Die Klage ist zulässig. | Rn. 13 |
Sie ist als allgemeine Leistungsklage in Form einer Unterlassungsklage im vorliegenden Kommunalverfassungsstreit statthaft. Es ist allgemein anerkannt, dass in Kommunalverfassungsstreitigkeiten sowohl die allgemeine Unterlassungsklage als auch die Feststellungsklage ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten bieten, um sich als Mitglied eines Stadtrates insbesondere gegen den Ausschluss von einer Sitzung zu wehren (BVerwG; Beschluss vom 7. März 1980 - 7 B 58/79 - zitiert nach juris; ThürOVG, Beschluss vom 30. September 1999 - 2 EO 790/98 - DVBl. 2000, 935, zitiert nach juris, Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Auflage 2012, Rdnr. 436). Die beiden Klagen stehen im Verhältnis dergestalt zueinander, dass die Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage grundsätzlich subsidiär ist. Die Statthaftigkeit der Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage ist aber vorliegend auch deshalb gegeben, weil der Kläger nicht etwa die Rechtswidrigkeit eines Beschlusses des Beklagten festgestellt wissen will, der ihn von einer Stadtratssitzung ausschloss. Denn ein solcher Beschluss gemäß § 41 Satz 2 ThürKO wurde vorliegend ausweislich der vom Beklagten vorgelegten und in der mündlichen Verhandlung gezeigten Fernsehaufzeichnung, die den betreffenden Teil der Stadtratssitzung wiedergibt, nicht gefasst. Der Beklagte hat auch nicht in anderer Form den Kläger von der Sitzung des Beklagten ausgeschlossen und folglich keine gerichtlich überprüfbare Maßnahme gegenüber dem Kläger getroffen, die im Wege der Feststellungsklage überprüft werden könnte. Vielmehr befürchtet der Kläger auf Grund des Vorfalls in der Sitzung des Stadtrats am 6. Oktober 2011 zukünftig von Stadtratssitzungen ausgeschlossen zu werden, sofern er Kleidung der Marke "Thor Steinar" als Mitglied des Stadtrates trägt und begehrt für diesen Fall die Verurteilung des Beklagten, ein Verbot zum Tragen von Kleidung der betreffenden Modemarke in zukünftigen Stadtratssitzung und einen hausrechtlichen Sitzungsverweis zu unterlassen. Dieses in die Zukunft gerichtete Begehren ist im Wege der allgemeinen Leistungsklage und nicht durch eine Feststellungsklage zu verfolgen. | Rn. 14 |
Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt dem Kläger für eine solche Klage nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Kläger ist grundsätzlich nicht gehalten, einen Ausschluss von der Stadtratssitzung abzuwarten, um dann gegen einen solchen Ausschluss vorzugehen. | Rn. 15 |
Dies gilt ohne Weiteres jedenfalls dann, wenn ein solcher Ausschluss bloß angedroht wurde, aber noch nicht erfolgt ist bzw. der Betroffene mit einem solchen Ausschluss auf Grund eines konkreten Vorfalls zu rechnen hat (BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2006 - 2 BvR 677/05 - NJW 2007, 56, zitiert nach juris; VG Neustadt, Urteil vom 8. März 2007 - 4 K 1881/06.NW - zitiert nach juris). Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte dem Kläger zwar keinen Ausschluss wegen seiner Kleidung angedroht, sondern nur wegen seiner Wortmeldung außerhalb einer Debatte im Zusammenhang mit der Ausübung des Hausrechts durch den Ratsvorsitzenden gegenüber zwei Zuhörern, von denen einer entsprechende Kleidung der hier in Rede stehenden Marke trug. Allerdings weist der Beklagte in seinem Prozessvorbringen darauf hin, dass der Kläger durch das Tragen einer Jacke der Marke "Thor Steinar" die Sitzungsordnung gestört habe. Ferner räumt der Beklagte ausdrücklich die von dem Kläger behauptete Wiederholungsgefahr ein, bei nochmaligem Tragen einer solchen Jacke notfalls aus dem Sitzungssaal verwiesen zu werden. Insoweit räumt auch der Beklagte ein, dass der Vorsitzende unter solchen Umständen entsprechende Ordnungsmaßnahmen gegenüber dem Kläger ergreifen werde und dies nur deshalb unterblieben sei, weil der Kläger den Saal freiwillig verlassen habe. Folglich führt es nicht weiter, dass der Beklagte dem Kläger wegen seines freiwilligen Verlassens des Sitzungssaals das Rechtsschutzinteresse abspricht. | Rn. 16 |
