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Alexander Seidl*: Rezension - Welsch/Bayer, Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG), 2012

ZVR-Online Dok. Nr. 33/2012 – online seit 29.08.2012

Welsch, Harald/ Bayer, Werner
Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG)
Richard Boorberg Verlag
Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 2012
17,80 €
ISBN 978-3-415-04605-4

Das Versammlungsrecht war bis zum Inkrafttreten der Föderalismusreform I im Jahr 2006 einfachgesetzlich im Versammlungsgesetz des Bundes (VersammlG) geregelt. Durch die Reform ging die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht vom Bund auf die Länder über. Der Freistaat Bayern hat im Jahr 2008 als erstes Bundesland ein landesrechtliches Versammlungsgesetz, das Bayerische Versammlungsgesetz (BayVersG), erlassen. In der Zwischenzeit sind weitere Bundesländer (z.B. Sachsen und Sachsen-Anhalt) diesem Beispiel gefolgt. In den anderen Bundesländern gilt gem. Art. 125a Abs. 1 GG das Bundesrecht bis zu einer landesrechtlichen Ersetzung fort.Rn. 1
Das BayVersG war von Anfang an heftiger Kritik ausgesetzt und wurde wegen seiner im Vergleich zum VersammlG zum Teil strengeren Vorschriften beispielsweise als „inakzeptabler Eingriff in die Versammlungsfreiheit“, „Bürger-Kontrollgesetz“ sowie „monströser und polizeistaatlicher Anschlag auf die Demokratie“ bezeichnet.[1] Auf eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) reagierte der bayerische Gesetzgeber mit einer Gesetzesänderung des BayVersG.[2] Durch die Neuregelungen trägt das BayVersG den Bedenken des BVerfG und des BayVGH nunmehr weitestgehend Rechnung, bleibt dabei sogar teilweise hinter den Regelungen des VersammlG zurück.[3]Rn. 2
Die beiden Autoren wollen mit ihrem Werk primär einen Leitfaden für Versammlungsbehörden und die Polizei schaffen, die mit dem BayVersG täglich betraut sind. Die vorliegende Monographie soll prägnant auf die wesentlichen Fragen der Praxis eingehen. „Diesem Ziel entsprechend löst es [das Werk] sich bereits im Aufbau von der Gesetzessystematik und orientiert sich stattdessen an den in der versammlungsbehördlichen und polizeilichen Praxis üblichen Verfahrensschritten.“[4]Rn. 3
Diesem selbst gesteckten Ziel wird das Werk durchaus gerecht. Die Autoren Harald Welsch, Ministerialrat im Bayerischen Staatsministerium des Innern, und Werner Bayer, Polizeidirektor und Leiter der Polizeiinspektion Augsburg Mitte, werfen die jeweiligen Problemfelder präzise auf und handeln sie praxisorientiert und dennoch mit dem erforderlichen Tiefgang an den wesentlichen Stellen ab.Rn. 4
Das Buch gliedert sich hierzu in drei Teile: Die Teile A und B, die der Verfasser Welsch verantwortet, behandeln knapp die Entstehungsgeschichte und die Hintergründe des BayVersG sowie umfassend die versammlungsbehördliche Praxis. Teil C, der vom Autor Bayer verfasst wurde, befasst sich ausführlich mit der polizeilichen Praxis des Versammlungsrechts. Die einzelnen Teile stehen dabei nicht isoliert nebeneinander, sondern bauen aufeinander auf und ergänzen sich; sie sind aber zugleich so voneinander unabhängig, dass sie auch isoliert nutzbar sind.Rn. 5
Die Darstellungen im „Welsch/Bayer“ liefern dem Leser fundierte Antworten und überzeugen durch ihren klaren Aufbau und die ausgesprochen gute Lesbarkeit, die auch auf die geordnete Untergliederung zurückzuführen ist.Durch die Erfahrungen der Autoren in der Lehre, insbesondere des Autors Bayer, gelingt ihnen eine didaktisch besonders gut aufbereitete, leicht verständliche Darstellungsform der verschiedenen Problemstellungen.Rn. 6
Die Autoren greifen zum Teil ganz aktuelle Fragestellungen des Versammlungsrechts auf. So gehen sie beispielsweise in Rn. 28 auf die zur Zeit modernen „flashmobs“ oder in Rn. 239 auf die „Guy-Fawkes“-Masken, die jüngst bei Versammlungen der Occupy- und Anonymous-Bewegung Verwendung fanden, ein. Andere gegenwärtige Problemschwerpunkte des Versammlungsrechts werden hingegen leider nicht oder viel zu knapp abgehandelt,so z.B. die Problematiken der sog. „Gefährderanschreiben“ bzw. „Gefährderansprachen“[5], der Videoüberwachung von Versammlungen[6] und das Phänomen der „Clowns-Armee“[7].Rn. 7
Die Länge der Erläuterungen, die verständliche Formulierung und die Veranschaulichung mittels zahlreicher Beispiele, erläuternder Hinweise und Schaubilder im Teil C belegen, dass das Werk in hohem Maße der didaktischen Aufbereitung des behandelten Stoffes dient, gleichzeitig aber auch praxisgerecht und praxistauglich ist. Es werden – unter Einarbeitung der wichtigsten Judikatur – vor allem gerade die Probleme behandelt, die den verwaltungsbehördlichen und polizeilichen Alltag im Hinblick auf das Versammlungsrecht bestimmen.Rn. 8
Auch wenn die Autoren im Vorwort darauf hinweisen, dass versammlungsrechtliche Literatur bewusst nur dort angegeben ist, wo sie für die Praxis entscheidende, weiterführende Hilfestellung gibt, wäre es vorteilhaft vor den einzelnen Teilen bzw. Unterkapiteln eine Übersicht der zu dem jeweiligen Themengebiet ergangenen Literatur einzufügen, wie dies auch bei anderen Lehr- oder Arbeitsbüchern häufig der Fall ist, um bei Bedarf eine vertiefte Beschäftigung mit einzelnen Fragestellungen zu ermöglichen.Rn. 9
Das Werk ist vor allem Praktikern zu empfehlen, die sich erstmals mit der Materie des Versammlungsrechts und insbesondere des BayVersG beschäftigen, z.B. angehenden Verwaltungsfachwirten und Polizeibeamten, aber auch denjenigen, die ihr Wissen in diesem Themenkomplex auffrischen oder überblicksmäßig etwas nachschlagen wollen.Rn. 10
Fußnoten

* Ass. iur. Alexander Seidl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Mediator (CVM), Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht, Universität Passau.

[1]Heckmann, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, 5. Aufl. 2011, 3. Teil Rn. 516c.
[2]Vertiefend vgl. Heckmann, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, 5. Aufl. 2011, 3. Teil Rn. 516c.
[3]Holzner, BayVBl 2009, 485.
[4]Welsch/Bayer, Bayerisches Versammlungsgesetz, 2012, S. 5.
[5]Vgl. hierzu Heckmann, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, 5. Aufl. 2011, 3. Teil Rn. 531.
[6]Zur Eingriffsqualität der Videoübertragung nach dem Kamera-Monitor-Prinzip vgl. OVG Münster, Beschl. v. 23.11.2010 – 5 A 2288/09; vgl. auch. Brenneisen/Wilksen/Staack/Petersen/Martins, Die Polizei 2012, 89, 93.
[7]Vgl. hierzu Brenneisen/Wilksen/Staack/Petersen/Martins, Die Polizei 2012, 121, 123.