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VG Schleswig, Beschl. v. 08.03.2012 – 12 B 52/12 – „Sansibar“

ZVR-Online Dok. Nr. 4/2012 – online seit 12.04.2012

§ 80 Abs. 5 VwGO, § 2 Abs. 1 GastG, § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG, § 9 GastG, § 15 Abs. 2 GastG, § 31 GastG, § 14 Abs. 1 GewO, § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO, § 2 Abs. 4 NRauchSchG SH

Leitsätze der Redaktion

1. Unzuverlässig ist derjenige, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist eine zu treffende Prognoseentscheidung anhand der Gesamtwürdigung der mit der Person des Gewerbetreibenden und mit dem Betrieb zusammenhängenden Umstände.Rn. 1
2. Im gaststättenrechtlichen Sinne unzuverlässig ist insbesondere, wer einem unzuverlässigen Dritten Einfluss auf die Führung des eigenen Gaststättenbetriebes einräumt und nicht willens oder in der Lage ist, einen solchen Einfluss auszuschalten. Der unzuverlässige Dritte kann hierbei auch der eigene Ehepartner sein.Rn. 2
3. Nach § 9 GastG bedarf einer Stellvertretungserlaubnis, wer ein erlaubnisbedürftiges Gaststättengewerbe durch einen Stellvertreter betreiben will. Stellvertreter im Sinne des Gesetzes ist eine Person, die aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Vollmacht den Betrieb im Namen und auf Rechnung des Inhabers, im Übrigen aber unter eigener Verantwortung selbständig führt.Rn. 3

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 14. Februar 2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 07. Februar 2012 wiederherzustellen,

ist zulässig, aber unbegründet.
Rn. 4
Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung zwischen dem privaten Aufschubinteresse der Antragstellerin und dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse wie die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, ist die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, da an der sofortigen Vollziehung rechtswidriger Verwaltungsakte kein überwiegendes öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist er sich hingegen als offensichtlich rechtmäßig, so ist weiter zu prüfen, ob im Einzelfall eine über das Interesse am Erlass des Bescheides selbst hinausgehendes überwiegendes Vollzugsinteresse erkennbar ist. Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr kann dieses besondere Vollzugsinteresse aber mit dem Interesse am Erlass des Bescheides selbst identisch sein.Rn. 5
Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung. Dabei sind die Folgen gegenüberzustellen, die einerseits eintreten, wenn dem Antrag stattgegeben wird, der Bescheid sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweist, bzw. die andererseits eintreten, wenn der Antrag abgelehnt wird, der Bescheid sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig herausstellt. Nach Maßgabe dieser Grundsätze überwiegt vorliegend das Interesse an einer sofortigen Vollziehung das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da sich der angefochtene Bescheid vom 07. Februar 2012 als offensichtlich rechtmäßig erweist.Rn. 6
In formeller Hinsicht genügt die im Bescheid erfolgte Anordnung des Sofortvollzuges bezüglich des Widerrufs der erteilten Gaststättenerlaubnis sowie der Schließung des Betriebes den Anforderungen der Vorschrift des § 80 Abs. 3 VwGO. Danach ist das besondere Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Diese Begründung hat den Zweck, den Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zum Sofortvollzug veranlasst haben, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs abzuschätzen. Außerdem soll sich die Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert.Rn. 7
Die Begründung des Sofortvollzuges genügt diesen Anforderungen.Rn. 8