Dem Kläger kann wegen des in die Zukunft gerichteten Begehrens das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis auch nicht unter dem Gesichtspunkt des vorbeugenden Rechtsschutzes abgesprochenwerden. Zwar entspricht es allgemeiner Erkenntnis, dass vorbeugender Rechtsschutzgegen noch nicht erlassene Verwaltungsakte nur ausnahmsweise zulässig ist. Denn im Hinblick auf die bestehende Verfahrenskonkurrenz zu Widerspruch und Anfechtungsklage ist regelmäßig der befürchtete Verwaltungsakt abzuwarten und die hiergegen gebotenen Rechtsschutzmöglichkeiten wahrzunehmen, insbesondere Eilrechtsschutz in Betracht zu ziehen. Vorbeugender Rechtsschutz gegen Realakte und sonstigem tatsächlichem Verwaltungshandeln, die hinsichtlich ihrer Rechtsnatur nicht als Verwaltungsakte einzuordnen sind, unterliegen diesen Beschränkungen nicht, da sich der Gesetzgeber bei ihnen nicht für einen prinzipiellen Vorrang des repressiven Rechtsschutzes entschieden hat (vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, vor § 40 Rdnr. 33 ff. m.w.N). Solches Verwaltungshandeln liegt hier vor, da Ordnungsmaßnahmen gegenüber Mitgliedern eines Stadtrates, wie etwa der Ausschluss von der laufenden Sitzung, keine Verwaltungsakte darstellen. Die Entscheidung des Vorsitzenden des Stadtrats ist vielmehr innerorganisatorischer Natur und trifft das Stadtratsmitglied nur als unselbständigen Teil des Stadtrates. Die Entscheidung hat vornehmlich Ordnungscharakter und nicht wie etwa das Ordnungsgeld im Wesentlichen Sanktionscharakter, so dass ihr keine Außenwirkung im Sinne des § 35 ThürVwVfG zukommt (Uckel/Hauth/Hoffmann/Noll, Kommunalrecht in Thüringen, Stand: November 2012, § 41 Rdnr. 2). Abgesehen davon ist anerkannt, dass gegen zukünftige Verwaltungsakte vorbeugender Rechtsschutz zulässig sein kann, wenn vollendete Tatsachen geschaffen würden, was etwa bei kurzfristig sich erledigenden Verwaltungsakten der Fall ist, gegen die auch im Wege des Eilrechtsschutzes nicht mehr vorgegangen werden kann (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, vor § 40 Rdnr. 34. m.w.N). Selbst wenn man für tatsächliches Verwaltungshandeln entsprechende Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse stellte, wären diese erfüllt, da ein entsprechender Ausschluss von der Stadtratssitzung sich mit dem Ende der Sitzung erledigt, so dass regelmäßig hiergegen auch kein Eilrechtsschutz erreicht werden kann. Der Kläger wäre von seinen Mitwirkungsrechten als Stadtrat ohne rechtliche Überprüfungsmöglichkeit an dem betreffenden Sitzungstag ausgeschlossen. Dies stünde im Widerspruch zum Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). | Rn. 17 |
Die Klage ist begründet. | Rn. 18 |
Der Kläger hat die Klage zu Recht nach richterlichem Hinweis gegen den Stadtrat der Stadt Gera und nicht gegen die Stadt Gera gerichtet. Im Hinblick auf die bereits im Zeitpunkt der Klagerhebung vorgelegene Begründung konnte die vom Kläger erhobene Klage gegen die befürchtete zukünftige Maßnahme des Vorsitzenden des Stadtrates, die den Kläger als Mitglied des Stadtrates beträfen, nur als Kommunalverfassungsstreit eingeordnet werden. Wegen der Auslegbarkeit des Klagebegehrens kommt die Annahme eines Parteiwechsels, der jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 91 VwGO die Voraussetzungen einer Klageänderung erfüllen muss, nicht in Betracht. | Rn. 19 |
