VG München, Beschl. v. 12.04.2012 – M 23 S 12.734 – „Fahrtenbuchauflage bei Geschwindigkeitsüberschreitung um 29 km/h“
ZVR-Online Dok. Nr. 56/2012 – online seit 17.10.2012
§ 31a StVZO
Leitsatz der Redaktion
Eine Fahrtenbuchauflage ist bereits bei einem einmaligen Verstoß zulässig, wenn Verkehrsvorschriften in nennenswertem Umfang verletzt wurden. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die nach dem Bußgeldkatalog mit einer Geldbuße und mindestens einem Punkt im Verkehrszentralregister geahndet wird, ist ein solcher erheblicher Verstoß. Auf die Feststellung der näheren Umstände der Verkehrsordnungswidrigkeit kommt es dabei nicht an. | Rn. 1 |
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die mit Bescheid des Antragsgegners vom **. Januar 2012 für sofort vollziehbar erklärte Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs. | Rn. 2 |
Am **. September 2011 gegen ***** Uhr wurde mit einem Personenkraftwagen des Fabrikats BMW mit dem amtlichen Kennzeichen ****** ** auf der Bundesautobahn A ** (Richtung ******) bei Kilometer 2,894 die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h nach Abzug einer Messtoleranz von 4 km/h um 29 km/h überschritten. Zu diesem Zeitpunkt war die Antragstellerin aufgrund eines Leasingvertrags mit der BMW AG als Halterin des Personenkraftwagens im Fahrzeugregister der Zulassungsstelle des Landratsamts ********* eingetragen. | Rn. 3 |
Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde durch Messgerät und Frontfoto dokumentiert. Mit Schreiben vom **. Oktober 2011 versandte das Bayerische Polizeiverwaltungsamt an die Antragstellerin einen Zeugenfragebogen. Dieses Schreiben wurde von der Deutschen Post mit dem Vermerk „Empfänger/Firma unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ an das Bayerische Polizeiverwaltungsamt zurückgeschickt. | Rn. 4 |
Daraufhin bat das Bayerische Polizeiverwaltungsamt mit Schreiben vom **. Oktober 2011 die Polizeiinspektion *******, den verantwortlichen Fahrzeugführer/Halter und dessen derzeitigen Aufenthalt zu ermitteln. | Rn. 5 |
In ihrer Kurzmitteilung vom **. November 2011 teilte die Polizeiinspektion als Ermittlungsergebnis dem Bayerischen Verwaltungsamt folgendes mit:„Eine Nachschau in der ********* ****** ** ergab, dass dort die Firmeneigentümer der ****** **, Herr und Frau ****** wohnhaft sind, allerdings dort kein Briefkasten für die Firma ****** ** vorhanden ist. Firmensitz der ****** ** ist ********** * ** ***** *******. An der Wohnanschrift konnte allerdings bei mehrmaligen Nachschauen niemand angetroffen werden. Am **.11.2011 konnte bzw. wollte in der Firma dem Unterzeichner keiner der anwesenden Personen nach Belehrung Auskunft über die Fahrzeugführerin zur Tatzeit geben. Die anwesenden Personen scheiden als Fahrzeugführer aus. Es wurde gebeten, die Anhörung an die Firmenadresse zu übersenden. Man werde sich dann umgehend um die Angelegenheit kümmern. Die Firmeneigentümerin, Frau ******, dürfte als Fahrzeugführerin zur Tatzeit ausscheiden. Von Frau ****** konnte in der Firma ein an der Wand hängendes Bild in Augenschein genommen werden.“ | Rn. 6 |
Mit Fax vom **. November 2011 kam der von der Geschäftsführerin der Antragstellerin, Frau Dr. ******, unterzeichnete Zeugenfragebogen beim Bayerischen Polizeiverwaltungsamt in Rücklauf. Frau Dr. ****** gab an, sie wisse nicht, wer Fahrzeugführer zur Tatzeit gewesen sei, da mehrere Personen das Firmenfahrzeug nutzten und ferner, “Foto erkenne ich nicht..... ich war es nicht.“. | Rn. 7 |
Mit Schreiben des Bayerischen Polizeiverwaltungsamts vom **. November 2011 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass das Ordnungswidrigkeitenverfahren durch Verfügung vom selben Tage eingestellt worden sei. | Rn. 8 |
Mit Schreiben des Antragsgegners vom **. Januar 2012 wurde der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, sich zu der beabsichtigten Auferlegung eines Fahrtenbuchs zu äußern. In ihrer Äußerung vom **. Januar 2012 nannte Frau Dr. ****** gegenüber dem Landratsamt ********* als mögliche Fahrzeugführerin zum Tatzeitpunkt Frau ******** ********** ********* ****** ** ** ***** *******. | Rn. 9 |
Mit Bescheid vom **. Januar 2012 verfügte der Antragsgegner die streitgegenständliche Fahrtenbuchauflage einschließlich der Begleitverfügungen und ordnete die sofortige Vollziehung an. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen. | Rn. 10 |