Die Antragsgegnerin hat im Einzelnen begründet, dass aufgrund der maßgeblichen Einflussnahme des als unzuverlässig anzusehenden und entscheidend auf den Betrieb einwirkenden Ehemannes der Antragstellerin sowie deren zahlreiche Pflichtenverstöße der Schluss gerechtfertigt ist, dass sie während der Zeit eines eventuellen Rechtsmittelverfahrens den Betrieb nicht ordnungsgemäß führen oder den Betrieb nach dem Widerruf nicht freiwillig schließen werde. Angesichts der besonderen Gefahren für die öffentliche Sicherheit habe ein eventuelles Rechtsbehelfsverfahren nicht abgewartet werden können und insoweit müssten die finanziellen Interessen der Antragstellerin hinter den Interessen der Allgemeinheit, vor den Gefahren für die Gesundheit und vor Gefahren, die sich aus einer Begünstigung der organisierten Kriminalität ergäben, geschützt zu werden, zurücktreten.Rn. 9
In materieller Hinsicht erweist sich der angefochtene Bescheid bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig.Rn. 10
Nach der Bestimmung des § 15 Abs. 2 Gaststättengesetz (GastG) ist eine gaststättenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden. Gemäß dieser Vorschrift ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Nach der Vorschrift des § 35 Abs. 1 S. 1 Gewerbeordnung (GewO) als nach § 31 GastG maßgeblicher Rechtsgrundlage für die Untersagung des nach § 2 Abs. 1 GastG erlaubnispflichtigen Betriebes ist die Ausübung eines Gewerbes zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.Rn. 11
In beiden Fällen ist mithin entscheidend, ob die Antragsgegnerin zu Recht von der Unzuverlässigkeit der Antragstellerin ausgegangen ist. Dies ist der Fall.Rn. 12
Unzuverlässig ist derjenige, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist eine zu treffende Prognoseentscheidung anhand der Gesamtwürdigung der mit der Person des Gewerbetreibenden und mit dem Betrieb zusammenhängenden Umstände (Michel/Kienzle/Pauly, GastG, 14. Aufl., § 4 Rdnr. 7).Rn. 13
Bei der Definition des Unzuverlässigkeitsbegriffs ist in gaststätten- wie in gewerberechtlicher Hinsicht darauf abzustellen, ob der Gewerbetreibende die Gewähr für die ordnungsgemäße Ausübung des Gewerbes bietet. Hierin kommt zum Ausdruck, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine bestimmte Wahrscheinlichkeit für die ordnungswidrige Gewerbeausübung sprechen muss. Ausreichend für die Prognose der Unzuverlässigkeit ist das Vorliegen ernsthafter Zweifel an der ordnungsgemäßen Gewerbeausübung (Michel/KienzlePauly, aaO, Rdnr. 4 ff.). Der Wahrscheinlichkeitsgrad für solche Zweifel wird umso geringer sein, je höher die Schutzwürdigkeit betroffener Rechtsgüter ist. Ob die künftige ordnungsgemäße Gewerbeausübung zweifelhaft erscheint, beurteilt sich nach einer Gesamtwürdigung der mit der Person des Gewerbetreibenden und mit dem Betrieb zusammenhängenden Umstände. Es kommt mithin darauf an, ob der Gewerbetreibende nach seinen persönlichen Verhältnissen in der Lage ist, den Gewerbetrieb ordnungsgemäß zu führen. Ob bei der Entstehung der die Unzuverlässigkeit begründenden Umstände ein Verschulden des Gewerbetreibenden mitgewirkt hat, ist im Hinblick auf die Funktion des Unzuverlässigkeitsbegriffs als Instrument der Gefahrenabwehr unerheblich (std. Rechtsprechung der Kammer, vgl. nur Beschluss vom 30. März 2011 - 12 B 13/11 -).Rn. 14
Nach diesen Maßstäben erweist sich die angefochtene Widerrufs- und Schließungsverfügung als offensichtlich rechtmäßig. Zur Begründung verweist die Kammer mit folgenden Maßgaben und Ergänzungen auf die Ausführungen im Bescheid der Antragsgegnerin vom 07. Februar 2012:Rn. 15
Es kann zunächst offenbleiben, ob die Antragstellerin den Widerrufsgrund des § 15 Abs. 3 Nr. 3 GastG verwirklicht hat. Nach dieser Vorschrift kann die (Gaststätten-)Erlaubnis widerrufen werden, wenn der Gewerbetreibende seinen Betrieb ohne Erlaubnis durch einen Stellvertreter betreiben lässt. Nach § 9 GastG bedarf einer Stellvertretungserlaubnis, wer ein erlaubnisbedürftiges Gaststättengewerbe durch einen Stellvertreter betreiben will. Stellvertreter im Sinne des Gesetzes ist eine Person, die aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Vollmacht den Betrieb im Namen und auf Rechnung des Inhabers, im Übrigen aber unter eigener Verantwortung selbständig führt (Metzner, GastG, 6. Aufl., § 9 Rdnr. 1). Zwar wird der Ehemann der Antragstellerin aufgrund der Vollmacht vom 12. April 2010 von dieser ermächtigt, sie in