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OVG Koblenz, Beschl. v. 25.07.2012 – 7 B 10751/12.OVG – „Alkoholverbot auf der Jakobus-Kerwe 2012“

ZVR-Online Dok. Nr. 38/2012 – online seit 05.09.2012

§ 43 Abs. 1 POG Rlp

Leitsätze (1. und 2.) der Redaktion (3.)

1. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine einstweilige Anordnung in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO erlassen werden kann.Rn. 1
2. Zum Verbot des Mitführens und Verzehrens von hochprozentigen alkoholischen Getränken auf einem Weinfest zur Verhütung von Gewaltdelikten aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses.Rn. 2
3. Es wird daher Aufgabe des Hauptsacheverfahrens sein, festzustellen, welche konkreten Erkenntnisse darüber vorliegen, dass gerade von denjenigen Personen, die nach 22:00 Uhr hochprozentige alkoholische Getränke auf die „Festmeile“ der Jakobus-Kerwe mit sich führen und verzehren, die Gefahr der Begehung von Gewaltdelikten ausgeht.Rn. 3

Gründe

Der gemäß § 47 Abs. 6 VwGO statthafte Antrag des Antragstellers, die Gefahrenabwehrverordnung der Antragsgegnerin vom 26. Juni 2012 zur Verhütung von Körperverletzungen und Sachbeschädigungen aufgrund übermäßigen Alkohol-genusses bei der Jakobus-Kerwe 2012 im Ortsbezirk Hambach (GAVO Jakobus-Kerwe 2012) zur Entscheidung über seinen Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen, ist zulässig. Die von der Antragsgegnerin erlassene Gefahrenabwehr-verordnung ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift (vgl. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AG-VwGO). Der Antragsteller ist auch nach § 47 Abs. 2 Satz 1 antragsbefugt. Er kann geltend machen, durch die Gefahrenabwehrverordnung und deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Die Gefahrenabwehrverordnung enthält für die Festbesucher der Jakobus-Kerwe 2012 im Ortsbezirk Hambach das Verbot, im öffentlichen Raum alkoholhaltige Getränke zu führen und/oder zu verzehren (§ 1 Abs. 1 GAVO). Das Verbot gilt nicht für Bier, Wein und Schaumwein (Sekt) und nicht für gaststättenrechtlich konzessionierte bzw. genehmigte sowie gewerbe-rechtlich zugelassene Verkaufsstellen und -flächen (§ 1 Abs. 2 GAVO). Das Ver-bot gilt auch nicht für Besucher von privaten, nicht jedermann zugänglichen Veranstaltungen im Verbotsbereich sowie für Personen, die dort eine Wohnung,Arbeits- oder Betriebsstätte haben (§ 1 Abs. 3 GAVO). Das Verbot gilt an den fünf Festtagen der Jakobus-Kerwe 2012 (Freitag, 27. Juli bis Dienstag, 31. Juli 2012) in der Zeit von 22:00 Uhr bis 03:00 Uhr (vgl. § 2 GAVO). Der Verbotsbereich erfasst den durch im Einzelnen aufgeführte Straßen abgegrenzten öffentlichen Raum im Ortsbezirk Hambach, in dem die Jakobus-Kerwe stattfindet; er ist in einem anliegenden Plan dargestellt, der Bestandteil der Gefahrenabwehrverordnung ist (vgl. § 3 GAVO und Anlage 1 hierzu). Der Antragsteller hat erklärt, dass er beabsichtige, die Jakobus-Kerwe zu besuchen und dorthin alkoholische Getränke, auch hochprozentige Alkoholika, mitzunehmen und zu verzehren. Ihm drohen bei Nichtbefolgung des in der Gefahrenabwehrverordnung geregelten Alkoholverbots die Verhängung einer Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit (vgl. § 4 GAVO). Er ist daher von dem Alkoholverbot der Gefahrenabwehrverordnung möglicherweise betroffen und mithin antragsbefugt.Rn. 4
Der Antrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.Rn. 5
Gemäß § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Da sich der Wortlaut des § 47 Abs. 6 VwGO an die Bestimmung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz (§ 32 BVerfGG) anlehnt, sind die vom Bundesverfassungsgericht hierzu entwickelten Grundsätze auch bei der Anwendung des § 47 Abs. 6 VwGO heranzuziehen. Danach sind bei der Prüfung, ob eine einstweilige Anordnung auf Aussetzung einer Norm geboten ist, die Folgen abzuwägen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Bei der gebotenen Abwägung haben die Gründe, die der um vorläufigen Rechtsschutz Nachsuchende für die Unwirksamkeit der Norm anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, der Antrag in der Hauptsache erweist sich von vornherein als unzulässig oder die angegriffene Norm als offensichtlich gültig oder offensichtlich ungültig (vgl. VGH BW, Beschlüsse vom 18. Dezember 2000 – 1 S 1763/00 – und vom 17. Juni 2011 - 5 S 2757/10 – , beide in jurism.w.N.).Rn. 6
