Das Verfahren ist gem. § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten hinsichtlich der Nachzahlung von Besoldung für die Zeit bis zum 31. Dezember 2007 übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben. | Rn. 17 |
Die im übrigen anhängig gebliebene Klage ist zulässig. | Rn. 18 |
Soweit der Kläger eine höhere Besoldung für die zurückliegenden Zeiträume – vom 1. Januar 2008 bis zum 28. Februar 2012 – verlangt und diesbezüglich im Einzelnen bezifferte Beträge benennt, ist das Begehren als allgemeine Leistungsklage in Kombination mit einer Anfechtungsklage statthaft. Dem steht nicht entgegen, dass der Klageantrag neben dem Anfechtungsteil zunächst als betragsmäßig unbestimmter Leistungs- bzw. Verpflichtungsantrag gestellt worden war. Der Kläger hat durch die uneingeschränkt beantragte Aufhebung der im Verwaltungsverfahren ergangenen Bescheide den damit gekennzeichneten Streitgegenstand, wie er bereits im Verwaltungsverfahren formuliert worden war, zum Gegenstand seiner Klage gemacht. Der „Übergang“ zu einer bezifferten Leistungsklage für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 28. Februar 2012 stellt daher keine Klageänderung, sondern eine auch im Hinblick auf § 264 Nr. 2 ZPO i. V. m. § 173 VwGO zulässige Präzisierung des ursprünglichen Klagebegehrens dar. | Rn. 19 |
Soweit der Kläger für die Zeit ab dem 1. August 2012 – die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung einer höheren als der derzeit gezahlten Besoldung begehrt, ist das Begehren als allgemeine Feststellungsklage statthaft, auch hier in Kombination mit der auf die Aufhebung der ergangenen Bescheide bezogenen Anfechtungsklage. Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat, und er seine Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die aus bundes- und landesrechtlichen Bestimmungen erwachsene Verpflichtung des beklagten Landes, den in seinem Dienst stehenden Kläger in einer genau bestimmten Höhe zu besolden, und der damit korrespondierende Anspruch des Klägers, in einer bestimmten Höhe besoldet zu werden, begründen ein im Sinn des § 43 Abs. 1 VwGO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, nämlich, so die herkömmliche Definition, eine rechtliche Beziehung, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen bzw. juristischen Personen untereinander (vgl. BVerwG, U. v. 31.8.2011- 8 C 8/10 - BVerwGE 140, 267, Rn. 14). | Rn. 20 |
Dass das Begehren des Klägers überwiegend in die Zukunft gerichtet ist, führt hier nicht zur Unstatthaftigkeit der Feststellungsklage. Zukünftige Rechtsverhältnisse sind feststellungsfähig, wenn sie schon jetzt konkretisiert, also die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen bereits gelegt sind (vgl. Pietzcker in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 43 Rn. 21). Dies ist im Hinblick darauf, dass der Kläger aller Voraussicht nach auch künftig im Dienst des beklagten Landes stehen und deshalb einen Besoldungsanspruch haben wird, zu bejahen. | Rn. 21 |
Schließlich steht der Statthaftigkeit der Feststellungsklage, weil der Kläger seine künftigen Ansprüche nicht ebenso gut durch Erhebung einer Leistungsklage gemäß § 173 VwGO i. V. m. §§ 257 f. ZPO geltend machen kann, auch nicht der in § 43 Abs. 2 VwGO normierte Subsidiaritätsgrundsatz entgegen. Denn die Bestimmung der genauen Höhe der künftigen Besoldung obliegt wegen des besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts allein dem Gesetzgeber, weswegen dem Kläger keine Bezifferung künftiger Besoldungsansprüche für die gesamte Zeit bis zum Erreichen des 49. Lebensalters möglich ist. | Rn. 22 |
Der Feststellungsklage ist auch bezüglich der Monate März 2012 bis August 2012 statthaft, da insoweit vom Beklagten als öffentlichem Träger erwartet werden kann, dass er auch für diesen Monat die heute schon bezifferungsfähige Besoldungsdifferenz zahlen wird, und es daher keines vollstreckbaren Titels bedarf. | Rn. 23 |
Die Klage hat auch Erfolg. | Rn. 24 |
Der den Anspruch des Klägers zurückweisende Bescheid des Beklagten vom 3. März 2011 und dessen Widerspruchsbescheid vom 28. März 2011 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 VwGO). Dieser hat, weil er in besoldungsrechtlicher Hinsicht wegen seines Alters diskriminiert wird, einen Anspruch darauf, nach der höchsten Stufe der Besoldungsgruppe A 10 BBesO, d. h. aus dem Endgrundgehalt dieser Besoldungsgruppe besoldet zu werden. | Rn. 25 |
