend.Rn. 42
Denn die Prüfung des Unrechtsgehalts der dem Kläger bisher vorgeworfenen Straftaten beschränkt sich in den unter dem 5. Juli 2007 niedergelegten Erwägungen auf die pauschalen Feststellungen, dem Kläger scheine „jegliches Unrechtsbewusstsein zu fehlen“ und er trete immer wieder als Straftäter polizeilich in Erscheinung. Darüber hinaus enthält die Prognose nicht mehr als die bloße Auflistung von Tatbeständen und Jahreszahlen, ohne dass für die einzelnen Vorwürfe auch nur eine Vorgangsnummer, ein Kurzsachverhalt oder der Verfahrensausgang genannt wären, die üblicherweise schon den polizeilichen Auskunftssystemen entnommen werden könnten. Ob ein polizeiliches „Inerscheinungtreten“ auch in ein strafprozessuales Ermittlungsverfahren gemündet ist, bleibt dabei offen. Ebenso wenig wird danach differenziert, ob neben den vorgeworfenen Tatbeständen möglicherweise (nicht verwirklichte) besonders strafbewehrte Begehungsformen oder andere tatbestandliche Qualifikationen bestehen, die in Abgrenzung zur einfachen Begehungsweise bei der Einordnung des Unrechtsgehalts der vorgeworfenen Taten hätten berücksichtigt werden können.Rn. 43
Die vorgenommene Bewertung des Polizeikommissars beruht vielmehr allein auf der Häufigkeit des polizeilichen Inerscheinungtretens und geht dabei offenbar davon aus, dass schon der wiederholte Vorwurf der Begehung von Straftaten für die Erreichung der Erheblichkeitsschwelle genüge. Gerade eine solche pauschale Bewertung lag aber nicht in der Absicht des Gesetzgebers. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu (BT-Drs. 15/5647, S. 11):Rn. 44
„Mit der Neuregelung in Satz 2 ist ... kein Automatismus dergestalt verbunden, dass jegliche wiederholte Begehung von Straftaten für die Erreichung der Erheblichkeitsschwelle genügen würde. Während beispielsweise durch wiederholtes „Schwarzfahren“ die Erheblichkeitsschwelle in aller Regel nicht erreicht werden wird, kann z. B. ein wiederholter Hausfriedensbruch – ungeachtet der vergleichsweise niedrigen Strafandrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe (§ 123 StGB) – etwa in Fällen des sog. Stalking den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit in einem Maße beeinträchtigen, dass dies einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichsteht.“Rn. 45
Selbst bei Berücksichtigung der Erkenntnisse über die Verfahrensausgänge und Kurzsachverhalte der in der Prognose aufgelisteten Verfahren in der zwischenzeitlich durch die Polizeidirektion Hannover ausgewerteten Kriminalakte des Klägers und im polizeilichen Auskunftssystem ergäbe sich im Übrigen kein anderes Bild. Das (notwendige) Tatbestandsmerkmal einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder wiederholter Taten von gleichstehendem Unrechtsgehalt im Sinne von § 81 g Abs. 1 StPO wäre auch danach nicht erfüllt.Rn. 46
Dabei geht die Kammer davon aus, dass hinsichtlich der Vorfrage der Rechtmäßigkeit der Entnahme und Untersuchung der Körperzellen für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung maßgeblich ist, mithin der 3. Juli 2007. Entsprechend können nur solche Taten berücksichtigt werden, die dem Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt vorgeworfen wurden. Dass gegen den Kläger im Jahr 2010 wegen versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall und aufgrund einer Nachbarschaftsstreitigkeit am 30. April 2011, bei der er seine Nachbarin in deren Wohnung gedrängt und bis zur Atemnot gewürgt haben soll, wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt worden ist, ist deshalb bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 81 g Abs. 1 StPO zum hier maßgeblichen Zeitpunkt unbeachtlich.Rn. 47
Nach den Erkenntnissen aus der Kriminalakte wurde der Kläger wegen eines Verstoßes gegen das BtMG im Jahr 1999 zu einer Geldstrafe verurteilt; das im Jahr 2005 gegen ihn geführte Verfahren wurde nach § 31 a BtMG eingestellt. Wegen Betruges durch Unterlassen im Jahr 1999 wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, ein Verfahren wegen Betruges im Jahr 2005 ist nicht aktenkundig. In jenem Jahr wurde gegen den Kläger allerdings wegen Fundunterschlagung oder Diebstahlsverdacht ermittelt, nachdem er in Schlangenlinien mit einem Fahrrad auf einem Gehweg gefahren war und auf Befragen angegeben hatte, er habe das Rad gefunden. Dieses Verfahren wurde nach § 154 StPO eingestellt.Rn. 48