Der Normenkontrollantrag ist aller Voraussicht nach ebenso zulässig wie der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Eine offensichtliche Begründetheit des Antrags in der Hauptsache lässt sich im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ebenso wenig feststellen wie seine offensichtliche Unbegründetheit.Rn. 7
Die vom Antragsteller angeführten Bedenken gegen die Bestimmtheit der zur Überprüfung gestellten Gefahrenabwehrverordnung der Antragsgegnerin teilt der Senat nicht.Rn. 8
Aufgrund der Regelung in § 3 GAVO über den Verbotsbereich und dessen Darstellung in einem anliegenden Plan, der Bestandteil der Gefahrenabwehrverordnung ist, ist entgegen der Auffassung des Antragstellers der Begriff des „öffentlichen Raums“, in dem nach § 1 Abs. 1 GAVO das partielle Alkoholverbot gilt, hinreichend bestimmt. Ebenso ist für Betroffene in zumutbarer Weise zu erkennen, was unter einem Besucher von privaten, nicht jedermann zugänglichen Veranstaltungen zu verstehen ist, für den das partielle Alkoholverbot nach § 1 Abs. 3 GAVO nicht gilt; auch private Feiern von lediglich zwei Personen zählen ersichtlich hierzu. Gleichfalls ist unschwer zu erkennen, dass es für die Begehung einer Ordnungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen das partielle Alkoholverbot allein auf das eigene Verhalten ankommen kann und nicht auf dasjenige von Personen einer Gruppe, in der sich der Betroffene befindet.Rn. 9
Nach der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglichen Prüfung ist es als offen anzusehen, ob die angegriffene Gefahrenabwehrverordnung von der gesetzlichen Ermächtigung in § 43 Abs. 1 POG gedeckt ist.Rn. 10
Nach dieser Vorschrift können die allgemeinen Ordnungsbehörden zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung Gebote und Verbote erlassen, die für eine unbestimmte Zahl von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind (Gefahrenabwehrverordnungen).Rn. 11
Der Gefahrenbegriff ist dadurch gekennzeichnet, dass aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere schadenbringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden. Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, begründen keine Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2002 – 6 CN 8/01 –, juris, Rn. 34 = BVerwGE 116, 347).Rn. 12
Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Das trifft nicht nur für die konkrete Gefahr zu, die zu Abwehrmaßnahmen im Einzelfall berechtigt, sondern auch für die den sicherheitsrechtlichen Verordnungen zugrundeliegende abstrakte Gefahr. Die abstrakte Gefahr unterscheidet sich von der konkreten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose oder mit anderen Worten durch die Betrachtungsweise. Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann; eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz zu bekämpfen. Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose. Es müssen bei abstrakt-genereller Betrachtung hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht imstande, so liegt keine Gefahr, sondern – allenfalls – eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor. Zwar kann auch in derartigen Situationen ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter, wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Doch beruht ein solches Einschreiten nicht auf der Feststellung einer Gefahr. Vielmehr werden dann Risiken bekämpft, die jenseits des Bereichs feststellbarer Gefahren verbleiben. Das setzt eine Risikobewertung voraus, die – im Gegensatz zur Feststellung einer Gefahr – über einen Rechtsanwendungsvorgang weit hinausgeht. Es ist vielmehr Sache des zuständigen Gesetzgebers, sachgebietsbezogen darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise Schadensmöglichkeiten vorsorgend entgegengewirkt werden soll, die nicht durch ausreichende Kenntnisse belegt, aber auch nicht auszuschließen sind (vgl. zum Ganzen nochmals BVerwG, a.a.O., Rn. 35 m.w.N.).Rn. 13
Von diesen Grundsätzen ausgehend ist es im vorliegenden Fall als offen anzusehen, ob in tatsächlicher Hinsicht hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das von der Antragsgegnerin verbotene Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum Eintritt von Schäden führt.Rn. 14