allen Sachen betreffend die Führung des Lokals „Sansibar“ zu vertreten, wobei die Vollmacht auch die Vertretung gegenüber allen Behörden umfasst. Demzufolge ist insoweit von einer rechtsgeschäftlichen (bürgerlich-rechtlichen) Vertretungsmacht des Ehemannes der Antragstellerin auszugehen. Allerdings wird sowohl in den Vorschriften des § 9 als auch des § 15 GastG gefordert, dass der Stellvertreter den Betrieb anstelle der Inhaberin (tatsächlich) führt. Ob die Feststellungen der Antragsgegnerin diese Annahme rechtfertigen, erscheint zumindest fraglich. Letztlich bedarf es insoweit jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Antragstellerin ist aus anderen Gründen als unzuverlässig anzusehen.Rn. 16
Nach Auffassung der Kammer muss die Zuverlässigkeit der Antragstellerin bereits deshalb verneint werden, weil sie einem unzuverlässigen Dritten, namentlich ihrem Ehemann, einen Einfluss auf die Führung des Gaststättenbetriebes eingeräumt hat und auch nicht willens oder in der Lage war und ist, einen solchen Einfluss auszuschalten. Zwar ist nicht allein der Umstand ausreichend, dass der Gaststätteninhaber verheiratet ist und der Ehegatte seinerseits nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt, vielmehr müssen weitere Tatsachen vorliegen, welche den Schluss rechtfertigen, dass der unzuverlässige Ehegatte auf die Führung des Betriebes Einfluss nimmt bzw. genommen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 1996 - 1 B 202/95 - juris; OVG Schleswig, Beschluss vom 20. Dezember 2005 - 3 LA 84/05 -).Rn. 17
Solche Tatsachen liegen hier indes vor. Die in der Verwaltungsakte dokumentierten Feststellungen, insbesondere zum Verhalten und den Tätigkeiten des Ehemannes der Antragstellerin und dessen festgestellter Aufenthalte vor und in der Gaststätte sowie der Inhalt der bereits zitierten Vollmacht vom 12. April 2010 stellen solche Tatsachen dar. Es ist nichts dagegen zu erinnern, dass die Antragsgegnerin (auch) die mehrere Jahre zurückliegende Verurteilung des Ehemannes der Antragstellerin wegen Drogenhandels zur Begründung für dessen Unzuverlässigkeit herangezogen hat. Ob ein solches Verhalten berücksichtigt werden darf, richtet sich nach den §§ 51 und 52 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz - BZRG -). Bei getilgten oder zu tilgenden Verurteilungen darf dem Betroffenen im Rechtsverkehr eine solche Strafe grundsätzlich nicht mehr vorgehalten werden. Dies gilt allerdings nicht, wenn eine Tilgung noch nicht erfolgt ist. Wann eine Eintragung über eine Verurteilung zu tilgen ist, bestimmt sich nach den §§ 45 ff. BZRG. Nach § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG beträgt die entsprechende Frist bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren 15 Jahre. Demgemäß liefe diese Frist in Anbetracht der im Dezember 2002 rechtskräftig gewordenen Verurteilung des Ehemannes der Antragstellerin erst im Jahre 2017 ab und kann somit grundsätzlich bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit herangezogen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 1995 - 1 B 78/95 - ; VG Bremen, Urteil vom 21. April 2011 - 5 K 834/10 - beide juris). Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin zutreffend festgestellt, dass die Verurteilung wegen Drogenhandels auch einen (notwendigen) Zusammenhang mit der konkreten Gewerbeausübung, hier mit dem Gaststättenbetrieb, aufweist und das Verhalten des Ehemannes im Rahmen einer Gesamtwürdigung sich auch über einen längeren Zeitraum kontinuierlich bis in die Gegenwart hingezogen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 1995 aaO).Rn. 18