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten zu. Der allgemeine Unterlassungsanspruch in Anlehnung an § 1004 BGB ist auch im öffentlichen Recht jedenfalls gewohnheitsrechtlich als öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch anerkannt. Tatbestandlich setzt er voraus, dass der Anspruchssteller einen Eingriff in eine subjektive Rechtsposition zu besorgen hat, den er in rechtlicher Hinsicht nicht dulden muss. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. | Rn. 20 |
Ein Eingriff in eine Rechtsposition liegt im Hinblick auf den vom Kläger befürchteten Sitzungsausschluss auf der Grundlage der Hausordnung in Verbindung mit § 41 ThürKO vor. Durch eine solche Maßnahme des Ratsvorsitzenden würde in das Grundrecht des Klägers auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG eingegriffen. Durch das vom Kläger erwartete Verbot, Kleidungsstücke der Marke "Thor Steinar" in Stadtratssitzungen zu tragen und im Falle eines Verstoßes, von der Stadtratssitzung ausgeschlossen zu werden, ist das Grundrecht auf Meinungsfreiheit betroffen. Es entspricht allgemeiner Erkenntnis, dass Meinungskundgabe etwa durch Symbole oder Aufkleber erfolgen kann, so dass auch diese Formen der Meinungsäußerung in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG fallen. Ebenso entspricht es mittlerweile allgemeiner Erkenntnis, dass die Kleidungsmarke "Thor Steinar" als Erkennungsmerkmal der rechtsextremen Szene eingeordnet und genutzt wird (vgl. etwa Verfassungsschutzberichte im Behördenvorgang). Folglich wird man davon ausgehen müssen, dass durch das Tragen dieser Kleidungsmarke regelmäßig auch eine politische Einstellung dokumentiert wird, die grundsätzlich der Meinungsfreiheit unterliegt. Auch rechtsextremistische Meinungen sind grundsätzlich vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit umfasst und finden nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken nur in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Verfassungsrechtlich kann daher die Meinungsfreiheit nur durch kollidierendes Verfassungsrecht und allgemeine Gesetze, wie etwa die Vorschriften des Strafrechts eingeschränkt werden. | Rn. 21 |
Der entsprechende Eingriff ist in Anlehnung an § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu besorgen, was regelmäßig nur dann der Fall ist, wenn für einen entsprechenden Eingriff in eine Rechtsposition eine Wiederholungsgefahr besteht (Für die zivilrechtliche Anspruchsgrundlage: Palandt, BGB, 72. Auflage 2013, § 1004, Rdnr. 32). Das ist hier der Fall, da der Beklagte - wie bereits festgestellt wurde - ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die von dem Kläger vorgetragene Wiederholungsgefahr besteht und er im Wiederholungsfalle mit einem entsprechenden Sitzungsausschluss zu rechnen hat. | Rn. 22 |