Dieser – der Höhe nach für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 28. Februar 2012 unstreitige - Anspruch ergibt sich dem Grunde nach aus § 3 Abs. 1 i. V. m. §§ 27, 28 BBesG in der Fassung vom 6.8.2002, BGBl. I S.3022, zuletzt geändert durch Artikel 3 Abs. 4 des Gesetzes vom 12.7.2006, BGBl. I S. 1466 (im Folgenden: BBesG a.F.), wonach Beamte und Beamtinnen Anspruch auf Besoldung haben, und das Grundgehalt nach Stufen bemessen wird, die über das Besoldungsdienstalter an das Lebensalter der Beamten und Beamtinnen anknüpfen. Die Anwendung des BBesG nach Maßgabe seiner bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung ergibt sich aus Art. 125a Abs. 1 S. 1 GG. Das beklagte Land hat bisher keine eigenen besoldungsrechtlichen Vorschriften erlassen, die zur Ablösung des als Bundesrecht fortgeltenden BBesG a. F. geführt haben. Die landesrechtlichen Bestimmungen des HBesG beschränken sich auf Ergänzungen zum fortgeltenden BBesG. Der Landesgesetzgeber hat lediglich eine Reihe von Besoldungserhöhungen vorgenommen, ohne damit jedoch die sonstigen materiellen Bestimmungen des BBesG in seiner bis zum 31. August 2006 erreichten Fassung zu ändern oder gar durch Landesrecht zu ersetzen. | Rn. 26 |
Der Höhe nach ergibt sich der Anspruch des Klägers aus Anlage 1 des Hessischen Gesetzes über die Anpassung der Dienst-, Amts- und Versorgungsbezüge 2007/2008 vom 28. September 2007, GVBl. I, S. 602, Anlagen 1 und 8 des Hessischen Gesetzes über die Anpassung der Dienst-, Amts- und Versorgungsbezüge 2009/2010, vom 18. Juni 2009, GVBl. I S. 175, und Anlagen 1 und 8 des Hessischen Gesetzes über die Anpassung der Dienst-, Amts- und Versorgungsbezüge 2011/2012 vom 6. Oktober 2011, GVB l. I S. 530, in welchen die Grundgehälter betragsmäßig ausgewiesen und den einzelnen Stufen zugeordnet werden. | Rn. 27 |
Weil die genannten Regelungen des Bundes- und Landesrechts wegen Verstoßes gegen europäisches Recht nur insoweit anwendbar sind, als sie den Kläger nicht wegen seines Alters diskriminieren, bemisst sich sein Besoldungsanspruch nach der - allein diskriminierungsfreien - höchsten Stufe der Besoldungsgruppe A 10, dem Endgrundgehalt dieser Besoldungsgruppe. Der Anspruch des Klägers, nach dieser Stufe besoldet zu werden, besteht so lange, bis das beklagte Land – unter Beachtung eines ggf. zwischenzeitlich entstandenen Vertrauensschutzes - eine andere, diskriminierungsfreie Besoldungsregelung in Kraft gesetzt hat. Wann dies der Fall sein wird, ist derzeit nicht absehbar, da das beklagte Land in der mündlichen Verhandlung lediglich in sehr allgemein gehaltenen Aussagen auf eine künftige landesrechtliche Regelung der Richterbesoldung hingewiesen hat. | Rn. 28 |
Maßstab für die Feststellung, dass der Kläger durch die an das Alter anknüpfenden Stufen in den genannten Besoldungsregelungen wegen seines Alters diskriminiert wird, ist die RL 2000/78/EG. Sie ist, nachdem die Frist für ihre Umsetzung hinsichtlich des Merkmals Alter in Deutschland am 2. Dezember 2006 abgelaufen ist, unmittelbar anwendbar, da das beklagte Land als öffentlicher Träger sich auf die mangelnde Umsetzung der Richtlinie gegenüber dem Kläger nicht berufen kann. Die Frage, ob ungeachtet des Ablaufs der Umsetzungsfrist der RL der als Bestandteil des Primärrechts anzusehende allgemeine, heute in Art. 21 GR-Ch kodifizierte Grundsatz der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ebenfalls als Maßstab heranzuziehen wäre (vgl. EuGH, U. v. 22.11.2005 - Rs. C -144/04 NZA 2005, 1345, 1348 Rn. 74 ff. = AGG-ES E.III.11 Art. 6 RL 2000/78/EG Nr. 1 – „Mangold“), kann deshalb dahinstehen. | Rn. 29 |
Der Kläger unterfällt als Beamter hinsichtlich des ihm gewährten Entgelts, d. h. seiner Besoldung, nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c) RL 2000/78/EG sowohl dem personellen wie dem sachlichen Geltungsbereich dieser RL. Der personelle Geltungsbereich der RL erstreckt sich auf alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen einschließlich öffentlicher Stellen, zu denen unter anderem das beklagte Land gehört. | Rn. 30 |
Der Kläger wird durch die Regelung des § 28 BBesG a.F. i. V. m. der daran anknüpfenden Regelung des § 27 Abs. 1 BBesG und den diese Bestimmung betragsmäßig ausfüllenden Bestimmungen der hessischen Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetze wegen seines Alters ungleich behandelt, ohne dass es hierfür eine Rechtfertigung gibt. | Rn. 31 |
Eine Ungleichbehandlung des Klägers i. S. d. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78/EG liegt vor. Der Kläger erfährt wegen seines Alters in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als andere Personen. Die weniger günstige Behandlung des Klägers besteht darin, dass das hier anzuwendende Besoldungssystem die Höhe seines Grundgehalts mit dem Lebensalter verknüpft, und sich mit dem Anstieg des Lebensalters auch das jeweilige Grundgehalt erhöht. § 28 Abs. 1 BBesG lässt das Besoldungsdienstalter als maßgebliche Bezugsgröße für die Ermittlung der in § 27 Abs. 1 BBesG und der Besoldungsordnung A ausgewiesenen Stufen des Grundgehalt mit der Vollendung des 21. Lebensjahres beginnen. Daran anknüpfend vollzieht sich der Aufstieg in den verschiedenen Stufen nach § 27 Abs. 2 BBesG in Abständen von zunächst 2 Jahren, später im Abstand von 3 und noch später im Abstand von 4 Jahren. Es handelt sich um eine linear mit dem Lebensalter ansteigende Bemessung des Grundgehalts. | Rn. 32 |