So wurde bei der polizeilichen Befragung am 31. Januar 2012 die Gaststätte „ Sansibar“ von den Mitgliedern der Hells Angels als ihr Clubhaus bezeichnet, des weiteren anlässlich einer Durchsuchung schusssichere Westen, Blankovordrucke für Aufnahmeanträge für die Hells Angels sowie ein Formular für Verfügungen im Sterbefall aufgefunden. Da somit die Gaststätte „Sansibar“ als Vereinslokal des Vereins Hells Angels MC, Charter A-Stadt, anzusehen ist, der Ehemann der Antragstellerin eine herausragende Stellung in diesem Verein innehat, der Verein inzwischen aufgrund zahlreicher ihm zuzurechnenden Straftaten verboten worden ist (vgl. Verfügung des Innenministeriums vom 18.Januar 2012) und sowohl er als auch seine Ehefrau es zugelassen haben, dass die Mitglieder des Vereins sich regelmäßig in der betreffenden Gaststätte bzw. in dem Hinterzimmer des Lokals getroffen haben und es nicht ausgeschlossen erscheint, dass sie dies - mit Billigung des Ehemannes der Antragstellerin - weiterhin tun, rechtfertigt sich letztlich die von der Antragsgegnerin angestellte Schlussfolgerung, dass der Ehemann der Antragstellerin es nicht vermocht hat, sich aus dem kriminellen Milieu zu lösen und zumindest die Verabredung von Straftaten geduldet hat und noch weiterhin dulden wird.Rn. 19
Nach allem ist deshalb davon auszugehen, dass die Antragstellerin als Gaststättenbetreiberin einem - unzuverlässigen - Dritten Einfluss auf die Führung des Betriebes eingeräumt oder sich nicht willens und in der Lage gezeigt hat, einen solchen Einfluss zu verhindern, obwohl nach den persönlichen Verhältnissen des Dritten, insbesondere seiner Charaktereigenschaften und nach Art und Grad des eingeräumten Einflusses ernsthafte Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Gewerbeausübung bestehen, es also wahrscheinlich ist, dass der Einfluss des Dritten sich in Rechtsverletzungen auswirken wird (vgl. dazu Michel/Kienzle/Pauli, aaO, § 4 Rdnr. 25).Rn. 20
Weiterhin hat die Antragsgegnerin die Widerrufsverfügung auch in rechtlich nicht zu beanstandender Art und Weise auf Gründe nach § 15 Abs. 3 Ziffer 1 GastG gestützt. Nach dieser Vorschrift kann die Gaststättenerlaubnis widerrufen werden, wenn der Gewerbetreibende oder sein Stellvertreter die Betriebsart, für welche die Erlaubnis erteilt worden ist, unbefugt ändert, andere als zugelassene Räume zum Betrieb verwendet oder nicht zugelassene Getränke oder Speisen verabreicht oder sonstige inhaltliche Beschränkungen der Erlaubnis nicht beachtet.Rn. 21
Nach den von der Antragstellerin eingereichten Unterlagen einschließlich des Grundrisses des Lokals befindet sich hinter dem eigentlichen Gastraum ein als „Abstellraum“ bezeichneter weiterer Raum. Nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin, die eindrucksvoll durch die in der Akte befindlichen Fotos belegt werden, ist dieser Raum jedoch nicht lediglich zum Abstellen, sondern als Gaststättenraum benutzt worden. Dafür spricht insbesondere, dass dieser Raum wohnlich mit Möbeln und Lautsprecherboxen eingerichtet ist. Insoweit wird auf die Lichtbilder auf den S. 118 ff. der Verwaltungsakte verwiesen. Danach ist dieser Raum zu einem Zweck verwendet worden, auf den sich die Erlaubnis nicht bezieht.Rn. 22
Dessen ungeachtet liegt auch ein Verstoß gegen das Rauchverbot nach dem Nichtraucherschutzgesetz (NRauchSchG SH) vor. Ausgenommen vom Rauchverbot sind nach § 2 Abs. 4 NRauchSchG SH nur Gaststätten mit einer Gastfläche von weniger als 75 qm, die keinen abgetrennten Nebenraum iSd Abs. 3 haben, zu denen Personen unter 18 Jahren der Zutritt verwehrt ist, und die keine zubereiteten Speisen anbieten. Die Gaststätte Sansibar als solche kann schon deshalb nicht als „Raucherkneipe“ gelten, weil es - wie dargelegt ? einen separaten Nebenraum gibt, der gaststättenrechtlich genutzt worden ist und der als Raucherraum hätte dienen können und müssen. Abgesehen davon, ist ein Rauchen im Gastraum der Gaststätte auch deshalb nicht erlaubt gewesen, weil dort - was ebenfalls durch die in der Akte befindlichen Fotos belegt wird (vgl. Bl. 110 der Verwaltungsakte) - Speisen, namentlich Buletten und Würstchen, angeboten wurden. Dass in der Gaststätte Speisen angeboten worden sind, wird letztlich auch belegt durch die in Papierform vorliegenden Internetausdrucke im sozialen Netzwerk „Facebook“ (Bl. 110 der Verwaltungsakte), in dem in einem Eintrag von „Frikadellen“ die Rede ist. Die Ausdrucke bzw. Eintragungen in „Facebook“, belegen darüber hinaus, dass offensichtlich auch Personen unter 18 Jahren der Zutritt erlaubt war (vgl. insbesondere Bl. 107 f. der Verwaltungsakte).Rn. 23