Nach dem Vorbringen der Beteiligten und dem vorliegenden Akteninhalt ist der Kläger nicht verpflichtet, die befürchtete Maßnahme als Ordnungsmaßnahme nach § 41 ThürKO bzw. als Maßnahme in Ausübung der Hausordnung der Stadt Gera zu dulden. Nach § 41 Satz 1 ThürKO sorgt der Vorsitzende für die Aufrechterhaltung der Ordnung und übt das Hausrecht aus. Nach Satz 2 der Vorschrift kann er mit Zustimmung des Gemeinderats Gemeinderatsmitglieder, welche die Ordnung fortgesetzt erheblich stören, von der Sitzung ausschließen. Ordnung im Sinne der Vorschrift ist der durch Rede und Gegenrede, von Sachargumenten geprägte, von beleidigenden, allgemeinpolitischen Meinungsäußerungen freie und von Störungen und Werbung unbeeinflusste Zustand im Gemeinderat während und nach der Debatte. Die Ordnung kann etwa durch Überschreiten der Redezeit, beleidigende Äußerungen, Missfallenskundgebungen oder bestimmte Meinungsäußerungen gestört werden. Hierbei können auch politische Meinungsäußerungen bzw. die Form ihrer Äußerung als Störungen in Betracht kommen, wie etwa das Zeigen von Plakaten und Transparenten, Verteilen von Flugblättern oder auch das provokative Tragen von Buttons, Aufklebern und Anstecknadeln (Rücker/Dieter/Schmidt, Kommunalverfassungsrecht Thüringen, Stand: § 41 Rdnr. 3). Allerdings ist nicht zweifelhaft, dass auch ein Ratsmitglied während der Ratssitzung sein Recht zur freien Meinungsäußerung nicht verliert. Es steht ihm jedoch nicht einschränkungslos, sondern nur insoweit zu, als der ordnungsgemäße Ablauf der Sitzung für private MeinungsäußerungenRaum lässt. Da die Ratssitzungen einem anderen Zweck, nämlich der Willensbildung der Gemeinde dienen, muss das Ratsmitglied während der Sitzung um der Funktionsfähigkeit der gemeindlichen Selbstverwaltung willen Einschränkungen seines Grundrechts aus Art. 5 GG hinnehmen. Wird durch eine dem Schutzbereich dieses Grundrechts unterfallende Meinungsäußerung der ordnungsgemäße Ablauf der Sitzung gestört, so kann der Ratsvorsitzende auf Grund der ihm nach der Gemeindeordnung zustehenden Leitungs- und Ordnungsbefugnis solche Störungen unterbinden. Die entsprechenden Vorschriften der Gemeindeordnung sind ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, das die Meinungsfreiheit der Sitzungsteilnehmer wirksam einschränkt (BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 1988 - 7 B 123/87 - DVBl. 1988, 792 = NVwZ 1988, 837; zitiert nach juris). Welchen privaten Meinungsäußerungen eines Ratsmitglieds der Ratsvorsitzende zur Aufrechterhaltung der Sitzungsordnung entgegentreten darf, lässt sich nicht allgemein, sondern nur auf Grund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilen. Der Einsatz demonstrativer nichtverbaler Ausdruckmittel, wie das Zeigen von Plakaten und Transparenten wird im allgemeinen als eine Beeinträchtigung der Sitzungsordnung zu bewerten sein, die durch das Grundrecht aus Art. 5 GG nicht gedeckt sind. Andererseits wird durch das Tragen von Anstecknadeln und Plaketten die Sitzungsordnung häufig nicht oder nur so geringfügig beeinträchtigt sein, dass mit Blick auf den hohen Rang des Grundrechts der freien Meinungsäußerung die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen nicht gerechtfertigt erscheint. Denn Anstecknadeln oder Plaketten werden von der Umwelt je nach Auffälligkeitsgrad und der Aussage, die sie verkörpern, oft eher zufällig oder beiläufig wahrgenommen. Je geringer aber die Auswirkungen sind, desto geringer ist auch die Gefahr einer ernstlichen, den Ratsvorsitzenden zum Eingreifen berechtigenden Kollision der Äußerung mit der Sitzungsordnung. Hierbei ist zu beachten, dass der Gemeinderat kein Forum zur Äußerung und Verbreitung privater Meinungen ist, sondern als Organ der Gemeinde die Aufgabe hat, divergierende Vorstellungen der gewählten Mitglieder im Wege der Rede und Gegenrede zusammenzuführen und der Gemeinde die notwendige Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit zu verschaffen. Demgemäß nimmt das Ratsmitglied während einer Sitzung nicht seine im Grundgesetz verbürgten Freiheitsrechte gegenüber dem Staat