Dies benachteiligt den Kläger in besoldungsrechtlicher Hinsicht gegenüber lebensälteren Kollegen oder Kolleginnen, die mit höherem Lebensalter bereits das Endgrundbehalt erhalten. | Rn. 33 |
Der Umstand, dass gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 BBesG a.F. für die Bemessung des Grundgehalts ein vom biologischen Lebensalter abweichendes Lebensalter zu Grunde gelegt wird, wenn ein Beamter oder eine Beamtin zum Zeitpunkt der Einstellung älter als 31 Jahre bzw. im höheren Dienst älter als 35 Jahre ist, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Regelung modifiziert zwar das am biologischen Lebensalter anknüpfende Besoldungssystem, indem es für die Fallgruppe der sogenannten Späteinsteiger/innen ein spezifisch besoldungsrechtliches, gegenüber dem biologischen Alter geringeres Alter einführt. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Festsetzung dieses Besoldungsdienstalters bleibt aber auch in diesen Fällen das biologische Alter. Dies ergibt sich schon daraus, dass sog. Späteinsteiger/innen einen Teil ihres bereits fortgeschrittenen Lebensalters gleichsam behalten, weil der spätere Einstieg nicht in vollem zeitlichem Umfang zur Absenkung des Besoldungsdienstalters und damit der Besoldungsstufe führt, sondern zunächst bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres lediglich um ein Viertel des fortgeschrittenen Alters und danach um die Hälfte des die Grenze übersteigenden Zeitraums für die Betroffenen nachteilig wirkt. Diese profitieren daher trotz ihres späteren Einstiegs immer noch vom höheren Lebensalter. | Rn. 34 |
Dementsprechend hat der EuGH eine mit der Besoldungsordnung A in der hier zu beurteilenden Fassung vergleichbare Regelung des Bundes-Angestelltentarifvertrags als eine unmittelbar an das Alter anknüpfende Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 2 Abs. 1, 2 Buchst. a RL 2000/78/EG angesehen (EuGH, U. v. 9.9.2011 - Rs. C-297/10 und C 298/10 – NZA 2011, 1100, 1102 Rn. 59 = AGG-ES E.III.11 Art. 6 RL 2000/78/EG Nr. 21 – „Hennigs“ und „Mai“). Das BAG ist dem in seiner Rechtsprechung gefolgt (BAG U. v. 10.11.2011 – 6 AZR 148/09 – NZA 2012, 161, 162 Rn. 13). Die Abweichungen in der Ausgestaltung der Besoldungsordnung A von der Vergütungsstruktur des früheren BAT rechtfertigen keine Beurteilung, die im Hinblick auf die vom EuGH dargestellten Grundsätze und Einschätzungen zum Vorliegen einer unmittelbaren Altersdiskriminierung eine abweichende Beurteilung durch die Kammer rechtfertigen. Diese ist nach Art. 267 AEUV an die Auslegung der RL hinsichtlich des Vergütungsmodells des BAT und damit der ihm entsprechenden Modelle an anderer Stelle, hier im Beamtenrecht gebunden. Insbesondere gilt dies hinsichtlich der in § 28 Abs. 2 BBesG getroffenen Regelungen zum Hinausschieben des Besoldungsdienstalters bei sog. Späteinsteigern bzw. Späteinsteigerinnen. Mit den vergleichbaren Regelungen des BAT hat sich der EuGH eingehend auseinander gesetzt und sie dahin beurteilt, dass dadurch die von der Vergütungsgestaltung ausgehende unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nicht wiederlegt wird. | Rn. 35 |
Gegenteiliges ergibt sich nicht aus der in § 27 Abs. 3 BBesG. Danach kann bei herausragenden Leistungen die nächsthöhere Stufe als Grundgehalt gewährt werden, wobei die Zahl der davon Begünstigten 15% der beim jeweiligen Dienstherrn vorhandenen Beamtinnen und Beamten der Besoldungsordnung, die das Endgrundgehalt noch nicht erreicht haben, nicht übersteigen darf (§ 27 Abs. 2 S. 1, 2 BBesG). Bei nicht mehr dem Durchschnitt entsprechenden Leistungen darf das Verbleiben in der erreichten Stufe des Grundgehalts angeordnet werden (§ 27 Abs. 2 S. 3 BBesG). Diese Regelungen tragen zwar in begrenztem Umfang Leistungselemente in die Bemessung des Grundgehalts hinein. Sie prägen jedoch die Vergütungsgestaltung nicht maßgeblich und änder nichts daran, dass maßgebender Faktor für die Bemessung des Grundgehalts das jeweilige Lebensalter bleibt. Für den Bereich der Vorwegnahme einer Besoldungsstufe ergibt sich dies einerseits aus Begrenzung der Begünstigten auf einen relativ kleinen Teil derjenigen, die noch nicht das Endgrundgehalt beziehen, nämlich maximal 15%, sodass 85% der in einer Stufe unterhalb des Endgrundgehalts befindlichen Beamtinnen und Beamten auf jeden Fall ausschließlich nach dem Lebensalter oder unter dessen maßgeblicher Bedeutung besoldet werden. Zum anderen hat das beklagte Land als Dienstherr des Klägers für seinen Bereich ermittelt, dass 37 Beamte oder Beamtinnen in den Genuß einer Vorweggewährung einer Besoldungsstufe gekommen sind. Dies ist angesichts der Größe des Personalkörpers des Beklagten im Bereich der Besoldungsordnung A ein so verschwindend geringer Anteil, dass auch insoweit keine Rede davon sein kann, die Stufigkeit der Besoldungsordnung sei vom Leistungsprinzip geprägt mit der Folge, dass sich die altersbezogenen Anknüpfungspunkte als völlig untergeordnet darstellen würden. | Rn. 36 |
