Skip to main content

AG Hannover, Urt. v. 16.01.2019 – 222 Ds 1021 Js 99105/18 (427/18) – „Volksverhetzung beim ‚Kippa-Walk‘“

ZVR-Online Dok. 8/2021 – online seit 28.07.2021

§ 130 StGB

Leitsatz der Redaktion:

Zur Volksverhetzung bei vorausgegangenem antisemitischem Angriff.                                                                                                                           

Rn. 1

Tenor:

Der Angeklagte wird wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen á 15,- Euro verurteilt.

Rn. 2

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie die eigenen notwendigen Auslagen. Angewendete Vorschrift: § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

Rn. 3

Gründe:

(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)

Am 04.05.2018 nahm der Angeklagte an der Versammlung „Kippa-Walk gegen Antisemitismus“ teil, die sich vom Trammplatz in Hannover beginnend bis zum Steintorplatz bewegte. Der Angeklagte ist jüdischen Glaubens und besitzt neben der deutschen auch die israelische Staatsangehörigkeit. Die Versammlungsteilnehmer wurden unterwegs von Passanten mit antisemitischen Äußerungen wie „schmeiß die Scheißmütze weg!“ oder „ihr habt hier nichts verloren!“ beschimpft. Im Bereich der Georgstraße/Höhe Schillerdenkmal tätigte gegen 17:05 Uhr eine Gruppe von 4-5 Jugendlichen im Alter von Mitte 20, die nach dem äußeren Erscheinungsbild arabischer, muslimischer oder südländlicher Herkunft waren, antisemitische Äußerungen wie „allen Juden den Kopf abschneiden, Juden vergasen und in die Asche pissen!“ derart lautstark, dass sie auch vom am rechten Rand der Versammlung gehenden Angeklagten wahrgenommen wurden. Darüber erregte sich der Angeklagte derart, dass er 20-30 Sekunden später und 50-100 m vom Schillerdenkmal in Richtung Steintorplatz entfernt dreimal lautstark „tötet alle Araber!“ bzw. „Tod allen Arabern!“ rief, so dass seine Äußerungen von anderen Versammlungsteilnehmern und einer Vielzahl von Passanten wahrgenommen wurden. Eine 10 Minuten später um 17:15 Uhr beim Angeklagten durchgeführte Atemalkoholkontrolle ergab einen Wert von 1,69 g o/oo. Der Angeklagte war zeitlich und örtlich voll orientiert. Er hat sich in der Beweisaufnahme geständig und einsichtig gezeigt und seine Äußerungen im Nachhinein bereut.

 

Rn. 4

Ausgehend vom Regelstrafrahmen des § 130 Abs. 1 StGB war unter weiterer Berücksichtigung der vorausgegangenen Provokationen die Mindeststrafe von 3 Monaten Freiheitsstrafe zur Ahndung ausreichend. Die Verhängung dieser kurzen Freiheitsstrafe war jedoch im Sinne des § 47 StGB erlässlich. Das Gericht hat stattdessen auf die entsprechende Geldstrafe von 90 Tagessätzen erkannt. Die Tagessatzhöhe war dabei auf 15,- Euro festzusetzen.

Rn. 5

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.

xxx

Richter am Amtsgericht

Rn. 6