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Alexander Seidl*: Rezension – Kirchhoff, Europa und Polizei, 2012

ZVR-Online Dok. Nr. 5/2012 - online seit 02.05.2012

Kirchhoff, Guido
Europa und Polizei, Lehrbuch zum Europarecht. Auswirkungen auf die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung
Boorberg Verlag
Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden, 2012
269 Seiten
28,80 €
ISBN 978-3-415-04772-3

Der Autor will mit dem Lehrbuch "Europa und Polizei", das 2012 erstmals erschienen ist, ein Europarechtslehrbuch für die Polizei zur Verfügung stellen. Dieses Werk soll es Polizisten ermöglichen, sich einen Überblick über das europäische Recht zu verschaffen, soweit dies für polizeiliche Sachverhalte – und zwar nicht nur für solche mit grenzüberschreitendem Bezug – relevant ist. Das vorliegende Buch soll zudem den Studierenden an den Hochschulen der Polizei als vorlesungsbegleitendes Lehrbuch dienen, weshalb ausgewählte Fragen, bei denen es dem Praktiker in der Regel allein auf das Ergebnis ankommen wird, sowie besonders prüfungsrelevante Bereiche (z.B. die Auswirkungen der EMRK) ausführlicher dargestellt sind.Rn. 1
Diesen selbst gesteckten Zielen wird das Werk durchaus gerecht. Das von Prof. Dr. Guido Kirchhoff, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften (Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel), verfasste Buch gliedert sich dazu in 14 Kapitel, die die polizeirechtsrelevanten Bereiche des Europarechts in sämtlichen Facetten abdecken.Rn. 2
Kapitel A. erläutert die Begriffe „Europarecht“ und „Europäisches Polizei- und Strafprozessrecht“. In Kapitel B. werden der Europarat und in umfassender Weise die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) dargestellt. Der Autor geht in diesem Abschnitt auch auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und weitere Konventionen und Abkommen des Europarates ein. Kapitel C. gibt einen Überblick über die Entstehung der Europäischen Union. Dabei wird zwischen der Rechtslage vor und nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon unterschieden, wobei der Autor bei der Rechtlage vor dem Vertrag von Lissabon insbesondere auf das Drei-Säulen-Modell und bei der Rechtlage nach dem Vertrag von Lissabon vor allem auf die aktuelle Rechtsnatur der EU und die weiteren Neuerungen eingeht. Kapitel D. behandelt das „Unionsrecht und nationales Recht“. Der Verfasser behandelt dabei zunächst den Anwendungsvorrang, diskutiert dann die Nichtanwendungs- oder Normverwerfungsbefugnis der Exekutive, erklärt die Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung, der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit und geht schließlich auf die Übertragung von Hoheitsrechten im Grundgesetz ein. Relativ ausführlich erklärt der Autor in Kapitel E. die Organe und Rechtsetzung in der Europäischen Union. Einen weiteren Schwerpunkt stellt Kapitel F. dar, in dem die (Grund-)Rechte und Grundfreiheiten in der Europäischen Union erläutert werden. Der Autor stellt insbesondere die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf die Gefahrenabwehr und die Strafverfolgung dar. Kapitel G. und H. befassen sich mit der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie mit dem „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, vgl. Art. 3 Abs. 2 EUV. Die Kapitel I. und J. gehen auf die polizeiliche Zusammenarbeit, insbesondere auf Europol, und auf die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen ein. Hier wird unter anderem Eurojust behandelt. Kapitel K. beschäftigt sich mit den europarechtlichen Auswirkungen auf das Strafrecht, während Kapitel L. einen Überblick über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen bietet. Kapitel M stellt das Wesentliche des Schengener Regelwerks vor. Das Werk schließt mit Ausführungen zum Vertrag von Prüm.Rn. 3
Der Autor wirft die jeweiligen Problemstellungen präzise auf und handelt sie auf den Leserkreis zugeschnitten, detailliert ab. Die Darstellungen im „Kirchhoff“ liefern dem Leser fundierte Antworten und überzeugen durch ihren klaren Aufbau und die ausgesprochen gute Lesbarkeit, die auch auf die geordnete Untergliederung zurückzuführen ist. Durch die Erfahrungen des Autors in der Lehre gelingt ihm eine didaktisch besonders gut aufbereitete, leicht verständliche Darstellung der verschiedenen Problemstellungen, die zusätzlich durch viele Beispiele veranschaulicht wird. In den Text sind teilweise erklärende Grafiken eingebettet, die zusätzlich zu einem besseren Verständnis und schnelleren Begreifen des vermittelten Wissens führen. Als besonders wertvoll hervorzuheben sind die jedem Kapitel, bzw. teilweise auch Unterkapiteln angehängten Lernkontrollfragen, die den Leser zu einem Rekapitulieren des gelesenen (Unter-)Kapitels einladen. Wünschenswert wäre es, dass der Autor vor den einzelnen Kapiteln eine kurze Sammlung der wichtigsten, zu dem jeweiligen Themengebiet ergangenen Literatur integrieren würde, wie dies auch bei anderen Lehr- oder Arbeitsbüchern häufig der Fall ist, um eine vertiefte Beschäftigung mit einzelnen Fragestellungen zu ermöglichen. Abgefedert wird dieses kleinere Manko jedoch durch umfassende Fußnoten. Das vorhandende Literaturverzeichnis erscheint als ausreichend; das Inhaltsverzeichnis ist ausführlich und zugleich übersichtlich.Rn. 4
Der Autor bedient sich eines gut verständlichen Sprachstils. Auf unnötige wissenschaftliche Streitstandserörterungen oder Diskussionen wird bewusst verzichtet. Durch klare Untergliederungen, die gut nachvollziehbare Struktur und die kurz gehaltenen Absätze wird eine hohe Lesbarkeit erreicht. Inhaltlich handelt es sich um ein überzeugendes Werk, das die Grundlage für eine solide Einarbeitung in die für den Polizeibereich erforderlichen Bereiche des Europarechts bereitet.Rn. 5
Die Prägnanz der Erläuterungen, die verständliche Formulierung und die Auswahl an Vertiefungshinweisen belegen, dass das Studien- und Lehrbuch in hohem Maße praxisgerecht und praxistauglich ist. Es werden vor allem die Probleme behandelt, die die polizeiliche Praxis bestimmen bzw. für das polizeiliche Hochschulstudium relevant sind.Rn. 6
Der Autor betritt mit diesem Buch ein teilweise noch wenig erschlossenes Neuland. Lehrbücher zum Europarecht gibt es viele, aber ein derart auf die polizeiliche Praxis und das polizeiliche Studium zugeschnittenes Werk gab es bislang noch nicht. Das Studien- und Lehrbuch kann aber nicht nur allen Auszubildenden und Praktikern bei der Polizei nachdrücklich empfohlen werden, sondern auch der (Polizeirechts-)Wissenschaft, insbesondere als Ausgangspunkt für eine vertiefende Befassung mit einzelnen Themen, ans Herz gelegt werden.Rn. 7
Fußnoten

* Ass. iur. Alexander Seidl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht (Prof. Dr. Heckmann), Universität Passau, sowie Mediator (CVM).