Bestätigt wird das Ergebnis durch die Beweislastregel des § 22 AGG bzw. Art. 10 RL 2000/78/EG. Das Indiz für die Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters ergibt sich unmittelbar aus § 28 Abs. 1 BBesG, da die nachfolgenden Regelungen in § 28 Abs. 2 BBesG nach der Rechtsprechung des EuGH von vornherein nicht geeignet sind, das entsprechende Indiz für eine Altersdiskriminierung zu widerlegen. Folglich trifft in Bezug auf die Widerlegung der Vermutung einer Altersdiskriminierung durch § 27 Abs. 3 BBesG das beklagte Land die Darlegungslast und die materielle Beweislast. Dies folgt schon daraus, dass es sich um eine Regelung handelt, die ihre Bedeutung erst durch eine bestimmte Personalpraxis erhält. Nur die vollständige Ausschöpfung der dadurch eröffneten Möglichkeiten könnte überhaupt Anlass für die Annahme bieten, es gehe bei der Stufigkeit der Grundgehälter in Wahrheit um etwas anderes als eine altersbezogene Bezahlung. Diesen Darlegungs- und Beweisanforderungen wird das (ergänzende) Vorbringen des Beklagten, die genaue Zahl der von § 27 Abs. 3 BBesG Betroffenen lasse sich überhaupt nicht ermitteln, ersichtlich nicht gerecht. | Rn. 37 |
Die Ungleichbehandlung in Bezug auf das Alter ist nicht nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt. Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Als ein legitimes Ziel nennt diese Bestimmung unter anderem ausdrücklich die Festlegung von Mindestanforderungen an die Berufserfahrung für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile. Dementsprechend hat der EuGH wiederholt anerkannt, dass die Honorierung der von einem Arbeitnehmer erworbenen Berufserfahrung, die es diesem ermöglicht, seine Arbeit besser zu verrichten, in der Regel ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik darstellt (EuGH, U. v. 3.10.2006 – Rs. C-17/05 – NZA 2006, 1205, 1206 Rn. 34 = AGG-ES E.I.2 Art. 141 EG Nr. 2 – „Cadman“; 18.6.2009 – Rs. C-88/08 NZA 2009, 891, 893 Rn. 47 = AGG-ES E.III.11 Art. 6 RL 2000/78/EG Nr. 8 – „Hütter“; 8.9.2011, a.a.O. S. 1103 Rn. 72). Hierauf beruft sich im vorliegenden Verfahren auch der Beklagte. | Rn. 38 |
Allerdings wird nicht hinreichend deutlich erkennbar, dass das der Beamtenbesoldung in Hessen zu Grunde liegende, ausdrücklich an das Lebensalter anknüpfende Stufensystem der Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung A das Ziel verfolgt, die Berufserfahrung der Beamtinnen und Beamten zu honorieren. Denn das Besoldungsrecht enthält keine - auch keine typisierende - normativ verbindliche Korrelation zwischen dem formalen Kriterium des Lebensalters und der mit dem Lebensalter einhergehenden Berufserfahrung. Honoriert wird in nahezu allen Fällen im Bereich des Beklagten, allenfalls die „Lebenserfahrung“, was nach der RL 2000/78/EG jedoch unzulässig ist. Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen des EuGH (a.a.O.) zur vergleichbaren Gestaltung der BAT-Vergütungen Bezug genommen, an die die Kammer auch im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gebunden ist (Art. 267 Abs. 1 Buchst. b) AEUV). Gleichzeitig folgt die Kammer damit auch der Rechtsprechung des BAG, das in Umsetzung dieser Vorgaben des EuGH ebenfalls zur Überzeugung gelangt ist, dass die maßgeblich nach dem Lebensalter differenzierende Grundvergütung im früheren BAT über Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG nicht gerechtfertigt werden kann (BAG a.a.O. Rn. 13). | Rn. 39 |
Davon abgesehen ist die Verwendung des gegenwärtigen Stufensystems als unverhältnismäßig einzustufen, da das – vorgebliche – Ziel der Honorierung von – tatsächlicher – Berufserfahrung durch ein Erfahrungsstufensystem leichter und konsequenter erreicht werden kann und zudem ohne jede unmittelbare Altersdiskriminierung auskommt. | Rn. 40 |
Die Ungleichbehandlung des Klägers wegen seines Alters durch das hier maßgebende Besoldungssystem kann auch nicht auf Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG gestützt werden. Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedsstaaten vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingung ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Es ist allerdings nichts ersichtlich, was in Bezug auf diese Voraussetzungen Anlass bieten könnte, danach eine Rechtfertigung in Betracht zu ziehen. | Rn. 41 |