Die Antragstellerin ließ mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 10. Februar 2012 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und mit weiterem Schriftsatz vom selben Tage beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom **. Januar 2012 wieder herzustellen bzw. anzuordnen. | Rn. 11 |
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Eine persönliche Befragung der Geschäftsführerin der Antragstellerin, Frau Dr. ******, unter Vorhalt der Originalbilder habe nicht stattgefunden. Die Polizei ******* habe lediglich in Abwesenheit von Frau Dr. ***** ****** und ohne vorherige Ankündigung mehrere Mitarbeiter in den Geschäftsräumen befragt. Mit Schreiben vom **. Januar 2012 an das Landratsamt ********* habe Frau Dr. ****** mitgeteilt, dass zum Tatzeitpunkt Frau ******** ********* Fahrzeugführerin gewesen sein könne. Darüber hinaus habe sich das Fahrzeug zu keinem Zeitpunkt im Eigentum der Antragstellerin befunden. Es habe sich um ein Leasingfahrzeug der BMW AG gehandelt. Der Leasingvertrag sei am **. Januar 2012 ausgelaufen. Das Fahrzeug befinde sich nicht mehr in der Verfügungsgewalt der Antragstellerin. Nr. 2. des angegriffenen Bescheids, wonach die Anordnung der Fahrtenbuchauflage im Falle des Verkaufs, der Verschrottung oder Stilllegung des Kraftfahrzeugs auf ein Ersatzfahrzeug übergehe, greife vorliegend nicht. Die Antragstellerin habe das Fahrzeug weder verkauft, noch verschrottet oder stillgelegt. Die Behörde habe außerdem gegen ihre Beschleunigungspflicht verstoßen. Zwischen dem Tattag und der Vernehmung mehrerer Personen durch die Polizei lägen mehr als 7 Wochen. Der Antragsgegner könne sich auch nicht darauf berufen, dass dem Anhörungsbogen die Kopie eines Lichtbilds beigefügt gewesen sei. Denn die dermaßen schlechte Qualität der Kopie habe eine Identifizierung der Fahrerin durch Frau Dr. ****** nicht ermöglicht. Die Geschäftsführerin der Antragstellerin sei im Übrigen jederzeit für telefonische Rücksprachen erreichbar gewesen. Sie habe in früheren Bußgeldverfahren stets mit dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt kooperiert. Lediglich im Falle der vermeintlichen Ordnungswidrigkeit vom **. September 2011 sei dies aus Gründen gescheitert, die nicht im Verantwortungsbereich der Antragstellerin, sondern in der unzureichenden Ermittlungstätigkeit seitens der Polizei lägen. | Rn. 12 |
Mit Schreiben des Landratsamts ********* vom *. März 2011 beantragte der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen. | Rn. 13 |
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen: Das auf der Anhörung vom **. Oktober 2011 abgedruckte Frontfoto sei von so guter Qualität gewesen, dass die Fahrerin hätte erkannt werden können. Schon deshalb sei die angesprochene Überschreitung der Zweiwochenfrist unschädlich. Darüber hinaus könne unterstellt werden, dass ein Wirtschaftsbetrieb grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage sei, Geschäftsfahrten usw. zu rekonstruieren. | Rn. 14 |
Mit Beschluss des Gerichts vom 21. März 2012 wurde das Verfahren gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. | Rn. 15 |
Ergänzend wird auf die Gerichts- sowie die beigezogenen Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog). | Rn. 16 |
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. | Rn. 17 |
Das besondere öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung der angeordneten Verpflichtung, ein Fahrtenbuch zu führen, überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Insbesondere wird die Klage nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich erfolglos bleiben. | Rn. 18 |