Die Antragsgegnerin will mit der Gefahrenabwehrverordnung Gewaltdelikte gegen Personen und Sachen eindämmen, für welche übermäßiger Alkoholgenuss mitursächlich sei, und damit eine abstrakte Gefahr abwehren, welche für das Volksfest Jakobus-Kerwe im Ortsteil Hambach der Antragsgegnerin drohe. Sie beruft sich darauf, dass nach den Erkenntnissen der Polizei und der Ordnungsbehörde aus in der Vergangenheit liegenden Einsatzerfahrungen insbesondere der am späten Abend und frühen Morgen erfolgte Verzehr größerer Mengen Alkohols sehr häufig aggressives Verhalten der Betroffenen auf der Hambacher Jakobus-Kerwe auslöse. Der Aggressionsverlauf beginne meist verbal und ende oft mit Gewaltanwendung gegen andere Personen oder fremde Sachwerte. Die Erkenntnisse legten zudem offen, dass dieses Aggressionspotential ganz überwiegend durch raschen Anstieg der Blutalkoholkonzentration geschaffen werde, der vornehmlich durch den Genuss hochprozentiger Alkoholika erzielt werde. Deren Verzehr in größeren Mengen erfolge fast immer aus in Supermärkten relativ preisgünstig erworbenen Vorräten, die zur Festmeile in Rucksäcken oder ähnlichem transportiert würden. Zwar würden auch an den gaststättenrechtlich konzessionierten Ausschankstellen entlang der Festmeile hochprozentige Alkoholika verabreicht. Jedoch lägen deren Preise so hoch, dass der Erwerb in großen Mengen regelmäßig nicht wirtschaftlich erscheine und deshalb dort nicht stattfinde. Außerdem finde dort seitens des geschulten Personals eine Abgabekontrolle statt, welche den Verkauf an Jugendliche und erkennbar Betrunkene unterbinde. Demgegenüber erfolge der kritische Verzehr großer Menge Spirituosen meist verdeckt, altersunabhängig und trotz bereits erreichter Alkoholisierung. Diese Geschehnisse träfen nicht auf alle Volksfeste in ihrem Stadtgebiet zu. Das Jakobusfest liege im historischen, räumlich engen Ortskern des Weindorfes Hambach. Der zeitlich auf den Abend konzentrierte Andrang großer Menschenmengen auf engstem Raum erzeuge schon für sich genommen – neben ausgelassener Feierstimmung – auch Grundaggressivität unter vielen Besuchern. Gerade im Zusammenhang mit rasch herbeigeführter hoher Blutalkoholkonzentration steigere sich diese Grundaggressivität sehr häufig hin zur Ausübung körperlicher Gewalt gegen Personen oder Sachen. Anders als in den bislang von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen gehe es hier nicht um ein allgemeines Alkoholverbot im öffentlichen Raum, undifferenziert nach den Getränkearten, sondern um die Verhinderung von Gewaltdelinquenz, welche ihre Aggressionsursachen in starker Alkoholisierung und der Situation einer Großveranstaltung habe. Vor diesem Hintergrund hätten Polizei und Ordnungsbehörde der Antragsgegnerin in der Vergangenheit ein Sicherheitskonzept für Volksfeste erstellt, welches im Wesentlichen auf drei Säulen beruhe, nämlich der Verstärkung des in den Schwerpunktzeiten präsenten Personals von Polizei, Vollzugsdienst und privaten Sicherheitsdiensten, dem Erlass von polizeirechtlichen Aufenthaltsverboten für auffällig gewordene Gewalttäter sowie dem hier streitigen partiellen Alkoholverbot. Das Konzept sei in seiner Gesamtheit erfolgreich, denn es führe seit seiner Einführung im Jahre 2007 zu einem deutlichen Rückgang der Gewaltdelinquenz auf der Hambacher Jakobus-Kerwe. Der praktische Erfolg belege die Existenz einer abstrakten Gefahr – und nicht nur eines Gefahrenverdachts – von Gewaltdelikten, bei deren Begehung der mit der Gefahrenabwehrverordnung verbotene Alkoholkonsum mitursächlich gewesen sei und die Richtigkeit der hierzu erstellten polizeilichen Prognose. Hierzu hat die Antragsgegnerin mehrere Zeitungsartikel, eine Stellungnahme der Polizeiinspektion Neustadt vom 20. Juli 2012 über die Erfahrungen der Polizei bei Weinfesten und die Entwicklung der Straftaten im Zusammenhang mit Weinfesten im Ortsteil Hambach, eine Stellungnahme des DRK vom 23. Juli 2012 zu Rettungsdiensteinsätzen mit Bezug auf die Jakobus-Kerwe und eine ergänzende Stellungnahme ihres Ordnungsamtes vom 24. Juli 2012 zur Umsetzung des beschriebenen Sicherheitskonzepts und zur vorherigen Sicherheitslage vorgelegt.Rn. 15