Soweit sich das beklagte Land auf den Alimentationscharakter der Besoldung beruft, kann daraus ebenfalls keine Rechtfertigung der Altersdiskriminierung hergeleitet werden. Dies zeigt sich schon daran, dass es alternative Formen der Besoldungsgestaltung gibt, die ohne Anknüpfung an das Lebensalter auskommen wie das im heutigen BBesG und seit Längerem im TVÖD, TV-H und TV-L verwendete System der Erfahrungsstufen. Ein solches System hat der EuGH in der hier zugrunde gelegten Entscheidung ebenfalls als zulässige Form der Entgeltdifferenzierung gesehen. | Rn. 42 |
Die Folge der nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung des Klägers wegen seines Alters ist, dass er nach der höchsten Stufe der Besoldungsgruppe A 10, d. h. dem dieser Gruppe zugeordneten Endgrundgehalt besoldet werden muss. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 3 Abs. 1 S. 1 BBesG a.F., der allerdings keine Aussage zur Höhe der Besoldung trifft. Die Höhe des Besoldungsanspruchs ermittelt sich anhand des § 27 Abs. 1, 2 BBesG a.F. i. V. m. der Besoldungsordnung A und den hessischen Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzen, in denen die Grundgehaltssätze für die Ämter der Besoldungsordnung A aufsteigend nach Stufen ausgewiesen sind. Weil eine solche Staffelung lebensjüngere Beamtinnen und Beamte gegenüber lebensälteren diskriminiert, darf diese Staffelung aber nicht auf die lebensjüngeren Beamtinnen und Beamten, zu denen der Kläger gehört, angewendet werden. | Rn. 43 |
Das Verbot der Anwendung dieser Staffelung folgt unmittelbar aus europäischem Recht. Wie oben ausgeführt, müssen gemäß Art. 16 RL 2000/78 EG die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass Rechtsvorschriften, die dem Gleichbehandlungssatz zuwiderlaufen, aufgehoben werden. Hat ein Mitgliedstaat die Aufhebung diskriminierenden nationalen Rechts unterlassen, kann er sich unter anderem gegenüber seinen Beschäftigten wie hier dem Kläger nicht auf die mangelnde Umsetzung und Befolgung der RL berufen, darf also die diskriminierende Regelung nicht zu ihren Lasten anwenden. Dieses Anwendungsverbot bzw. der korrespondierende Anwendungsvorrang des Unionsrechts ist von allen Organen der Mitgliedstaaten, hier also auch von der erkennenden Kammer als Teil der rechtsprechenden Gewalt zu beachten. | Rn. 44 |
Das bedeutet allerdings nicht, dass die Besoldungsordnung A in Bezug auf die Besoldungsgruppe A 10 im Ganzen unanwendbar wäre mit der Folge, dass es überhaupt keinen gesetzlichen Maßstab für die Erfüllung des zugunsten des Klägers bestehenden Besoldungsanspruchs aus § 3 Abs. 1 S. 1 BBesG gäbe. Die Beachtung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung bedeutet lediglich, dass die Besoldungsordnung A nur in dem Umfang angewendet werden darf, in welchem sie den Kläger oder andere lebensjüngere Beamte, Beamtinnen nicht wegen seines/ihres Alters diskriminiert. | Rn. 45 |
Die Erfüllung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung kann im Fall einer unionsrechtswidrigen Diskriminierung nur dadurch gewährleistet werden, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie die, die den Angehörigen der nicht benachteiligten Gruppe zugutekommen, wobei diese Regelung, solange das Unionsrecht nicht richtig durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem bleibt (EuGH, U. v. 26.1. 1999 - Rs. C 18/95 - EuZW 1999, 380, 384 Rn. 57 m.w.N. – „Terhoeve“; 22.6.2011- Rs. C-399/09 – EAS VO(EWG) 1408/71 Anhang Nr. 7 Rn. 51 – „Landtová“). Die einzig nicht diskriminierende Regelung innerhalb der nach Stufen gegliederten Besoldungsordnung für die Besoldungsgruppe A 10 ist deren höchste Stufe 12. Ihre – allein mögliche - Anwendung hat zur Folge, dass der Kläger Anspruch auf das Endgrundgehalt. Nur diese Rechtsfolge – die sogenannte „Anpassung nach oben“ (vgl. BAG, U. v. 10.11.2011, a.a.O. S. 163 Rn. 19) – verhindert innerhalb des bestehenden Besoldungssystems eine Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters. | Rn. 46 |
Die Rechtsfolge einer „Anpassung nach oben“ entspricht im Übrigen auch der Systematik der Besoldungsordnung A. Deren Kennzeichen ist ein stufenförmiges Ansteigen des Grundgehalts bis zur Endstufe. | Rn. 47 |
