Die Klage ist begründet. | Rn. 13 |
Die Bescheide des Beklagten vom 15. Juli 2002 und 12. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2003 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie unterliegen daher der Aufhebung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -). Gleichzeitig war die Herausgabe der streitgegenständlichen Weste an den Kläger auszusprechen (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO). | Rn. 14 |
Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten findet die Sicherstellung der dem Kläger gehörenden Clubweste des Clubs „Hells Angels MC/B.“ in § 22 Nr. 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz – POG – keine Rechtsgrundlage. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend nämlich nicht erfüllt. | Rn. 15 |
Nach der genannten Regelung kann eine Sicherstellung einer Sache erfolgen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Anders als der Beklagte meint, ist das Tragen der in Rede stehenden Clubweste in der Öffentlichkeit indessen nicht als gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu qualifizieren, weil der Kläger damit nicht gegen die Verbotsbestimmung des § 9 Abs. 3 Vereinsgesetz - VereinsG – verstößt. Hiernach gilt das in Abs. 1 der genannten Vorschrift normierte Verbot der Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins entsprechend für Kennzeichen eines verbotenen Vereins, die in im Wesentlichen gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbständigen, die Zielrichtung des verbotenen Vereins teilenden Vereinen verwendet werden. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. | Rn. 16 |
Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei der Clubweste des Klägers um eine solche handelt, wie sie in im Wesentlichen gleicher Form auch von den verbotenen Vereinen der „Hells Angels“ in Düsseldorf und/oder Hamburg verwendet worden ist. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vermag die Kammer weder festzustellen, dass es sich bei dem Club des Klägers um eine Teilorganisation der verbotenen Charter der „Hells Angels“ in Düsseldorf und/oder Hamburg handelt, noch dass der Verein des Klägers die Zielrichtung der genannten verbotenen Vereine teilt. | Rn. 17 |
Ersteres ist zwischen den Beteiligten nicht strittig und wird insbesondere vom Beklagten nicht behauptet, so dass sich hierzu weitere Ausführungen erübrigen. | Rn. 18 |
Soweit der Beklagte hingegen geltend macht, der Verein des Klägers teile die Zielrichtung der verbotenen Vereine in Düsseldorf und/oder Hamburg, kann ihm insoweit nicht gefolgt werden. Eine dahingehende Feststellung kann nach Auffassung der Kammer nicht vornehmlich anhand formaler Gesichtspunkte, wie etwa durch Heranziehung der Vereinssatzungen, getroffen werden. Dies wäre in der großen Mehrzahl der Fälle nämlich unbehelflich, weil die Satzungen derartiger Vereine für sich genommen in der Regel rechtlich unbedenklich sein dürften. Maßgeblich für die Bestimmung der Zielsetzung der jeweiligen Vereine sind vielmehr in erster Linie das Verhalten ihrer Mitglieder und die Verlautbarungen des Vereins und seiner Organe in der Öffentlichkeit. Dabei kann von einer gemeinsamen Zielsetzung der jeweiligen Vereine im Sinne des § 9 Abs. 3 VereinsG in der Regel nur dann ausgegangen werden, wenn der Verein, dessen Kennzeichen von dem Kennzeichenverbot erfasst werden sollen, zumindest auch diejenigen Ziele verfolgt, derentwegen der bereits verbotene Verein tatsächlich verboten worden ist. Diese Auslegung folgt zunächst aus der Systematik des § 9 VereinsG. Dieser regelt in seinen Absätzen 1 und 2 ein umfassendes Kennzeichenverbot bezüglich der Kennzeichen eines bereits verbotenen Vereins und solcher Kennzeichen, die diesen zum Verwechseln ähnlich sind. In § 9 Abs. 3 VereinsG wird an ein solches Verbot anknüpfend das Kennzeichenverbot nur dann auf die Kennzeichen nicht verbotener Vereine oder Teilorganisationen ausgeweitet, wenn diese im Wesentlichen dem Erscheinungsbild der Kennzeichen des verbotenen Vereins entsprechen und der Verein die Zielsetzungen des verbotenen Vereins teilt. Ebenso spricht für die hier vertretene Auslegung die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz), Stand 12. Oktober 2001, 12.00 Uhr. Darin heißt es zur Änderung des § 9 VereinsG unter anderem, Zweck der Regelung sei es, die Verwendung von Kennzeichen verbotener Vereine effektiv aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Es werde mit der neuen Regelung leichter, Symbole und Kennzeichen aus dem öffentlichen Erscheinungsbild zu eliminieren, die in den Augen der Öffentlichkeit für die Tendenzen stehen, wegen derer der Verein verboten wurde. | Rn. 19 |