Es ist fraglich, ob diese von der Antragsgegnerin vorgetragenen Erkenntnisse den Schluss rechtfertigen, dass das verbotene Mitführen und Verzehren von alkoholhaltigen Getränken – mit Ausnahme von Bier, Wein und Sekt – nach 22:00 Uhr auf der „Festmeile“ der Jakobus-Kerwe in Hambach mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Gewalt gegen Personen oder Sachen zur Folge hat. Das Verbot betrifft nämlich nicht das Mitführen und Verzehren von alkoholischen Getränken generell, sondern zielt auf Getränke mit hohem Alkoholgehalt (hochprozentige Alkoholika), da Bier, Wein und Sekt vom Verbot ausgenommen sind. Es muss daher gerade das verbotene Mitführen und Verzehren von hochprozentigen alkoholischen Getränken nach 22:00 Uhr auf dem Weinfest mitursächlich für die von der Antragsgegnerin prognostizierte Gefahr von Gewaltdelikten sein. Es bedarf daher hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass dieses verbotene Verhalten die Gefahr von Gewaltdelikten mit sich bringt. Dafür genügen Erkenntnisse darüber, dass Personen, die in der Vergangenheit bei der Jakobus-Kerwe gewalttätig gewesen sind, größtenteils alkoholisiert gewesen sind, nicht. Gleiches gilt für Erkenntnisse, dass in großem Umfang hochprozentige Alkoholika in Rucksäcken oder ähnlichem auf die Jakobus-Kerwe mitgeführt worden sind. Denn die Alkoholisierung gewalttätiger Personen auf dem Weinfest kann auch durch den erlaubten Verzehr von mitgeführtem oder dort erworbenem Bier,Wein und Sekt vor und nach 22:00 Uhr erfolgt sein. Ebenso können diese Personen schon alkoholisiert zu dem Weinfest – nach 22:00 Uhr – gekommen sein. Es wird daher – unter anderem – Aufgabe des Hauptsacheverfahrens sein, festzustellen, welche konkreten Erkenntnisse darüber vorliegen, dass gerade von denjenigen Personen, die nach 22:00 Uhr hochprozentige alkoholische Getränke auf die „Festmeile“ der Jakobus-Kerwe mit sich führen und verzehren, die Gefahr der Begehung von Gewaltdelikten ausgeht.Rn. 16
Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die von der Antragsgegnerin prognostizierte Gefahr lassen sich schließlich auch nicht allein mit dem von ihr angegebenen Rückgang von Gewaltdelikten auf der Jakobus-Kerwe seit der Einführung ihres Sicherheitskonzepts im Jahre 2007 begründen. Unabhängig davon, dass genauere Zahlen für die Zeit vor 2007 bislang fehlen, ist der von der vorgelegten polizeilichen Statistik belegte Rückgang von Gewaltdelikten bei der Jakobus-Kerwe seit 2008 nicht ausreichend, um das Bestehen der von der Antragsgegnerin angenommenen Gefahr durch den partiell verbotenen Alkoholkonsum zu belegen. Dieses Verbot ist nämlich lediglich ein Teil des von der Antragsgegnerin im Jahr 2007 erstmals bei der Jakobus-Kerwe angewendeten Sicherheitskonzepts. Neben diesem partiellen Alkoholverbot wurden die Präsenz von Polizei, Vollzugsdienst und privaten Sicherheitsdiensten verstärkt und gegenüber auffällig gewordenen Gewalttätern polizeirechtliche Aufenthaltsverbote erlassen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der Rückgang der Gewaltdelikte allein oder überwiegend auf diese neu eingeführten Maßnahmen des Sicherheitskonzepts und nicht auf das partielle Alkoholverbot zurückzuführen ist.Rn. 17
Ist demnach der Antrag in der Hauptsache weder offensichtlich begründet noch offensichtlich unbegründet, so ergibt die danach gebotene Interessenabwägung, dass der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht dringend geboten ist.Rn. 18
Würde die Gefahrenabwehrverordnung, dem Antrag folgend, außer Vollzug gesetzt, könnten Besucher der Jakobus-Kerwe hochprozentige alkoholische Getränke zur „Festmeile“ des Weinfestes auch nach 22:00 Uhr mitbringen und dort verzehren. Nach der Einschätzung der Antragsgegnerin aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen begründet dieses Verhalten die Gefahr von Gewalt gegen Personen oder Sachen durch übermäßig alkoholisierte Personen. Würde hingegen der Antrag abgelehnt und die Gefahrenabwehrverordnung nicht außer Vollzug gesetzt, so könnten der Antragsteller und andere Festbesucher keine hochprozentigen alkoholischen Getränke in der Zeit ab 22:00 Uhr zur Jakobus-Kerwe mitnehmen und dort verzehren. Diese Einschränkung der Handlungsfreiheit des Antragstellers und der anderen Festbesucher ist zwar nicht wieder rückgängig zu machen, da eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren erst nach Ende der Jakobus-Kerwe im Jahre 2012 ergehen wird. Angesichts der vergleichsweise geringen Einschränkung der Handlungsfreiheit des Antragstellers und der anderen Festbesucher und des hohen Werts der durch die Gefahrenabwehrverordnung geschützten Rechtsgüter, insbesondere der körperlichen Unversehrtheit, fällt vorliegend die Interessenabwägung jedoch zu Ungunsten des Antragstellers aus.Rn. 19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.Rn. 20
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 GKG.Rn. 21