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VG Cottbus, Beschl. v. 24.07.2013 – VG 1 L 150/13 – „MPU bei hohem Aggressionspotential“

ZVR-Online Dok. Nr. 62/2013 – online seit 19.10.2013

Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG, § 2 Abs. 4 StVG, § 3 Abs. 1 StVG, § 11 FeV, § 46 Abs. 1 FeV

Leitsätze der Redaktion

1. Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur FeV in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Die seitens des Gutachter zu klärenden Fragen müssen hierbei einen hinreichenden Bezug zu der vorliegend ausschließlich zu klärenden charakterlichen Eignung eines Betroffenen zum Führen eines Kraftfahrzeugs herstellen.Rn. 1
2. Die Frage, ob ein Fahrerlaubnisinhaber „künftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen oder Strafgesetze“ verstoßen wird, muss jedoch nicht im Rahmen seiner (charakterlichen) Eignungsbeurteilung von Bedeutung sein, und eine Klärung der allein erheblichen Frage der Fahreignung lässt sich mit dieser Fragestellung nicht erreichen. Die Fragestellung erweist sich damit einerseits als zu weitgehend, andererseits als zu wenig präzise, um die Eignungszweifel klären zu können, und damit als unverhältnismäßig.Rn. 2

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine Verfügung des Antragsgegners, mit der ihm im Wesentlichen die Fahrerlaubnis unter Anordnung der sofortigen Vollziehung entzogen wurde.Rn. 3
Der Antragsteller, dem der Landkreis Spree-Neiße im November 2008 eine Fahrerlaubnis der Klasse B (neu) erteilte, wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Cottbus vom 20. April 2011 (73 Ds 1420 Js 39292/09 - 371/10) wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der angetrunkene Antragsteller und eine weitere Person schlugen und traten den Geschädigten am 13. September 2009 mehrfach, so schlug der Antragsteller den Geschädigten u. a. mit dem Ellenbogen ins Gesicht und schlug und trat auf diesen ein, als er bereits am Boden lag. Der Geschädigte wurde erheblich verletzt. Zudem war der Antragsteller wegen des Verwendens von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation - der Antragsteller hatte sich dahingehend eingelassen, er sei am 25. Oktober 2009 total betrunken gewesen und könne sich nicht mehr erinnern, den „Deutschen Gruß“ gezeigt zu haben - und wegen Trunkenheit im Straßenverkehr strafrechtlich in Erscheinung getreten.Rn. 4
Mit Verfügung vom 04. März 2013 forderte der Antragsgegner unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) den Antragsteller auf, zur Klärung der Frage:Rn. 5
"Ist trotz der Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential zu erwarten, dass Herr A. künftig auch gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen oder Strafgesetze verstoßen wird?“Rn. 6
das Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Kraftfahreignung vorzulegen. Der in den Landkreis Spree-Neiße verzogene Antragsteller rügte die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners und vertrat im Wesentlichen die Auffassung, die Straftaten ließen ein „hohes Aggressionspotential nicht erkennen“ und reichten nicht aus, um Zweifel an seiner charakterlichen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu begründen. Der Antragsgegner entzog dem Antragsteller darauf nach Anhörung mit Ordnungsverfügung vom 24. Juni 2013 die Fahrerlaubnis und forderte ihn gleichfalls unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zur Abgabe des Führerscheins auf. Über den Widerspruch des Antragstellers vom 02. Juli 2013 hat der Antragsgegner noch nicht befunden.Rn. 7
Der Antragsteller, der seinen Führerschein am 03. Juli 2013 abgab, hat am 01. Juli 2013 vorläufigen Rechtsschutz beantragt.Rn. 8
Er wiederholt und bekräftigt im Wesentlichen seine Auffassung, der Antragsgegner könne ihm die Fahrerlaubnis nicht wegen eines „weit in der Vergangenheit liegenden Fehlverhaltens“ entziehen, welches nicht in Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehe.Rn. 9
Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 01. Juli 2013 und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 24. Juni 2013 wiederherzustellen.
Rn. 10
Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.
