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Alexander Seidl*: Rezension – Heinz/Ritter, Beck´sches Formularbuch für die Anwaltskanzlei, 2014

ZVR-Online Dok. Nr. 21/2014 – online seit 29.09.2014

Heinz, Volker / Ritter, Thomas
Beck´sches Formularbuch für die Anwaltskanzlei
Verlag C. H. Beck München
1. Auflage 2014
1586 Seiten (mit CD-Rom)
129,00 €
ISBN: 978-3-406-64976-9

Die Herausgeber wollen mit dem Formularbuch für die Anwaltskanzlei, das erstmals erschienen ist, angehenden und arrivierten Rechtsanwälten sowie deren Mitarbeitern Arbeitshilfen für die regelmäßig in der Kanzlei anfallenden Strukturierungs-, Verwaltungs- und Organisationsaufgaben an die Hand geben. Von den Fragen der Anwaltszulassung über die Kanzleigründung bis hin zur potenziellen Kanzleifusion oder Abwicklung sollen sämtliche Themengebiete anhand ausführlich kommentierter Formulare, Muster und Checklisten veranschaulicht werden. Das Werk soll sich an Kanzleien jeder Größe und Rechtsform richten und ein breites Themenspektrum abdecken – betriebswirtschaftliche und steuerliche Themen der Kanzleiführung sollen ebenso behandelt werden wie die für den Anwaltsnotar wichtigen Bestimmungen sowie die populären englisch-rechtlichen Organisationsformen LLP und Limited.Rn. 1
Diesen selbst gesteckten Zielen wird das Werk durchaus gerecht. Der (angehende) Rechtsanwalt findet in diesem Werk alles, was er für eine standesgemäße Berufsausübung benötigt. Dabei handelt es sich beim Formularbuch für die Anwaltskanzlei – positiv gemeint – mehr um ein "Handbuch mit kommentierten Mustertexten" als ein Formularbuch im engeren Sinne. Der Aufbau des Werks orientiert sich großteils an den Bedürfnissen der Kanzleipraxis und am chronologischen Ablauf der Gründung sowie Auf- und Ausbau einer Kanzlei.Rn. 2
Das von 23 erfahrenen Praktikern verfasste Buch gliedert sich dazu in 19 Kapitel, die alle Bereiche der Kanzleiorganisation bestens abdecken. Sinnvoller Weise beginnt das Formularbuch im Kapitel A. mit der Anwaltszulassung und Kanzleigründung. Der Unterabschnitt „Kanzleigründungs- und Finanzierungsplanung“ enthält anstatt von Formularen hilfreiche Checklisten für den Businessplan der Kanzlei. Kapitel B. befasst sich mit der gemeinschaftlichen Berufsausübung, untergliedert in rechtsformspezifische Regelungen, wie z.B. Sozietätsvertrag und Partnerschaftsvertrag zwischen Rechtsanwälten, und Formulare für Kanzleifusionen und -spaltungen. In den Teilen C bis E werden umfassend die Altersvorsorge und Vermögensnachfolge sowie Krankenversicherung und weitere persönliche Versicherungen (z.B. Berufsunfähigkeitsversicherung) und schließlich betriebliche Versicherungen erörtert. Im Abschnitt C.IV.4 konnte bei den Ausführungen hinsichtlich des Befreiungsanspruchs abhängig beschäftigter "Syndikusanwälte" von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung die wegweisende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 03.04.2014 - B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R, B 5 RE 3/14 R leider nicht mehr berücksichtigt werden, wie eine Anmerkung im Buch klarstellt. Die Autoren dieses Abschnitts geben jedoch Ratschläge und Hinweise für die „Altfälle“ sowie für Neuanträge nach der genannten Rechtsprechung. Kapitel F gibt einen Überblick über die wesentlichen Fragen hinsichtlich der Kanzleiräume und der EDV-Ausstattung. Kapitel G hält umfangreich Formulare für die Begründung des Mandats bereit. So werden in diesem Kapitel, das einen der Hauptteile des Werks darstellt, insbesondere Vollmachten, Schweigepflichterklärungen, Anwaltsverträge, Beratungshilfe und PKV sowie die Rechtsschutzversicherung erörtert. Der Teil H behandelt das laufende Mandat und