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Florian Albrecht*: Rezension – Pavel, Behördliches Vorgehen gegen Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit, 2013

ZVR-Online Dok. Nr. 9/2015 – online seit 19.04.2015

Pavel, Matthias
Behördliches Vorgehen gegen Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit. Unter besonderer Berücksichtigung abstrakt-genereller Handlungsmöglichkeiten
Peter Lang GmbH
Frankfurt am Main 2013
294 Seiten
55,95 €
ISBN: 978-3-631-64237-5

Die Dissertation von Pavel ist die zweite Monografie (im Jahr 2011 erschienen ist Köppert, Alkoholverbotsverordnungen in der Rechtspraxis), die sich eingehend mit den Rechtsfragen der Alkoholverbote im öffentlichen Raum (kritisch dazu Albrecht, VR 2012, 41; Albrecht, NZV 2011, 588; Albrecht, Die Polizei 2011, 117) auseinandersetzt.Rn. 1
Die am Anfang stehende Einführung in die Problemstellung hinterlässt bei dem Rezensenten den Eindruck, dass der Verfasser durchaus der in den Medien und der Politik vorherrschenden Schilderung der Problematik des öffentlichen Alkoholkonsums (Stichworte „Rucksacktrinker“ und „Komasäufer“) folgt und in den Verboten grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Problemlösung sieht. Die insoweit angeführten Studien, etwa zum Konsumverhalten und der Problembeschreibungen, werden weitgehend als Fakten eingeführt, obgleich eine Prüfung der Validität solcher oftmals wissenschaftlichen Anforderungen nicht gerecht werdenden Erhebungen im Detail zu hinterfragen wäre. Auch als Lösungsansatz wirft das Verbot des öffentlichen Alkoholkonsums Fragen auf. Bereits im Jahr 1994 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass sich negative Wirkungen des Alkohols in erster Linie durch soziale Kontrolle vermeiden lassen (BVerfG, Beschl. v. 09.03.1994 – 2 BvL 43/92 u.a., juris Rn. 186). Die Verbannung des Alkohols aus der Öffentlichkeit läuft Gefahr, diesbezügliche Möglichkeiten zu beschränken. Unerwähnt bleiben in der Einführung zudem die gesellschaftliche Funktion des Alkoholkonsums als Lebens- und Genussmittel und sich hieraus ergebende positive Wirkungen. Dass Ausführungen hierzu eine juristische Arbeit überstrapazieren (vgl. S. 101) ist richtig. Der gegenwärtigen Verbotsdiskussion wäre etwas mehr Hintergrundwissen allerdings äußerst zuträglich.Rn. 2
Die rechtlichen Ausführungen finden sich im Wesentlich in den Kapiteln „Alkoholkonsumverbote durch Polizeiverordnung“ (S. 103 ff.), „Alkoholkonsumverbote durch Allgemeinverfügung“ (S. 175 ff.), „Alkoholkonsum auf Bahnhöfen und in Zügen der Eisenbahnunternehmen“ (S. 191 ff.), „Behördliches Vorgehen gegen den Alkoholkonsum auf straßenrechtlicher Grundlage“ (S. 201 ff.), „Behördliches Vorgehen gegen den Alkoholkonsum auf kommunalrechtlicher Grundlage“ (S. 221 ff.), „Behördliches Vorgehen gegen den Alkoholverkauf“ (S. 233 ff.), „Übermäßiger Alkoholkonsum und Alkoholmissbrauch in Gaststätten und deren Unterbindung“ (S. 251 ff.), „Alkoholkonsum auf Festen und anderen kurzzeitigen Veranstaltungen“ (S. 269 ff.) und „Folgen für den Gesetzgeber: Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für Kommunen“ (S. 281 ff.). Die Aufzählung zeigt bereits, dass der Verfasser alle in der Literatur und Rechtsprechung anzutreffenden Möglichkeiten, den öffentlichen Alkoholkonsum zu unterbinden, in seine Erhebung einbezieht.Rn. 3
In inhaltlicher Hinsicht wird die zu den einzelnen Themenkomplexen existierende Rechtsprechung in übersichtlicher Weise aufbereitet und einer mitunter kritischen Würdigung unterzogen. Die Stärke der Erhebung liegt in der verständlichen und gut nachvollziehbaren Darstellung der juristischen Materie. Dem Verfasser ist in diesem Zusammenhang stets an einer eigenständigen Bewertung gelegen, die sich ggf. auch in Widerspruch zu der herrschenden Rechtsauffassung setzt. So kommt er etwa mit guten Argumenten entgegen der von dem OVG Münster vertretenen Ansicht zu dem Ergebnis, dass die Nutzung von Bierbikes keine straßenrechtliche Sondernutzung darstellt und mithin regelmäßig hinzunehmen sei (S. 218; vgl. auch Albrecht/Hatz, ZVR-Online Dok. Nr. 13/2012 Rn. 41).Rn. 4
Schwächen weist die Arbeit leider mitunter dort auf, wo der rechtlichen Bewertung ein Sachverhalt zugrunde gelegt wird, der hinsichtlich seiner konkreten Ausgestaltung umstritten ist. Hier werden einzelne Fundstellen zu unkritisch und wohl in erster Linie ergebnisorientiert übernommen (vgl. etwa zum „Feierabendtrinker“ S. 121). Eine etwas kritischere Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Rahmenbedingungen des Alkoholkonsums wäre wünschenswert gewesen.Rn. 5
Im Ergebnis ist die Arbeit als Kompendium der rechtlichen Möglichkeiten zur Beschränkung des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit sehr gut geeignet. Der Leser wird gut strukturiert anhand der einzelnen Prüfungsschritte und Tatbestände mit den rechtlichen Problemen vertraut gemacht. Mittels zahlreicher Verweise auf Fundstellen in Rechtsprechung und Schrifttum werden weitergehende Recherchen ermöglicht. Die die gegenwärtige rechtspolitische Diskussion prägenden und der Arbeit zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen dürfen allerdings durchaus kritisch hinterfragt werden.Rn. 6
Fußnoten

* RA Florian Albrecht M.A. ist Akademischer Rat a. Z. und Geschäftsführer der Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik (For..Net) am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht (Prof. Dr. Dirk Heckmann), Universität Passau.