Rn. 11
Er hat sich in der Sache nicht geäußert.Rn. 12
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang Bezug genommen.Rn. 13

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), mit dem - zulässigerweise, nachdem der Antragsteller seinen Führerschein fristgemäß abgegeben hat - sinngemäß allein die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 1. bis 3. der Ordnungsverfügung vom 24. Juni 2013 begehrt wird, ist begründet. Die Interessenabwägung des Gerichts fällt zu Lasten des Antragsgegners aus, weil sich die Entziehung der Fahrerlaubnis – dementsprechend auch die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins – als offensichtlich rechtswidrig erweist.Rn. 14
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 05. März 2003 (BGBl. I. S. 310) i. V. m. § 46 Abs. 1 S. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 2 Abs. 4 S. 1 StVG ist geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Die geistige Eignung kann einem Fahrerlaubnisinhaber ebenso wie die körperliche Eignung insbesondere dann fehlen, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegt (vgl. § 11 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 FeV); darüber hinaus ist die weder im Straßenverkehrsgesetz noch in der Fahrerlaubnis-Verordnung explizit angesprochene charakterliche Eignung eines Verkehrsteilnehmers von Bedeutung, die in § 2 Abs. 4 StVG und § 11 Abs. 1 S. 3 FeV lediglich mittelbar negativ dahingehend definiert wird, dass der Bewerber nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen haben darf (vgl. Himmelreich/Halm: Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 3. Aufl. 2010, S. 1853, 1860; Haus: Maßnahmen bei charakterlichen Eignungsmängeln innerhalb und außerhalb des Punktsystems in: Aktuelle Probleme der Fahrerlaubnis-Verordnung, der Reform des Ordnungswidrigkeitenrechts und der Unfallflucht, Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein, Heft 28, S. 29).Rn. 15
Die Kraftfahreignung beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers nach Maßgabe seiner Gefährlichkeit für den Straßenverkehr. Dabei sind sämtliche im Einzelfall bedeutsamen Umstände heranzuziehen, die Aufschluss über die körperliche, geistige und charakterliche Eignung eines Fahrerlaubnisinhabers geben können. Insbesondere bei der charakterlichen Eignung kommt eine Vielzahl von Tatsachen und persönlichen Merkmalen in Betracht, wie Art, Umstände und Anzahl der bereits begangenen verkehrsrechtlichen oder auch nicht verkehrsrechtlichen Straftaten und sonstigen Verfehlungen, das Alter, die persönlichen und familiären Verhältnisse, etwaige Alkohol- oder Drogenauffälligkeiten und anderes mehr (BVerwG, Urt. v. 20. Februar 1987 – BVerwG 7 C 87.84 – BVerwGE 77, 40, 42). Dabei muss auch aufgezeigt werden, inwieweit sich aus der Straftat Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich der Betreffende auch im Straßenverkehr nicht ordnungsgemäß verhalten wird (Bayerischer VGH, Beschl. v. 08. Oktober 2009 - 11 CS 09.1891, 11 C 09.1888 - juris 11 CS 09.1891, Rn. 23).Rn. 16
Zwar erfordert die Entziehung der Fahrerlaubnis eine positive Feststellung der Nichteignung; wenn allerdings Tatsachen bekannt werden, die Bedenken an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeuges begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde unter den in §§ 11 bis 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage von ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären, § 3 Abs. 1 S. 3 StVG i. V. m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV. Sie darf bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen, wenn sich der Betroffene weigert, sich untersuchen zu lassen oder wenn er das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt und er im Rahmen der Anordnung nach § 11 Abs. 6 FeV hierauf hingewiesen worden ist, § 11 Abs. 8 S. 1 und 2 FeV. Der Fahrerlaubnisinhaber hat zur Klärung der Zweifel beizutragen, die an seiner Kraftfahreignung bestehen; der Schluss von der Nichtbefolgung einer derartigen behördlichen Anordnung auf die Nichteignung des Kraftfahrers begründet sich daher aus der Verletzung der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11. Juni 2008 – BVerwG 3 B 99.07 -, Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 15). Dieser Schluss ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtmäßig war, sie insbesondere anlassbezogen erfolgte und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügte (vgl. BVerwG, Urt. v. 11. Dezember 2008 – BVerwG 3 C 26.07 - BVerwGE 132, 315, 317; BVerwG, Urt. v. 9. Juni 2005 - BVerwG 3 C 21.04 - Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 11, S. 6 ; BVerwG, Urt. v. 13. November 1997 - BVerwG 3 C 1.97 - Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 28). Diese Voraussetzungen liegen hier im Ergebnis nicht vor, weil sich die Anordnung vom 04. März 2013 als (formell) fehlerhaft erweist.Rn. 17