Dies vorausgeschickt, ergeben sich vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Verein des Klägers die Zielsetzungen teilt, wegen derer die Vereine der „Hells Angels“ in Düsseldorf bzw. Hamburg verboten worden sind. Die Vereine in Düsseldorf und Hamburg wurden verboten – insoweit bestand in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten Einvernehmen -, weil diese nach den Feststellungen der zuständigen Gerichte als „Hort der Kriminalität“ fungierten, unter deren Schutz es den Mitgliedern ermöglicht wurde, in vielfältiger Weise Straftaten zu verüben, was im Ergebnis auch zu entsprechenden Verurteilungen eines Teils der Mitglieder dieser Vereine führte. Derartige Feststellungen konnten aber bisher hinsichtlich des Vereins des Klägers noch nicht getroffen werden, auch wenn nach Auskunft des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vertreters des Landeskriminalamtes in jüngster Zeit verschiedene Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der „Hells Angels MC/B.“ eingeleitet worden sind. Insoweit bleibt indessen abzuwarten, ob es überhaupt zu entsprechenden Verurteilungen kommen wird. Gegebenenfalls werden die zuständigen Behörden in diesem Falle zu prüfen haben, inwieweit ein Zusammenhang mit der Vereinstätigkeit besteht und ob dort möglicherweise ähnliche Strukturen wie in den Vereinen in Düsseldorf und Hamburg festzustellen sind. | Rn. 20 |
Dagegen kann der Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, die Idee der „Hells Angels“ sei weltweit auf kriminelle Ziele ausgerichtet. Diese Sicht der Dinge steht jedenfalls nicht im Einklang mit der Einschätzung des Bundesministeriums des Innern, wie sie vom Bevollmächtigten des Klägers unter anderem im Schriftsatz vom 18. Mai 2004 zitiert wird und in der mündlichen Verhandlung nochmals verlesen wurde. Darin heißt es unter anderem, dass für staatliche Stellen kein Grund zum Eingreifen bestehe, soweit die einzelnen Gruppierungen der „Hells Angels“ nicht gegen Gesetze der Bundesrepublik Deutschland verstoßen. Die Mitglieder solcher Clubs könnten ohne behördliche Behinderungen ihre Clubaufgaben wahrnehmen. Der Beklagte hat hierzu auch keine neueren Stellungnahmen oder Nachweise vorgelegt, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten. Vielmehr ist es diesbezüglich bei pauschalen Behauptungen geblieben. In Anknüpfung an die Feststellungen des Bundesministeriums des Innern erscheint es überdies auch folgerichtig, dass die Vereine in Hamburg und Düsseldorf gerade nicht wegen ihrer Zugehörigkeit zur Bewegung der „Hells Angels“ im Allgemeinen, sondern wegen der Verfolgung krimineller Ziele verboten worden sind. Wären die Zielsetzungen der „Hells Angels-Bewegung“ allgemein auf die Verübung von Straftaten ausgerichtet, hätte dies zwangsläufig zu einem bundesweiten Verbot aller „Hells Angels-Vereine“ führen müssen. Sind die Ziele der „Hells Angels-Vereine“ demnach aber nicht weltweit auf die Verübung von Straftaten ausgerichtet, so kann durch das Verwenden der hier streitgegenständlichen Clubabzeichen eines bestimmten – nicht verbotenen – Vereins auch nicht der Eindruck entstehen, dass Straftaten von der Polizei geduldet würden. | Rn. 21 |
Ist das Tragen der in Rede stehenden Clubweste in der Öffentlichkeit nach alledem derzeit rechtlich nicht zu beanstanden, so bestand nach deren Freigabe durch die Staatsanwaltschaft auch kein Rechtsgrund für deren weitere Sicherstellung durch den Beklagten. Die anders lautende Verfügung vom 15. Juli 2002 war daher aufzuheben. | Rn. 22 |
Dass dies nach dem zuvor Gesagten gleichermaßen auch für die am 12. Juni 2003 angekündigte Vernichtung der Clubweste gelten muss, versteht sich von selbst und bedarf insoweit keiner weiteren Ausführungen. | Rn. 23 |
Schließlich hat der Kläger unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Folgebeseitigungsanspruches Anspruch auf Herausgabe der Clubweste. Eine Anwendung der spezielleren Regelung des § 25 POG scheidet nach Auffassung der Kammer aus, weil diese Bestimmung den Fall des Vorliegens einer wirksamen Sicherstellung bei nachträglichem Wegfall der Voraussetzungen regelt, was hier aber zu verneinen ist, weil der Kläger bereits die Sicherstellung als solche wirksam angefochten hat. | Rn. 24 |
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. | Rn. 25 |
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | Rn. 26 |
Die Berufung war vorliegend gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO in.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. | Rn. 27 |