Der Gesichtspunkt der zeitnahen Geltendmachung von Ansprüchen aus dem öffentlich-rechtlichen Beamtenverhältnis steht dem Anspruch des Klägers entgegen der Auffassung des Beklagten nicht entgegen. Dieser aus dem beamtenrechtlichen Treueverhältnis abgeleitete Gesichtspunkt besagt im Wesentlichen, dass einerseits der Dienstherr verpflichtet ist, Beamte und Beamtinnen amtsangemessen zu alimentieren, und diese andererseits die Pflicht haben, auf die Belastbarkeit des Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung Rücksicht zu nehmen mit der Folge, dass Beamte und Beamtinnen ihnen zustehende finanzielle Ansprüche nicht unter allen Umständen auch für zurückliegende Kalenderjahre geltend machen können (vgl. BVerfG, B. v. 22.3.1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363; BVerfG, U. v. 14.2.2012, 2 BvL 4/10 – juris Rn. 187; BVerfG, B. v. 19.6.2012 – 2 BvR 1397/09 – juris Rn. 82). Würde dieser Gesichtspunkt, der die öffentliche Hand vor – nicht vorhersehbaren - finanziellen Mehrbelastungen schützen soll, hier zum Tragen kommen, hätte der Kläger kein Recht, Besoldungsansprüche für die Jahre 2010 und früher zu beanspruchen. Denn er hat erstmals im Jahr 2011 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht, in besoldungsrechtlicher Hinsicht wegen ihres Alters diskriminiert zu werden. | Rn. 48 |
Einer Übertragung des vom BVerfG entwickelten Gesichtspunkts der zeitnahen Geltendmachung auf die vorliegende Fallgestaltung steht allerdings bereits entgegen, dass es sich bei diesem Gesichtspunkt lediglich um eine Maßgabe für die Ausgestaltung von rechtlichen Ansprüchen handelt, die vom Gesetzgeber erst noch zu schaffen sind. Ihr liegt immer die Feststellung zu Grunde, dass der Gesetzgeber es für einen länger zurückliegenden Zeitraum in verfassungswidriger Weise – Verstoß gegen amtsangemessene Alimentierung (vgl. BVerfG, B. v. 22.3.1990, a.a.O.; BVerfG, U. v. 14.2.2012, a.a.O.), Verstoß gegen den Gleichheitssatz (BVerfG, B. v. 19.6.2012, a.a.O.) - unterlassen hatte, Regelungen zu erlassen, die ausreichende Leistungsansprüche für Beamten/Beamtinnen begründen. Neben die Pflicht des Gesetzgebers, die Rechtslage rückwirkend, nämlich bezogen auf den Zeitpunkt der festgestellten Verfassungswidrigkeit, verfassungsgemäß umzugestalten, tritt hier der die Folgen des Verfassungsverstoßes zugunsten des Dienstherrn abfedernde kompensatorische Gesichtspunkt der zeitnahen Geltendmachung. Gäbe es diesen Gesichtspunkt nicht, hätte der Dienstherr keine Handhabe gehabt, sich gegen Ansprüche zu wehren, die, wie sich den vom BVerfG entschiedenen Fällen entnehmen lässt, weit über zehn Jahre zurückreichen konnten. Es ist nachvollziehbar, dass unter diesen spezifischen, den Rechtsfolgen eines vom BVerfG erkannten und ggf. mehrjährigen oder gar jahrzehntelangen verfassungswidrigen gesetzgeberischen Unterlassens geschuldeten Umständen ein kompensatorischer Gesichtspunkt entwickelt wurde mit dem Ziel, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Beamten/Beamtinnen und denen des Dienstherrn zu ermöglichen. | Rn. 49 |
Weil dem Gesetzgeber, der eine Regelung treffen muss, mit welcher ein verfassungsrechtliches Defizit beseitigt werden soll, im allgemeinen eine Entscheidungsprärogative dahin zusteht, auf welche Weise der Verfassungsverstoß beseitigt werden soll, ist der Gesichtspunkt der zeitnahen Geltendmachung allerdings keine zwingende inhaltliche Vorgabe für die Ausgestaltung einer verfassungskonformen Regelung des Besoldungsrechts, sondern lediglich Teil eines konzeptionellen Rahmens, innerhalb dessen sich der Gesetzgeber bewegen darf. Innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens war der Gesetzgeber in den vom BVerfG entschiedenen Fällen zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet, die rückwirkende Begünstigung demjenigen Personenkreis vorzuenthalten, der seine Ansprüche nicht zeitnah geltend gemacht hat. Dies zeigt, dass der Gesichtspunkt der zeitnahen Geltendmachung von Ansprüchen kein allgemeines, das wechselseitige Verhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten gewissermaßen überwölbendes, für jegliche Fallgestaltungen geltendes Prinzip sein kann (wie hier BVerwG, U. v. 17.6.2010 - 2 C 86.08- BVerwGE 137, 138, Rn. 29; vgl. auch BVerwG, U. v. 28.10.2010 - 2 C 52/09 - NVwZ-RR 2011, 205), sondern ein nur dem Gesetzgeber zur Verfügung stehendes Instrument zwecks adäquater Ausgestaltung des besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts in Bezug auf Ansprüche aus zurückliegenden Zeiträumen. | Rn. 50 |
Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich hiervon grundlegend. Denn der Kläger beansprucht Leistungen, die sich unmittelbar aus bereits existierenden - wenn auch, wie oben ausgeführt, wegen des Verstoßes gegen das unionsrechtliche Altersdiskriminierungsverbots nur in Teilen anwendbaren – Gesetzen ergeben. Diese – einfachen - Gesetze regeln die Besoldungsansprüche ohne Vorbehalt. Sie beinhalten insbesondere keine Beschränkung dergestalt, dass Besoldungsansprüche nur erfüllt werden müssen, wenn sie zeitnah geltend gemacht worden sind. Auch in sonstigen Fallgestaltungen ist das Bestehen von gesetzlich geregelten Besoldungsansprüchen nicht davon abhängig, dass sie im Einzelfall durch vorherige Antragstellung vom Anspruchsberechtigten ausdrücklich geltend gemacht werden. | Rn. 51 |