Die Aufforderung zur Begutachtung dürfte allerdings in § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 FeV eine materiell-rechtliche Rechtsgrundlage finden. Danach kann die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Gutachterstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) zur Klärung von Eignungszweifeln für die Zwecke nach § 11 Abs. 1 und 2 FeV angeordnet werden bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung steht, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential bestehen. Anders als der Antragsteller meint, bietet § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 FeV hiernach auch bei einer Straftat, die zwar für die Fahreignung von Bedeutung sein kann, jedoch - wie vorliegend - nicht unmittelbar mit dem Straßenverkehr in Zusammenhang steht, eine Rechtsgrundlage, was bereits aus dem unterschiedlichen Wortlaut dieser Bestimmung und etwa § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 FeV ("erhebliche Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht") folgt (soweit ersichtlich einhellige Rechtsprechung, vgl. etwa Bayerischer VGH, Beschlüsse v. 19. Januar 2010 – 11 CS 09.2898, v. 08. Oktober 2009 – 11 CS 09.1891, 11 C 09.1888 und 11 CS 09.1896, 11 C 09.1895 – jeweils juris; VG München, Urt. v. 20. August 2009 - M 6b K 08.59 - juris Rn. 19; Beschl. der Kammer v. 13. Juli 2010 - VG 1 L 139/10 - zu § 11 Abs. 3 S. 1 Nr.: 7 FeV; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 08. März 2013 - 10 S 54/13 - juris).Rn. 18
Vorliegend dürfte (schon) die gefährliche Körperverletzung als solche Anhaltspunkte dafür bieten, dass der Antragsteller über ein hohes Aggressionspotential verfügt, welches er impulsiv gegenüber Dritten ohne Rücksicht auf deren körperliche Integrität einsetzt. Gerade bei dieser Gruppe von Straftätern ist davon auszugehen, dass sie auch bei konflikthaften Verkehrssituationen (etwa bei Fahrfehlern anderer) emotional impulsiv handeln und dadurch das Risiko für alle Beteiligten erhöhen, sowie eigene Bedürfnisse aggressiv und rücksichtslos durchsetzen. Aber auch bei Personen, die sich gleichgültig gegenüber sozialen Normen, Regeln und den Rechten Anderer verhalten, ist damit zu rechnen, dass sie entsprechende Verkehrsstraftaten begehen (vgl. Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan: Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 2. Aufl. 2005, unter Nr. 3.14, S. 208 ff.). Die Aufforderung zur Vorlage eines Gutachtens dient vorliegend der Klärung der charakterlichen Eignung des Antragstellers im Straßenverkehr, nämlich der Frage, ob seine bislang fehlerhafte Einstellung zur Rechtsordnung allgemein auch für den Bereich des Straßenverkehrsrechts Gültigkeit besitzt.Rn. 19
Unerheblich ist vorliegend auch der Zeitablauf zwischen der Straftat und der Aufforderung zur Vorlage des Gutachtens, denn die Frage, auf welchen Zeitraum die Fahrerlaubnisbehörde bei der Überprüfung der Fahreignung zurückgreifen darf, beantwortet sich anhand der Tilgungsregelungen und Verwertungsverbote des Straßenverkehrsgesetzes (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 7. August 2008 - OVG 1 S 100.08 -, juris) bzw. vorliegend nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 lit b) des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz - BZRG), wonach hinsichtlich der Straftat vom 13. September 2009 von einer zehnjährigen Tilgungsfrist auszugehen ist.Rn. 20
Die Anordnung vom 04. März 2013 erweist sich allerdings aus formellen Gründen als rechtswidrig.Rn. 21
Nach § 11 Abs. 6 S. 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Die Behörde teilt dem Betroffen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann, § 11 Abs. 6 S. 2 FeV.Rn. 22