Da es sich hier um einen Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO handelt, hat das Gericht zunächst die Anordnung der sofortigen Vollziehung auf ihre formelle Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. § 31a StVZO gehört zu den Vorschriften, bei denen zur Abwehr von Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter, nämlich die Ordnung und Sicherheit im Straßenverkehr, das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammenfällt und sich die Abwägung zwischen den beteiligten Interessen im wesentlichen auf die Prüfung beschränkt, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich ist als im Normalfall (vgl. BayVGH vom 17. 7. 2002 - 11 CS 02.1320 - juris; vom 15. 4. 1999 - 11 ZS 98.3283 - juris). Ein Ausnahmefall im Sinne dieser Rechtsprechung liegt hier jedoch nicht vor. Denn die Regelung des § 31 a StVZO knüpft daran an, dass der verantwortliche Fahrer bei der Begehung des Verkehrsverstoßes anonym geblieben ist (BayVGH vom 15.4.1999 - 11 CS 98.3283 - juris). Entscheidend ist, dass ein unbekannter Dritter das Fahrzeug gelenkt hat und die Nichtaufklärbarkeit der Ordnungswidrigkeit deswegen eine typische, den Sofortvollzug rechtfertigende Fallgestaltung darstellt. Den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO ist hier außerdem genügt. Der Antragsgegner hat genügend einzelfallbezogen ausgeführt, dass das Interesse der Antragstellerin nach Abwägung hinter dem öffentlichen Interesse an der effektiven Gefahrenabwehr für Verkehrsteilnehmer zurückstehen müsse. | Rn. 19 |
Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trifft das Gericht sodann auf Grund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 80 Rdnr. 83) eine eigene - originäre - Ermessensentscheidung (statt aller: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 80 Rdnr. 146) darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind: Die, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts, oder die, welche für die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sprechen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht als alleiniges Indiz für und gegen den gestellten Antrag zu berücksichtigen (z.B. BVerwG vom 25. 3. 1993 NJW 1993, 3213; BayVGH vom 29. 8. 1987 BayVBl 1988, 406; VGH Mannheim vom 22. 2. 1991 NVwZ-RR 1991, 409 = VBlBW 1991, 300; Schmidt in Eyermann, § 80 Rdnr. 72 ff.). Sind die Erfolgsaussichten als offen zu beurteilen, findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (Schmidt in Eyermann, § 80 RdNrn. 78/80). | Rn. 20 |
Vorliegend überwiegt das besondere öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung der angeordneten Verpflichtung, ein Fahrtenbuch zu führen, das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom **. Januar 2012. | Rn. 21 |
Nach § 31a Abs. 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, ist eine Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs. Mit ihr soll in Ergänzung der Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht der §§ 1, 8 ff. FZV dafür Sorge getragen werden, dass anders als in dem Fall, der Anlass zur Auferlegung eines Fahrtenbuchs gegeben hat, künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist (vgl. BVerwG vom 28. 2. 1964 BVerwGE 18, 107 = NJW 1964, 1384; vom 12. 2. 1980 Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 7). | Rn. 22 |
Diese Voraussetzungen sind für den Erlass der streitgegenständlichen Fahrtenbuchauflage erfüllt. | Rn. 23 |
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin setzt die Haltereigenschaft nicht die Eigentumserlangung an einem Fahrzeug voraus. Entscheidend ist, wer tatsächlich, vornehmlich wirtschaftlich, über die Fahrzeugbenutzung (als Gefahrenquelle) so verfügen kann, wie es dem Wesen der Veranlasserhaftung entspricht (BGH vom 3.12.1991 NZV 92,145 - 147). Die Verfügungsgewalt besteht darin, dass der Fahrzeugnutzer - wie vorliegend die Antragstellerin - Anlass, Ziel und Zeit seiner Fahrten bestimmt. | Rn. 24 |
Materiell - rechtlich setzt die Fahrtenbuchauflage weiter voraus, dass Verkehrsvorschriften in nennenswertem Umfang verletzt worden sind. Schon bei einem einmaligen Verstoß ist die Auflage zulässig, wenn es sich um einen nicht unwesentlichen Verstoß handelt, der sich verkehrsgefährdend auswirken kann. | Rn. 25 |
Die Verkehrsordnungswidrigkeit in Gestalt der am **. September 2011 erfolgten Geschwindigkeitsüberschreitung wäre nach dem Bußgeldkatalog mit einer Geldbuße von 80,-- EUR (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BKatV i.V.m. Bußgeldkatalog Nr. 11.3.5 Tabelle 1 des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage zur BKatV) und drei Punkten im Verkehrszentralregister geahndet worden (Nr. 5.4 der Anlage 13 zu § 40 der Verordnung über die Zulassung von Personen im Straßenverkehr-Fahrerlaubnis-Verordnung, FeV). Mithin liegt ein erheblicher Verstoß vor. | Rn. 26 |