Wegen Erschleichens von Leistungen am 14.3.2001, 13.4.2001, 22.3.2002 und am 26.1.2004 wurde der Kläger zu einer Geldstrafe verurteilt. Wegen einer Körperverletzung im Jahr 2002 ist er ausweislich seiner Kriminalakte als Beschuldigter in einem polizeilichen Vorgang geführt worden, ohne dass in diesem Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft erwähnt ist. Auch der Auszug aus dem polizeilichen Informationssystem enthält insoweit keine Angaben. Im Jahr 2004 wurde gegen den Kläger als Beteiligten an einer wechselseitigen Körperverletzung ermittelt; dieses Verfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das weiter erwähnte Verfahren wegen Körperverletzung im Jahr 2007 war offenbar das für die Erstellung des DNA-Identifizierungsmusters anlassgebende Verfahren, das bei Erstellung der Prognose noch nicht abgeschlossen war, zwischenzeitlich aber ebenfalls nach § 153 a Abs. 2 StPO gegen Erfüllung einer Auflage eingestellt worden ist.Rn. 49
Diese Vorwürfe und Verfahren zeigen - wie auch weitere Erkenntnisse in der Kriminalakte, die in der Prognose vom 5. Juli 2007 nicht aufgeführt sind -, dass der Kläger über einen langen Zeitraum durchaus mit einer gewissen Regelmäßigkeit polizeilich in Erscheinung getreten ist und weisen auch eine breite „tatbestandliche Streuung“ auf. Sie bewegen sich aber nach den vorliegenden Erkenntnissen ausschließlich im Bereich der Klein- und Kleinstkriminalität, die nicht im Ansatz an den Unrechtsgehalt schwerwiegender Straftaten heranreicht. Soweit der Kläger verurteilt worden ist, bewegen sich die Geldstrafen im untersten Bereich der Strafzumessung. Dem Kläger wurden auch keine tatbestandlichen Qualifikationen, wie etwa eine besonders schwere, gefährliche oder gewerbliche Begehungsweise, vorgeworfen. Im Gegenteil wurde er - unter anderem - wegen Diebstahls geringwertiger Sachen und (in der Prognose nicht erwähnt) wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt; die Verurteilung wegen Betrugs erging wegen Betrugs durch Unterlassen. Ein in der Summe erhöhter Unrechtsgehalt lässt sich diesen Tatbeständen allein ohne Kenntnis der Ermittlungsakten nicht entnehmen.Rn. 50
Die in den eingestellten Verfahren erhobenen Vorwürfe sind ebenfalls von untergeordneter Schwere. Das zeigen bereits die jeweils als erfüllt angesehenen Einstellungsvoraussetzungen der § 31 a BtMG und § 153 StPO (geringe Schuld), des § 153 a StPO (keine entgegenstehende Schwere der Schuld) und des § 154 StPO, der die Einstellung hinsichtlich Nebenstraftaten erlaubt, die nicht beträchtlich ins Gewicht fallen. Auch diese Verfahren lassen ohne Kenntnis der Ermittlungsakten weder einen besonderen Zusammenhang noch andere ungewöhnliche Umstände erkennen, die einen in der Summe gesteigerten Unrechtsgehalt begründen könnten.Rn. 51
Dies steht schließlich auch der Annahme entgegen, dass gegen den Kläger künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Denn die Prognose vom 5. Juli 2007 beruht auf der unzutreffenden Einschätzung, dass bereits die bisherigen Taten im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen und ein unverändertes Verhalten des Klägers dann auch weitere Straftaten von (insgesamt) erheblicher Bedeutung erwarten lasse. Fehlt es dagegen schon an der hinreichenden Schwere der bisher vorgeworfenen Taten, genügt auch die Fortsetzung des Verhaltens des Klägers nicht für die Prognose zukünftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung.Rn. 52
Es ist auch kein Grund zu der Annahme erkennbar, dass der Kläger künftig schwerere Straftaten begehen werde als bisher. Die Ausführungen des ermittelnden Polizeibeamten, dem Kläger scheine „jegliches Unrechtsbewusstsein zu fehlen“ und auch die Verbüßung einer Freiheitsstrafe scheine ihn nicht geändert zu haben, sind nicht durch entsprechende Erkenntnisse oder beigezogene Akten belegt und auch inhaltlich zu pauschal, um den hohen Anforderungen an eine Gefahrenprognose nach § 81 g Abs. 1 StPO zu genügen. So verhalten sie sich beispielsweise nicht zu dem Umstand, dass zwischen dem erwähnten Ende der Freiheitsstrafe des Klägers im Januar 2006 und der ihm im Juli 2007 vorgeworfenen Tat eineinhalb Jahre liegen, in denen der Kläger - nach den in der Prognose aufgeführten Vorwürfen - gar nicht polizeilich in Erscheinung getreten ist.Rn. 53
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.Rn. 54
Die Berufung ist gem. § 124 a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Rechtsfrage, ob eine Einwilligung des Beschuldigten in die Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Aufbereitung lediglich den richterlichen Beschluss i. S. d. § 81 g Abs. 3 StPO als formale Voraussetzung oder den materiellen Tatbestand des § 81 g Abs. 1 StPO insgesamt ersetzt, über den konkreten Fall des Klägers hinaus grundsätzliche Bedeutung hat und obergerichtlich bisher nicht geklärt worden ist.Rn. 55