in H.III.3 und H.III.4 speziell die Kommunikation mittels E-Mail. Diese Ausführungen geraten allerdings zu knapp und zu wenig eindringlich. Hier hätte stärker hervorgehoben werden müssen, dass der Rechtsanwalt, der mittels E-Mail kommunizieren möchte, zumindest rein vorsorglich die Einwilligung des Mandanten zu dieser Art der Kommunikation einholt. Ein Hinweis auf § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) findet sich nicht. Ob sich ein Rechtsanwalt nach § 203 StGB strafbar macht, wenn er für die Kommunikation mit seinem Mandanten per herkömmlicher, unverschlüsselter E-Mail kommuniziert, ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur umstritten. Mit der zunehmenden Vernetzung und Komplexität von IT-Systemen steige das Gefährdungspotential der Durchbrechung der Berufsgeheimnisse bei der Nutzung von E-Mails rasant an, deshalb bringe die herkömmliche E-Mail-Kommunikation erhebliche Gefahren mit sich, da sie keinerlei Vertraulichkeit während der Übermittlung gewährleistet (Niedermeier, in: Söbbing, Handbuch IT-Outsourcing, 3. Aufl. 2006, Kapitel J Rn. 985). Es sei möglich, dass Inhalte in E-Mails während der Übermittlung unbemerkt von Dritten verändert oder mitgelesen werden, ohne dass die Kommunikationspartner Kenntnis davon nehmen könnten. Häufig wird insoweit darauf verwiesen, dass die E-Mail eine höhere Publizität aufweise als Postkarten. Zwar werde das dem Berufsgeheimnisträger anvertraute Geheimnis durch die E-Mail-Kommunikation nicht explizit offenbart, denn als weitere Handlung sei eine aktive Eingriffshandlung Dritter erforderlich – jedoch könne ein „Offenbaren“ auch durch ein Unterlassen des Verschließens von geheimschutzwürdigen Informationen verwirklicht werden (Wagner/Lerch, NJW-CoR 1996, 380, 383; vgl. auch Niedermeier, in: Söbbing, Handbuch IT-Outsourcing, 3. Aufl. 2006, Kapitel J Rn. 985). Nach § 203 Abs. 1 StGB mache sich nämlich auch strafbar, wer es pflichtwidrig unterlasse, die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu implementieren und dabei billigend in Kauf nimmt, dass geheime Informationen Dritten zugänglich gemacht werden (Niedermeier, in: Söbbing, Handbuch IT-Outsourcing, 3. Aufl. 2006, Kapitel J Rn. 985). Von der Gegenansicht (Härting, MDR 2001, 61 ff.) wird jedoch betont, dass die mit der Verwendung von E-Mails verbundene Gefahr überbewertet werde. Ein gewisses Restrisiko hindere Berufsgeheimnisträger nicht generell daran, sich solcher Kommunikationsmittel zu bedienen. Nach dieser Ansicht liege ein Offenbaren im Sinne des § 203 StGB nur dann vor, wenn die geschützten Informationen „gegenüber Dritten in deutlicher Weise offensichtlich gemacht werden“ (Härting, MDR 2001, 61, 62). Anders als nach den §§ 94 ff. StGB sei nicht bereits das „Gelangen lassen“ eines Geheimnisses an Dritte gemäß § 203 StGB strafbar. Vielmehr bedürfe es einer Handlung, die Dritten eine Kenntnisnahme von dem Geheimnis ohne jedwede Anstrengungen ermöglicht (Härting, MDR 2001, 61, 62). Die bei einer herkömmlichen, unverschlüsselten E-Mail bestehende Möglichkeit, mit beträchtlichem Aufwand und erheblicher krimineller Energie die versendete Nachricht abzufangen, reiche für eine Strafbarkeit nach § 203 StGB nicht aus (Härting, MDR 2001, 61, 62). Die strafrechtliche Bewertung der E-Mail-Kommunikation ist somit zumindest umstritten. Der Rechtsanwalt als Berufsgeheimnisträger setzt sich daher einem nicht unbeträchtlichen Strafbarkeitsrisiko aus, wenn er mit seinem Mandanten ohne Einwilligung auf diese Weise kommuniziert. Vertiefend zu dieser Thematik vergleiche Heckmann/Seidl/Maisch, Adäquates Sicherheitsniveau bei der elektronischen Kommunikation. In Kapitel I. wird die Beendigung des