Weil es sich, wie oben ausgeführt, bei der zeitnahen Geltendmachung um einen Gesichtspunkt handelt, der sich ausschließlich an den Gesetzgeber richtet und von diesem in Erfüllung des besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts erst in positives Recht umgesetzt werden muss, um Wirksamkeit zu erlangen, es sich mit anderen Worten nicht um einen allgemeinen Grundsatz des Beamtenrechts handelt, kann er von vornherein nicht als gegen die klägerische Forderung gerichtete Einrede ins Feld geführt werden. | Rn. 52 |
Unabhängig davon weist das Gericht darauf hin, dass der vorliegende Interessenkonflikt auch in der Sache nicht so angelegt ist, dass sich die Anwendung des Gedankens der zeitnahen Geltendmachung trotz Geltung der allgemeinen Verjährungsregeln gewissermaßen aufdrängte. Die Ausgangssituation ist im Hinblick auf die divergierenden Interessenlagen mit den vom BVerfG entschiedenen Fällen zwar insofern vergleichbar, als eine diskriminierungsfreie Besoldung des Klägers und anderer Kläger/innen zu einer möglicherweise erheblichen – Angaben hierzu wurden seitens des beklagten Landes trotz Berufung auf das Erfordernis der zeitnahen Geltendmachung allerdings nicht gemacht - finanziellen Mehrbelastung des Landeshaushalts führt. Und auch im vorliegenden Fall kommt der Kläger‚ wie es das BVerfG ausgedrückt hat, gewissermaßen ohne sein eigenes Zutun nachträglich in den Genuss der Befriedigung eines zurückliegenden – wenn vorliegend wegen der Verjährung auch auf drei weitere Jahre begrenzten – Bedarfs (vgl. BVerfG, B. v. 22.03.1990 , a.a.O., juris Rdn.68). | Rn. 53 |
Im Unterschied zu den vom BVerfG entschiedenen Fällen einer begrenzten Rückwirkung auf diejenigen Beamten, die ihre Ansprüche zeitnah geltend gemacht haben, ist es für die vorliegende Konfliktlage allerdings kennzeichnend, dass die Unvereinbarkeit des Lebensaltersprinzips mit dem unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot für das beklagte Land schon in der Vergangenheit erkennbar war. So ist die Umstellung auf Erfahrungsstufen im Tarifrecht bereits im Jahr 2005 durch Abschluss des TVöD erfolgt. Seinerzeit - und also schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist der RL 2000/78/EG - wurden im öffentlichen Dienstrecht, zunächst begrenzt auf den Bereich der Bundesverwaltung und der Kommunen, bereits diejenigen Schlussfolgerungen gezogen, die im Hinblick auf die RL 2000/78/EG hinsichtlich des Verbots der Altersdiskriminierung geboten waren. Dem hätte das beklagte Land - das wie die anderen Bundesländer seinerzeit aus den Tarifverhandlungen ausgeschieden ist und heute auch nicht mehr der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder, deren Tarifvertrag ebenfalls auf Erfahrungsstufen aufbaut, angehört - ab dem 1. September 2006 in eigener Verantwortung folgen und das Besoldungsrecht entsprechend umstellen können, um damit auch den bereits damals vielfach geäußerten Bedenken (vgl. statt vieler Rieble/Zedler, ZfA 2006, 273 ff.; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663 ff.; Henssler/Tilmanns, FS-Birk 2008, 179 ff.) am Fortbestand des Systems der Lebensaltersstufen zur Gestaltung der Besoldung Rechnung zu tragen, wie es etwa der Bund im Jahr 2009 getan hat (vgl. § 38 Abs. 1 BBesG i. d. F. d. Bek. v. 19.6.2009, BGBl. S. 1434). Die seit dem Jahr 2011 vermehrt geltend gemachten Ansprüche auf eine diskriminierungsfreie Besoldung waren für das beklagte Land also keineswegs unvorhersehbar. | Rn. 54 |
Der Umstand, dass das beklagte Land die Unvereinbarkeit der an das Lebensalter anknüpfenden Besoldungsgestaltung mit dem unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot hingenommen hat, eine solche Unvereinbarkeit jedenfalls aber hätte in Rechnung stellen müssen, verbietet es, dem aufgrund seines Lebensalters diskriminierten Personenkreis nunmehr vorzuhalten, er habe die klageweise verfolgten Ansprüche nicht zeitnah geltend gemacht. Das ergibt sich aus der Wechselseitigkeit des im Beamtenverhältnis wurzelnden Treueverhältnisses. Wechselseitigkeit heißt hier, dass nicht nur der Beamte/die Beamtin, dem Dienstherrn gegenüber treuepflichtig ist, sondern auch der Dienstherr gegenüber dem Beamten oder der Beamtin. Aus der Wechselseitigkeit der beamtenrechtlichen Treuepflicht folgt, dass es der Seite, die sich treuwidrig verhalten hat, verwehrt ist, treues