Demnach ist festzustellen, dass die Antragstellerin nicht nur unrichtige Angaben im Erlaubnisverfahren bezüglich der Räumlichkeiten gemacht hat, sondern auch ihre Pflicht nach § 4 S. 2 NRauchSchG SH verletzt hat, nach der sie verpflichtet gewesen wäre, Verstöße gegen das Rauchverbot zu verhindern.Rn. 24
Die Antragstellerin hat schließlich auch gegen ihre Pflicht nach § 14 Abs. 1 GewO verstoßen, nach der sie verpflichtet war, den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes bei Aufnahme der zuständigen Behörde anzuzeigen. Dies hat die Antragsgegnerin zutreffend in dem angefochtenen Bescheid ausgeführt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen.Rn. 25
Letztlich (und entscheidend) kommt hinzu, dass die Antragstellerin die Gaststätte „Sansibar“ fast ein Jahr lang ohne Erlaubnis betrieben hat. Die Kammer folgt der Einschätzung der Antragsgegnerin darin, dass ausweislich des Inhalts des im Internet veröffentlichten Gästebuches (vgl. Bl. 93, 96, 98, 101, 102, 104 und 105 der Verwaltungsakte) die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Antragstellerin die Gaststätte nicht erst mit (Vor-)Erlaubniserteilung (28. Februar 2011), sondern tatsächlich bereits wesentlich früher betrieben hat. Dafür spricht nicht zuletzt die ihrem Ehemann erteilte Vollmacht vom 12. April 2010 („... Vollmacht... meines Lokals „SANSIBAR“...“). Den Einwand der Antragstellerin, dass es sich diesbezüglich um ein Versehen handelt, die Vollmacht vielmehr erst im Jahre 2011 ausgestellt worden sei, hält die Kammer für eine Schutzbehauptung. Diese Einschätzung wird gestützt dadurch, dass die Antragsgegnerin - unwidersprochen - dargelegt hat, dass die Antragstellerin, als sie am 31. Januar 2012 zu dieser Vollmacht befragt worden ist, dem Datum nicht widersprochen, sondern ausdrücklich erklärt hat, ihren Ehemann deshalb bevollmächtigt zu haben, damit er Vorbereitungen für die Übernahme der Gaststätte treffen kann. Zutreffend hat die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Begriff „Vorbereitungen“ überhaupt keinen Sinn macht, wenn die Vollmacht erst nach Erlaubniserteilung, d. h. nach dem 28. Februar 2011, erteilt worden wäre. Vielmehr spricht gerade diese Einlassung der Antragstellerin dafür, dass die Vollmacht zu einem Zeitpunkt ausgestellt worden ist, als der Betrieb ihrer Gaststätte erst anlaufen sollte bzw. erst kurz angelaufen war. Dann muss die Vollmacht aber bereits zu dem in ihr genannten Datum erteilt worden sein.Rn. 26
Soweit die Antragsgegnerin Widerrufsgründe nach § 15 Abs. 3 GastG (hier Ziffer 1), welche in ihrem Ermessen liegen, zur Begründung des zwingenden Widerrufs nach Abs. 2 herangezogen hat, greift die Vorschrift des § 15 Abs. 2 GastG mit der Folge ein, dass die Erlaubnis zwingend zu widerrufen war. Lediglich anderenfalls, d. h. wenn der Verstoß gegen eine Vorschrift des Abs. 3 nicht nur zur Begründung des zwingenden Widerrufs nach Abs. 2 geltend gemacht werden soll, muss ihn die behördliche Entscheidung als gesonderten Widerrufsgrund anführen und erkennen lassen, dass sie Ermessen ausgeübt hat (Beschluss der Kammer vom 03. November 2005 - 12 B 69/05; Metzner, GastG, § 15 Rdnr. 13 mwN). Dies ist hier indes nicht der Fall.Rn. 27
Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist entsprechend § 80 Abs. 3 VwGO mit der Darlegung eines besonderen Sofortvollzugesinteresse, welches über das Interesse einer Grundverfügung selbst hinausgehen muss, ausreichend, wenn auch knapp, damit begründet worden, dass wegen der besonderen Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Ausgang eines evtl. Rechtsbehelfsverfahrens nicht abgewartet werden kann.Rn. 28
Auch die Schließungsverfügung ist auf der Grundlage des § 31 GastG iVm § 15 Abs. 2 GewO und § 230 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) rechtmäßig.Rn. 29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht folgt dabei den Vorgaben des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1367), hier Ziffer 54.1. iVm Ziffer 1.51.Rn. 30