Grundsätzlich reicht bereits ein lediglich mit einem Punkt bewerteter Verkehrsverstoß für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage aus, ohne dass es auf die Feststellung der näheren Umstände der Verkehrsordnungswidrigkeit ankommt (BVerwG BayVBl 2000, 380). Abgesehen davon ist - wie oben ausgeführt - der Verstoß nicht als geringfügig anzusehen. | Rn. 27 |
In einem solchen Fall entspricht es, wenn die Feststellung des Täters nicht möglich war, stets der Ausübung pflichtgemäßen behördlichen Ermessens, dem Halter des Kraftfahrzeugs die Führung eines Fahrtenbuchs aufzuerlegen. | Rn. 28 |
Die Feststellung des Fahrzeugführers durch die Polizei war nicht möglich. Die in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO geforderte Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers liegt vor, wenn die Polizei nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie angemessene und zumutbare Maßnahmen ergriffen hat (BVerwG vom 21. 10. 1987 Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 18; VGH Mannheim vom 18. 6. 1991 NJW 1992, 132 = DAR 1991, 433). Dies ist hier zu bejahen. | Rn. 29 |
Zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand gehört zunächst grundsätzlich die unverzügliche, d.h. innerhalb von zwei Wochen erfolgte Benachrichtigung des Fahrzeughalters von der mit seinem Fahrzeug begangenen Zuwiderhandlung (erstmals BVerwG vom 13. 10. 1978 NJW 1979, 1054 = Buchholz 442.16, § 31a StVZO Nr. 5; vom 25. 6. 1987 Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 17). Dass die Zweiwochenfrist deutlich überschritten worden, schadet hier jedoch nicht. Die Zweiwochenfrist ist kein formales Tatbestandskriterium der gesetzlichen Regelung und keine starre Grenze. Sie beruht vielmehr auf dem Erfahrungssatz, wonach Personen Vorgänge nur einen begrenzten Zeitraum erinnerbar oder noch rekonstruierbar sind. Die Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist ist unschädlich in den Fällen, in denen wegen vom Regelfall abweichender Fallgestaltung auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt oder die Überschreitung des Zeitrahmens nicht ursächlich gewesen sein konnte für die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ist demzufolge von einer Nichtgeltung der Zweiwochenfrist dann auszugehen, wenn ein Kaufmann im Sinne des Handelsrechts Halter des Fahrzeugs ist. Dieser ist nämlich etwa nach §§ 238 Abs. 1, 257 HGB verpflichtet, Bücher zu führen und aufzubewahren, aus denen sich Geschäftsvorfälle „in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen“. Daraus ergibt sich zwar keine unmittelbare Pflicht, Fahrtenbücher oder Einsatzpläne vorzuhalten. Doch entspricht es unabhängig von der Reichweite dieser Vorschriften sachgerechtem kaufmännischem Verhalten, Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren. Es liegt schon im kaufmännischen Eigeninteresse, Vorkehrungen gegen eine missbräuchliche Verwendung der Fahrzeuge zu treffen oder in Schadensfällen Ersatzansprüche belegen zu können. Es kann deshalb unterstellt werden, dass ein Wirtschaftsbetrieb grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage ist, Fahrten nach seinen Büchern in Verbindung mit Belegmappen, Einsatzplänen oder Ähnlichem zu rekonstruieren, um den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen. Dies gilt hier insbesondere für die Antragstellerin, welche als GmbH nach § 6 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3 GmbHG Formkaufmann und damit buchführungspflichtig ist und deren Geschäftsführer verpflichtet ist, für die ordnungsgemäße Buchführung der Gesellschaft zu sorgen (§ 41 GmbHG). Auch auf die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage der Fotoqualität kommt es daher nicht an. | Rn. 30 |
Der Umfang der Ermittlungstätigkeit richtet sich im Übrigen danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei darf die Behörde ihre Ermittlungstätigkeit an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten und regelmäßig auf zeitraubende, kaum Erfolg versprechende weitere Aufklärungsmaßnahmen verzichten, wenn der Fahrzeughalter nicht fähig oder nicht willens ist, an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes mitzuwirken (st. Rspr., BVerwG vom 1. 3. 1994 VRS 88, 158 m.w.N.). | Rn. 31 |