Verhalten der anderen Seite einzufordern. Dies entspricht dem in § 242 BGB positiv-rechtlich normierten, auch im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben. Wenn also, wie hier, der Dienstherr unter Verstoß gegen seine seit dem 2. Dezember 2006 bestehenden Verpflichtung sehenden Auges diskriminierendes Recht weitergelten lässt und sich dadurch seiner den wegen ihres Alters benachteiligten Beamtinnen und Beamten gegenüber bestehenden Treuepflicht zuwider verhält, darf er nicht seinerseits eine komplementäre Treuepflicht der betroffenen Beamten und Beamtinnen einfordern bzw. sich auf ihre vermeintliche Nichteinhaltung berufen. Das beklagte Land durfte angesichts seines eigenen treuwidrigen Verhaltens deshalb nicht darauf vertrauen, es werde ohnehin nur solche Besoldungsansprüche erfüllen müssen, die zeitnah geltend gemacht worden sind. Diese Folgerung spiegelt sich auch in der Rechtsprechung des BVerfG, wonach Einschränkungen des Grundsatzes, dass verfassungswidrige Zustände vollständig rückwirkend geheilt werden müssen, in solchen Fällen nicht naheliegen, in denen die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung stets umstritten war (BVerfG, U. v. 19.6.2012, a. a. O, juris Rn. 81). | Rn. 55 |
Angesichts dieser Rechtslage muss hier nicht der Frage nachgegangen werden, ob der ausschließlich für das Beamtenrecht entwickelte Gesichtspunkt der zeitnahen Geltendmachung gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz verstößt (bejahend VG Halle, U. v. 28.-9.2011 - 5 A 349/09 - RiA 2012, 88). Das BVerfG scheint dieses Frage bei beamtenrechtlichen Besoldungsansprüchen allerdings zu verneinen, weil es dem Gesetzgeber im Fall eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG, der gleichzeitig einen Verstoß gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot beinhaltet, zugesteht, die in der Vergangenheit liegenden Ansprüche von Beamten und Beamtinnen unter dem Gesichtspunkt der zeitnahen Geltendmachung zu begrenzen (vgl. BVerfG, B. v. 19.6.2012, a.a.O. – Familienzuschlag in Lebenspartnerschaften). Wäre es anders, hätte das BVerfG dem EuGH eine entsprechende Frage zum Zweck der Vorabentscheidung vorlegen müssen. | Rn. 56 |
Ein angemessener Interessenausgleich wird im vorliegenden Fall, wie regelmäßig in anderen Streitigkeiten auch, durch die analoge und allgemein anerkannte Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Verjährungsvorschriften erzielt. Sie begrenzen die Besoldungsansprüche des Klägers auf einen Zeitraum, der drei Jahre zurückliegt (§ 195 BGB) – nur hierauf erstreckt sich auch seine Klage - und schützen dadurch das Interesse des Beklagten, auf länger zurückliegende Zahlungsverpflichtungen in Anspruch genommen zu werden. Dass finanzielle Mehrbelastungen, die sich aus der Nichtanwendbarkeit des Gesichtspunkts der zeitnahen Geltendmachung ergeben, letztlich von der Allgemeinheit getragen werden müssen, ist keine Folge, welche die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung einschließlich der dadurch begründeten Rechtsfolge einer Anpassung nach oben als solche begrenzen könnte. Diese Folge liegt allein im Verantwortungsbereich des Beklagten selbst. Anders als der Bund und die meisten anderen Bundesländer, die das Besoldungssystem für Beamte und Beamtinnen zwischenzeitlich auf Erfahrungsstufen umgestellt haben hat das beklagte Land die Antidiskriminierungsrichtlinie bisher nicht zum Anlass für eine Reform des Besoldungsrechts genommen. Dieses Versäumnis kann nicht zu Lasten des Klägers gehen. | Rn. 57 |
Soweit das beklagte Land unterlegen ist, hat es nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, entspricht es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, die Verfahrenskosten ebenfalls dem Beklagten aufzulegen, da die Einrede der Verjährung auch vorprozessual hätte erhoben werden können, sodass eine entsprechende Klageerweiterung mutmaßlich unterlieben wäre. | Rn. 58 |
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Da die Aufhebung der die Leistung ablehnenden Bescheide Voraussetzung des Zahlungsanspruchs ist, kann wegen § 167 Abs. 2 VwGO letzterer nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. | Rn. 59 |
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 VwGO) sind nicht ersichtlich. Die grundsätzlichen Fragen zum Diskriminierungsschutz sind durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt, unterstellt die Anwendung des ohnehin zur Ablösung anstehenden BBesG a. F. durch Landesrecht können noch Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen. Hinsichtlich der mangelnden Anwendung des Grundsatzes der zeitnahen Geltendmachung folgt die Kammer der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG. | Rn. 60 |