In formaler Hinsicht muss die Aufforderung im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein und der Betroffene muss erkennen können, welcher konkrete Anlass besteht, ihn zu der Vorlage eines Gutachtens aufzufordern, und ob das in der Aufforderung Verlautbarte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Diese formellen und materiellen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung, die nicht zuletzt Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Schutzwürdigkeit des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen nach Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes sind, in das mit einer Begutachtung eingegriffen wird (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 17. August 2007 - 11 CS 07.25 - juris Rn. 10), können nicht durch Überlegungen des Inhalts relativiert werden, der Betroffene werde schon wissen, worum es gehe (BVerwG, Urt. v. 05. Juli 2001 - BVerwG 3 C 13.01 - Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 29; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22. Oktober 2009 - OVG 1 S 189. 09 - Beschlussabdruck S. 3); es sind vielmehr insoweit strenge Anforderungen angezeigt, denn nur sie ermöglichen es dem Betroffenen hinreichend beurteilen zu können, ob er das von der Behörde geforderte Gutachten vorlegt oder das Risiko einer Fahrerlaubnisentziehung durch Nichtvorlage in Kauf nimmt (vgl. Geiger in Buschbell: Münchener Handbuch Straßenverkehrsrecht, 3. Aufl. 2009 Rn. 155).Rn. 23
Die Aufforderung vom 04. März 2013, die dem Gutachter die zu klärenden Fragen nach Nr. 1 lit. a) S. 2 der Anlage 15 zu § 11 Abs. 5 FeV verbindlich vorgibt, erweist sich als rechtswidrig, weil die Fragestellung keinen hinreichenden Bezug zu der vorliegend ausschließlich zu klärenden charakterlichen Eignung des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeugs herstellt: Die charakterliche Eignung des Antragstellers wird in der Fragestellung - Entsprechendes gilt für die Begründung - weder angesprochen noch lässt die Formulierung, es sei zu klären, ob der Antragsteller „künftig auch gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen oder Strafgesetze verstoßen“ werde, hinreichend auf eine Prüfung der charakterlichen Eignung schließen, wie schon ein Vergleich mit der Formulierung in § 11 Abs. 1 S. 3 FeV („ … nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben, so dass dadurch die Eignung ausgeschlossen wird.“) zeigt. Ob ein Fahrerlaubnisinhaber “künftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen oder Strafgesetze“ verstoßen wird, kann, muss jedoch nicht im Rahmen seiner (charakterlichen) Eignungsbeurteilung von Bedeutung sein, und eine Klärung der allein erheblichen Frage der Fahreignung lässt sich mit dieser Fragestellung nicht erreichen. Die Fragestellung erweist sich damit einerseits als zu weitgehend, andererseits als zu wenig präzise, um die Eignungszweifel vorliegend klären zu können, und damit als unverhältnismäßig.Rn. 24
Dem Antragsgegner bleibt es unbenommen, den Antragsteller erneut unter Beachtung der rechtlichen Anforderungen zu einer Begutachtung aufzufordern und das Ergebnis dieser Begutachtung oder aber dessen Weigerung, sich untersuchen zu lassen oder das Gutachten fristgerecht vorzulegen, § 11 Abs. 8 S. 1 FeV, im Widerspruchsverfahren zu würdigen. Dem Gericht erscheint es danach hinreichend, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs abweichend von § 80b Abs. 1 S. 1 VwGO lediglich bis zu einem Abschluss des Widerspruchsverfahrens - durch Rücknahme des Widerspruchs, durch eine Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO oder durch Zustellung des Widerspruchsbescheides, § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO - wiederherzustellen.Rn. 25
Die auf § 47 Abs. 1 FeV gestützte Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins erweist sich nach alledem ebenfalls als offensichtlich rechtswidrig.Rn. 26
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.Rn. 27
Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Fahrerlaubnis der Klasse B ist nach Ziffer 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgdr. u. a. bei Kopp/Schenke, VwGO, 18. A. 2012, Anh. § 164 Rn. 14) mit dem Auffangwert in Höhe von 5.000,00 € zu bewerten, der für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist.Rn. 28