Anwaltsvertrags besprochen, bevor in Kapitel J. und K. Wissenswertes zu Beschäftigungs- und Ausbildungsverhältnissen erläutert wird. Im nächsten Abschnitt wird auf die Informationstechnologie, Datenschutz und Outsourcing eingegangen. Hierbei wird auch der Umgang mit Web 2.0 Elementen, insbesondere Social Media und Blog, erläutert. Ein eigenes Kapitel ist der Krise und Insolvenz gewidmet, bevor in den Kapiteln N. und O. Buchführung, Finanzbuchhaltung und schließlich das Steuerrecht dargestellt werden. Das Formularhandbuch befasst sich in Kapitel P. umfangreich mit der Kanzleiverwaltung und Kanzleientwicklung. Dabei geht es unter anderem auf Gewinnverteilungssysteme, Organisation und Marketing ein. Die Kapitel Q. und R. widmen sich den Spezialthemen Syndikusanwälte und Anwaltsnotare. Kapitel S. komplettiert mit seinen Erläuterungen zu ausländischen und transnationalen Kooperationsformen das Handwerkszeug zur Gründung und Betrieb einer Anwaltskanzlei.Rn. 3
Den meisten Anmerkungen zu den einzelnen Kapiteln, Unterkapiteln beziehungsweise Formularen ist eine Vorbemerkung oder eine Einführung vorangestellt, gefolgt von einer teils umfangreichen Literaturauswahl, die eine vertiefende Befassung mit der jeweiligen Thematik ermöglicht. Die einzelnen Mustertexte und Musterformulierungen sind mit zahlreichen Anmerkungen und Erläuterungen versehen. Sämtliche Arbeitshilfen in Form von Musterformulierungen für Anschreiben etc. befinden sich auch auf der mitgelieferten CD-ROM, die einen schnellen Zugriff auf die Formulare in elektronischer Form gewährt, was eine wesentliche Arbeitserleichterung darstellt. In den Anmerkungen finden sich zahlreiche, ausgewählte Rechtsprechungs- und Literaturhinweise. Als besonders wertvoll hervorzuheben sind die Checklisten, die man in einem Formularhandbuch nicht zwingend erwarten würde. Diese geben dem Leser praktische Anregungen oder Überlegungshilfen an die Hand. Ein umfangreiches Stichwortverzeichnis, eine Inhaltsübersicht und ein ausführliches Inhaltsverzeichnis ermöglichen einen schnellen Zugriff auf das Gesuchte.Rn. 4
Die beteiligten Autoren bedienen sich eines gut verständlichen Sprachstils. Auf unnötige wissenschaftliche Streitstandserörterungen oder Diskussionen wird bewusst verzichtet. Durch klare Untergliederungen, die gut nachvollziehbare Struktur und die kurz gehaltenen Absätze wird eine hohe Lesbarkeit erreicht. Die Prägnanz der Erläuterungen und die verständliche Formulierung belegen, dass das Werk in hohem Maße praxisgerecht und praxistauglich ist. Rechtsprechung und Literatur sind – soweit ersichtlich – bis Anfang 2014 berücksichtigt.Rn. 5
Inhaltlich handelt es sich beim Beck´schen Formularbuch für die Anwaltskanzlei um ein überzeugendes Werk, das praktische Arbeitshilfen für eine standesgemäße Kanzleigründung und -organisation ermöglicht. Das Formularbuch dürfte deshalb schnell zum Standardwerk in diesem Bereich avancieren.Rn. 6
Um der breit gefächerten Materie der Kanzleigründung und -organisation und der täglichen Arbeitsfülle Herr zu werden, führt kein Weg am Heinz/Ritter vorbei. Die Anschaffung des Buchs als Arbeitsmittel kann, auch angesichts des im Hinblick auf den Umfang und die Qualität des Werks (noch) moderaten Preises, insbesondere jedem Junganwalt oder Referendar, der in den Anwaltsberuf einsteigen möchte, uneingeschränkt empfohlen werden. Bei aktuell 162.695 zugelassenen Anwälten im Bundesgebiet und noch steigender Tendenz dürfte das Werk schnell ein Bestseller werden.Rn. 7
Fußnoten

* Ass. iur. Alexander Seidl ist Akademischer Rat a. Z. und Mediator (CVM) am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht (Prof. Dr. Heckmann) an der Universität Passau.