wahr. Vielmehr übt es in erster Linie organschaftliche Befugnisse aus, die ihm als Teil eines Gemeindeorgans verliehen sind (BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 1988 - 7 B 123/87 - a.a.O.). Eine Entscheidung, die gemessen an diesen Grundsätzen die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat, wird allerdings nicht schon deshalb zu einer zulässigen Beschränkung der Meinungsfreiheit eines Ratsmitgliedes gelangen können, weil bestimmte nonverbale Meinungskundgaben bereits nach einer auf der Grundlage des Hausrechts erlassenen Hausordnung in der Ratssitzung untersagt sind. Vielmehr wird sich auch die jeweilige Hausordnung an den genannten Grundsätzen messen lassen müssen. Denn sie kann dem Ratsvorsitzenden keine weitergehenden Befugnisse einräumen, als die Vorschriften der Gemeindeordnung. Trägt also § 41 ThürKO die betreffende Maßnahme nicht, wird sie daher auch nicht unter Berufung auf eine Hausordnung rechtlich zu halten sein. Die Hausordnung eines Hoheitsträgers kann die Grundrechte in rechtmäßiger Weise nicht weitergehend einschränken, als es die allgemeinen Gesetze zulassen. Andererseits können entgegen der Auffassung des Klägers wegen der genannten organschaftlichen Beschränkungen eines Ratsmitglieds auch nicht die bezogen auf die Meinungsfreiheitweitergehenden Grundsätze des Versammlungsrechts zur Anwendung kommen, um die Frage zu beantworten, welche Formen der Meinungsäußerung noch zulässig sind. Deshalb führt es nicht weiter, dass versammlungsrechtliche Auflagen in der Rechtsprechung beanstandet wurden, wonach das Tragen von Kleidungsstücken der Marke "Thor Steinar" untersagt wurde, weil das Tragen dieser Kleidung strafrechtlich nicht untersagt ist (OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. August 2006 - 2M 268/06 - zitiert nach juris; zur Straflosigkeit: OLG Brandenburg, Urteil vom 12. September 2005 - 1 Ss 58/05 - NJ 2005, 864). Noch weitergehende Einschränkungen des Grundrechts auf Meinungsfreiheit, als sie nach den genannten Grundsätzen für Ratsmitglieder bestehen, werden für beamtete Angehörige des öffentlichen Dienstes während der Dienstzeiten vertreten, die nach den hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet sind (zum Verbot des Tragens der Kleidungsmarke "Thor Steinar" in der Öffentlichkeit gegenüber einem Justizhauptwachtmeister während seiner Freizeit: VG Potsdam, Urteil vom 1. Juni 2011 - 2 K 1258/08 - zitiert nach juris). Welches Maß an Eingriffen in die Meinungsfreiheit hinzunehmen ist, hängt daher auch von den jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen des Einzelfalls bzw. dem Rechtskreis ab, in dem das Grundrecht ausgeübt wird. | Rn. 23 |
Ausgehend von diesen Grundsätzen wird das Tragen der im Tenor beschriebenen Jacke der Marke "Thor Steinar" nicht die vom Kläger erwartete Ordnungsmaßnahme rechtfertigen. Die Kammer kann nur zu dieser konkreten Jacke eine Entscheidung treffen und sich nicht zu der Modemarke "Thor Steinar" generell verhalten, da unterschiedliche Gestaltungen und vom Eigentümer des jeweiligen Kleidungsstücks selbst vorgenommene drucktechnische Ergänzungen möglich sind, die einer gesonderten Beurteilung bedürften. Das Markenlabel der hier streitigen Jacke enthält zunächst keine ausdrückliche Botschaft, die einen rassistischen oder menschenverachtenden Bezug beinhaltet, wie dies bei Labels wie etwa "white race" oder "my friend is white" oder "ACAB" (All cops are bastards) eher nahe liegt oder sogar der Fall ist. Das Label der Marke "Thor Steinar" zeigt die norwegische Flagge mit dem Schriftzug "Div. Thor Steinar - Registered TM 1999 Style 2660 Norge". Die Homepage der Modemarke weist ebenfalls keinerlei Bezug zu rechtsextremen oder menschenverachtenden Meinungen bzw. entsprechenden politischen Einstellungen auf. Die Marke wird allein deshalb der rechtsextremen Szene zugeordnet, weil das Label ohne Bezug auf einen konkreten Aussagegehalt durch Teile der Bevölkerung zum Erkennungsmerkmal rechtsextremer Gesinnung erhoben wurde. Das Label der betreffenden Jacke ist ferner von seiner Größe her unaufdringlich und nur bei näherem Hinsehen erkennbar. Bei näherer Betrachtung dieser Umstände bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Sitzungen des Beklagten durch Tragen der im Tenor näher bezeichneten Kleidung im Sinne von § 41 Satz 2 ThürKO erheblich stört. Dies belegt der Ablauf der Stadtratssitzung vom 6. Oktober 2011. Erst durch die Aufforderung des Ratsvorsitzenden an die betreffenden Zuhörer, die Kleidungsstücke abzudecken oder den Saal zu verlassen und den hierzu vom Kläger geltend gemachten Einwänden und seinem Hinweis auf seine Jacke, wurde den übrigen Mitgliedern des Stadtrates bekannt, dass der Kläger ebenfalls ein Kleidungsstück der beanstandeten Marke trug. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es während der Sitzung hierzu keinen Erörterungsbedarf. Letztlich berief sich auch der Vorsitzende des Beklagten in der Sitzung vom 6. Oktober 2011 nicht auf eine erhebliche Störung des Sitzungsablaufs, sondern rügte eine Verletzung der vom Oberbürgermeister der Stadt Gera auf der Grundlage seines Hausrechts erlassenen Hausordnung, die das Tragen der entsprechenden Kleidungsmarke in den öffentlichen Gebäuden der Stadt Gera untersagt. Durch das Hausrecht eines Hoheitsträgers kann aber nach den genannten Grundsätzen die Meinungsfreiheit eines Ratsmitgliedes nicht weitergehend eingeschränkt werden, als es durch ein allgemeines Gesetz zulässig ist. Folglich kann von einer erheblichen Störung im Rechtssinne nicht ausgegangen werden. | Rn. 24 |
Nichts anderes folgt aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen (Beschluss vom 22. Juni 2012 - Vf. 58-I-12 (e.A.); zitiert nach juris). Das Gericht hat den Ausschluss und Verweis von Abgeordneten der NPD-Fraktion aus dem Plenarsaal nicht beanstandet, die sich der Anordnung des Präsidenten des Landtages widersetzten, eine geplante Aktion zu beenden, mit der die Abgeordneten durch das demonstrative Tragen von Kleidung der Marke "Thor Steinar" gegen die Ächtung des Tragens dieser Bekleidungsmarke aus politischen Gründen protestieren wollten. Das Gericht räumte dem Landtagspräsidenten bei der Würdigung des Vorgangs als eine Verletzung der parlamentarischen Ordnung einen Beurteilungsspielraum ein. Widersetze sich ein Abgeordneter in der Folge dem ausgesprochenen Sitzungsausschluss, verletze er die parlamentarische Ordnung und das Ansehen und die Würde des Parlaments. Kritik an derartigen Anweisungen könne allein im Präsidium des Landtages, nicht jedoch im Plenum angebracht werden. Damit hat das Gericht keine Aussage dazu getroffen, ob das übliche Tragen der Bekleidungsmarke jenseits einer Protestaktion im Parlament gegen die parlamentarische Ordnung verstößt, sondern die ausgesprochene Maßnahme wegen der Nichtbeachtung der Anweisung des Landtagspräsidenten nicht beanstandet. | Rn. 25 |
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Beklagte als Unterlegener die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. | Rn. 26 |
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. | Rn. 27 |
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | Rn. 28 |