Dr. Frank Braun*: Rezension – Ehresmann, Straftaten gegen Polizeibeamte, 2015
ZVR-Online Dok. Nr. 21/2016 – online seit 20.11.2016
Ehresmann, Andreas
Straftaten gegen Polizeibeamte
Verlag Dr. Kovac
Hamburg 2015
401 Seiten
99,80 Euro,
ISBN 978-3-8300-8460-0
Ehresmann behandelt in seiner Dissertation das Phänomen „Gewalt gegen Polizeibeamte“ umfassend aus (straf-)rechtlicher und kriminologischer Sicht. Ein besonderes Augenmerk legt er dabei auf die Neuregelungen des 44. Strafrechtsänderungsgesetzes aus dem Jahre 2011, die eine Anhebung des Strafrahmens in § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) vorsahen. Mittlerweile lässt sich konstatieren, dass eine präventive Wirkung durch stärkeres Strafen bei Übergriffen gegen Polizeibeamte keinen Erfolg gezeitigt hat. Dies war abzusehen. Es fehlte schon an einer unvoreingenommenen Einschätzung der tatsächlichen Gegebenheiten durch den Gesetzgeber, wie der Verfasser sorgfältig und mit beeindruckender Detailliertheit erforscht: Ein tatsächlicher Anstieg – tragender Grund der gesetzgeberischen Aktivitäten – von gegen Polizeibeamte gerichteten Gewalt ist nicht nachweisbar. Auch hätte den gesetzgeberischen Aktivitäten eine sachgerechte Ursachenforschung vorangestellt werden müssen. Hierzu leistet indes Ehresmann einen wertvollen Beitrag und gibt für notwendige nachfolgende Forschungsaktivitäten eine hinreichende Grundlage. Gleichzeitig legt er unmissverständlich dar, dass die vielbemühten Behauptungen, die Gerichte würden Polizeibeamten den strafrechtlichen Schutz versagen, so nicht zutreffen. | Rn. 1 |
Leider scheinen die Erkenntnisse von Ehresmann für gesetzgeberische Aktivitäten kein Maßstab zu sein. Wiederum wird lediglich auf (unbegründete) Forderungen der Polizeigewerkschaften reagiert, wenn von den Ländern Hessen und Saarland weitere Strafschärfungen zum Schutz von Polizeibeamten gefordert werden (Hierzu Zöller, ZIS 2015, 445 ff.). Gut, dass die betreffenden Gesetzesinitiativen keine realistische politische Chance auf Realisierung haben. Allerdings wird die Thematik weiter in der rechtspolitischen Diskussion stehen. Auch hierfür leistet die Arbeit von Ehresmann das ihrige. | Rn. 2 |
Bereits kurz nach ihrem Erscheinen findet die Arbeit Berücksichtigung in der wissenschaftlichen Diskussion. Dallmeyer etwa zitiert sie mehrmals zustimmend in seinem Standardkommentar zur Strafprozessordnung. | Rn. 3 |
Festzustellen bleibt: Solange Ausmaß und Ursachen des Phänomens „Gewalt gegen Polizeibeamte“ weitgehend unerforscht sind, lässt sich nur wenig zielgerichtet gegensteuern. Dass härteres Strafen unter diesen Voraussetzungen kein Gegenmittel darstellt, legt Ehresmann umfassend dar. Allgemein einen Beitrag zu einer Reduzierung von Gewalt gegen Polizeibeamte könnten eine Intensivierung der Schulung der Polizeibeamten in Konfliktlösungsstrategien, eine Verbesserung der Ausrüstung und weitere Maßnahmen zur Eigensicherung leisten. Sinnvoll erscheint dabei eine Dokumentation von Polizeieinsätzen mittels Videotechnik; z. B. durch den Einsatz von Mini-Schulterkameras (sog. Body-Cams). Im Übrigen tragen die Kameras zur Aufklärung von etwaigen Verfehlungen der handelnden Polizeibeamten bei. | Rn. 4 |
Zu bedenken ist, dass die Wahrnehmung von Gewalt gegen Polizeibeamte und zweifellos auch deren faktische Relevanz ganz wesentlich von der jeweiligen Polizeikultur abhängt, die sich in den einzelnen Bundesländern teils wesentlich unterscheidet. Sicherlich ist in den nördlichen Bundesländern Gewalt gegen Polizeibeamte ein größeres Thema als in den südlicheren Ländern, in denen polizeiliches Einschreiten – ohne rechtsstaatliche Defizite – tendenziell konsequenter und niedrigschwelliger erfolgt. Nicht ohne Grund finden sog. Chaostage in Berlin und Hannover und nicht in Regensburg oder München statt. Tatsache ist auch, dass in Bayern oder Baden-Württemberg, anders als etwa in Nordrhein-Westfalen, keine sog. No-Go-Areas bestehen, in denen Polizeibeamte bei Betreten grundlos mit Steinen beworfen und tätlich angegriffen werden. Abhilfe schaffen können diesbezüglich auch ein regelmäßig konsequentes polizeiliches Vorgehen unter Ausnutzung der bestehenden polizeilichen Befugnisse sowie deren Durchsetzung mit unmittelbarem Zwang. Freilich stellen hierbei ein Mangel an operativ tätigen Polizeibeamten sowie eine oftmals falsch verstandene „political correctness“ wesentliche Hinderungsgründe dar. Es gilt daran zu erinnern, dass Gewalttätigkeiten gleichmäßig und unabhängig davon zu entgegnen ist, ob diese von rechts- oder linksextremistischen Gruppierungen, von kriminellen Großfamilien mit Migrationshintergrund oder anderen notorisch devianten Randgruppen begangen werden. Massive Gewalt gegen Polizeibeamte ist in diesem Kontext häufig ein Rechtsdurchsetzungsproblem und keine Frage nicht ausreichender Strafbarkeit des delinquenten Verhaltens. Oder anders gewendet: Dort, wo der Rechtsstaat aufgegeben wird, zeigen Straftatbestände keine Wirkung. | Rn. 5 |
Fußnoten
* Der Autor ist Regierungsdirektor an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW, Münster.