Die Antragstellerin hat keine Angaben zur Sache gemacht. Damit waren weitere Ermittlungen nicht veranlasst, zumal es der Antragstellerin oblegen hätte, die notwendigen Aufzeichnungen zur Feststellung des Fahrers zu führen. Bei Verstößen gegen straßenverkehrsrechtlich relevante Vorschriften ist es nicht Aufgabe der ermittelnden Behörden, innerbetrieblichen Vorgängen nachzuspüren, denen die Geschäftsleitung weitaus näher steht. Es fällt in die betriebliche Verantwortungssphäre - wie oben ausgeführt - von vornherein die Maßnahmen zu ergreifen, damit festgestellt werden kann, welche Person zu welchem Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat. Die nicht gegebene Feststellbarkeit des Fahrzeuglenkers ist mithin nicht den Aufklärungsversuchen der Polizei, sondern allein der Antragstellerin anzulasten. Dass sie gegenüber dem Landratsamt ********* den Namen der möglichen Fahrerin genannt hat, ist unerheblich. Die Mitwirkungserfordernisse der Antragstellerin wurden hierdurch nicht erfüllt. Die Mitwirkung muss bis zum Eintritt der dreimonatigen Verfolgungsverjährung (§§ 26 Abs. 3, 24 StVG) erfolgt sein. Eine Fahrerbenennung danach hilft dem Halter nicht (vgl. BayVGH vom 6.10.1997 NZV 98, 88). Eine Fahrtenbuchauflage ist deshalb selbst dann zulässig, wenn der Fahrzeuglenker nach eingetretener Verjährung bekannt geworden ist. Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - nur Name und Anschrift des möglicherweise verantwortlichen Fahrzeuglenkers nach Eintritt der Verfolgungsverjährung angegeben werden. | Rn. 32 |
Bei Eingang des Schreibens der Antragstellerin vom **. Januar 2012 beim Landratsamt ********* am **. Januar 2012, in dem der Name der in Betracht kommenden Fahrerin genannt wurde, war die begangene Ordnungswidrigkeit bereits verjährt. Daher konnte die Namensnennung durch Frau Dr. ****** das Mitwirkungserfordernis der Antragstellerin nicht mehr erfüllen. Die Antragstellerin kann sich demnach nicht mit Erfolg darauf berufen, ihrer Mitwirkungspflicht entsprochen zu haben. | Rn. 33 |
Die Fahrtenbuchauflage hat sich im Übrigen nicht dadurch erledigt, dass der Leasingvertrag mit der BMW AG - wie die Antragstellerin vortragen lässt - zum **. Januar 2012 beendet war und sie deswegen nicht mehr im Besitz des Wagens ist. Denn der Antragsgegner kann im Falle der Abmeldung eines Fahrzeugs bei der Zulassungsstelle dann ein Ersatzfahrzeug bestimmen (§ 31 a Abs. 1 Satz 2 StVZO). Dass die Antragstellerin über kein Fahrzeug mehr verfügt bzw. verfügen wird, ist nicht vorgetragen worden. | Rn. 34 |
Auch die Ermessensausübung, die in den durch § 114 Satz 1 VwGO gezogenen Grenzen zu überprüfen war, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere verstößt die Auferlegung eines Fahrtenbuchs vorliegend nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. | Rn. 35 |
Durch die Fahrtenbuchauflage soll der Fahrzeughalter zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes angehalten werden. Um dies effektiv zu erreichen, ist eine gewisse Dauer der Führung des Fahrtenbuchs erforderlich. Die Dauer der Fahrtenbuchanordnung von einem halben Jahr rechtfertigt sich ohne Weiteres angesichts des vorliegenden Verstoßes und ist insoweit auch nicht unverhältnismäßig. Nach allgemeiner Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung rechtfertigt bereits die erstmalige Begehung einer nach dem sog. Punktsystem gemäß § 40 FeV nur mit einem Punkt bewerteten Verkehrsordnungswidrigkeit schon die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von sechs Monaten, ohne dass es darauf ankommt, ob im Einzelfall Umstände vorliegen, welche die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes erhöhen (BVerwG vom 17. 5. 1995 BVerwGE 98, 227; VGH Mannheim vom 16. 4. 1999 NZV 1999, 396). Bei der vorliegenden Geschwindigkeitsüberschreitung von 29 km/h begegnet die Auferlegung eines Fahrtenbuchs für die Dauer eines halben Jahres keinen Bedenken. | Rn. 36 |
Die Zwangsgeldandrohung gemäß Art. 19 Abs. 2 Nr. 2, 29, 31, 36 BayVwZVG ist nicht zu beanstanden. Auch unterliegen die Anordnungen der Vorlage- und Aufbewahrungspflicht gemäß § 31 a Abs. 2 StVZO keinen Bedenken. | Rn. 37 |
Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. | Rn. 38 |
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG und berücksichtigt die Empfehlungen im Streitwertkatalog 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004,1327). | Rn. 39 |