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VG Wiesbaden, Urt. v. 21.08.2013 – 1 K 1015/12.WI – „Kosten der Straßenreinigung“

ZVR-Online Dok. Nr. 64/2013 – online seit 19.10.2013

§ 10 Abs. 2 KAG, § 10 Abs. 5 HStrG

Leitsatz der Redaktion

Aus dem Kostendeckungsgebot folgt, dass das in der Gebührenkalkulation veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der über die Gebühren zu finanzierenden Einrichtung nicht überschreiten darf, wobei ein Toleranzwert von 3% für die Kostenüberschreitung in der Rechtsprechung anerkannt wird.Rn. 1

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft D-Straße/E-Straße in Wiesbaden. Er wendet sich mit der vorliegenden Klage gegen die Festsetzung von Straßenreinigungsgebühren für den Zeitraum 2012 bis 2014 zum Gebührenkonto 110395-001.Rn. 2
In dem Verfahren VG Wiesbaden 1 K 667/05, das durch rechtskräftiges Berufungsurteil des Hess.VGH vom 11.05.2011 – 5 A 3081/09 – abschloss, hatte sich der Kläger gegen die Festsetzung von Straßenreinigungsgebühren durch Bescheid vom 29.01.1998 für die Jahre 1999 bis 2004 gewendet. In seiner Entscheidung hob der Hess.VGH den Bescheid vom 29.01.1998 unter anderem mit der Begründung auf, dass es für die Festsetzung von Straßenreinigungsgebühren im Voraus für Folgejahre keine satzungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage gebe, da § 5 Abs. 1 der Straßenreinigungsgebührenordnung lediglich die Möglichkeit der Gebührenfestsetzung für ein Jahr im Voraus biete, und es ferner hinsichtlich des Gebührensatzes an einer wirksamen satzungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage fehle, da die in § 3 Abs. 5 der Straßenreinigungsgebührenordnung festgelegten Gebührensätze unwirksam seien. Gegenstand des (erledigten) Verfahrens 1 K 777/09.WI waren Straßenreinigungsgebühren für 2005 und nachfolgende Jahre auf der Grundlage des Bescheids vom 29.01.1998. Die Straßenreinigungsgebühren für 2008 bis 2011 waren Gegenstand des Verfahrens 1 K 1011/12.WI, das durch erstinstanzliches Urteil vom 11.04.2013 mit der Aufhebung der entsprechenden Bescheide endete.Rn. 3
Durch Artikel 2 der am 20.12.2011 bekannt gemachten und am 01.01.2012 in Kraft getretenen Satzung zur Änderung der Ortssatzung über die Reinigung der öffentlichen Straßen im Gebiet der Landeshauptstadt Wiesbaden (Straßenreinigungssatzung) und der Gebührenordnung für die Reinigung der öffentlichen Straßen im Gebiet der Landeshauptstadt Wiesbaden vom 23.11.2011 wurde die Gebührenordnung für die Reinigung der öffentlichen Straßen im Gebiet der Landeshauptstadt Wiesbaden vom 17.06.1992, zuletzt geändert durch Satzung vom 07.12.2007, unter anderem wie folgt neu gefasst bzw. ergänzt:Rn. 4
§ 1 Absatz 2: „Die Landeshauptstadt Wiesbaden trägt den Kostenanteil für den Reinigungsaufwand, der auf das allgemeine öffentliche Interesse an der Straßenreinigung entfällt. Der Anteil beträgt 22 v.H. der Kosten der Straßenreinigung.“Rn. 5
In § 3 wurde folgender Absatz 6 angefügt:

„Die der Ermittlung der Gebührensätze zugrunde liegende Kalkulationsperiode umfasst jeweils drei Kalenderjahre. Sie erstreckt sich zunächst vom 01. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2014, sodann vom 01. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2017 und so fort.“
Rn. 6
§ 5 Satz 1: „Die Gebühren werden von der Landeshauptstadt Wiesbaden durch schriftlichen Bescheid für einen Veranlagungszeitraum von drei Kalenderjahren für die Dauer der jeweiligen Kalkulationsperiode (§ 3 Abs. 6) im Voraus festgesetzt und als Jahresgebühr ausgewiesen.“Rn. 7
Mit Bescheid vom 09.01.2012 setzte die Beklagte Straßenreinigungsgebühren gegen den Kläger für die Jahre 2012 bis 2014 fest. In dem Bescheid wird auf der Grundlage eines Gebührensatzes von 57,96 Euro je Berechnungsmeter eine jährliche Gesamtgebühr von jeweils 3.941,28 Euro festgesetzt.Rn. 8
Mit Schreiben vom 27.01.2012 erhob der Kläger gegen den Gebührenbescheid Widerspruch und beantragte Einsicht in die Kalkulationsgrundlagen sowie die zugrunde liegenden Satzungsbeschlüsse bzw. –beschlussvorlagen. Mit Schreiben vom 16.05.2012 wurde dem Kläger angekündigt, die angeforderten Unterlagen bis Ende Juni 2012 postalisch zur Verfügung zu stellen.Rn. 9
Mit am gleichen Tage bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 29.08.2012 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben.Rn. 10
Der Kläger erhebt zahlreiche Einwendungen gegen die Gebührenkalkulation der Beklagten. Die Gebührenkalkulation sei nicht nachvollziehbar, entscheidungserhebliche Sachakten seien nicht vorgelegt worden. Der Allgemeinanteil von 22% in § 1 Abs. 2 der Gebührenordnung sei nicht ordnungsgemäß ermittelt und nicht im Rahmen fehlerfreier Ermessensausübung festgelegt worden. Wegen des überdurchschnittlichen Durchgangsverkehrs und der vielen öffentlichen Plätze, Wege u.ä. sei selbst ein Stadtanteil von 25% zu gering; insoweit werde auf das Urteil des VG Göttingen vom 17.04.2012 – 3 A 389/10 -, juris, Rdnr. 33 verwiesen. Es sei auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die entsprechenden Kosten nicht umgelegt würden. Die Kosten für die Papierkorbentleerung seien nicht umlagefähig, das habe der Präsident des Hessischen Rechnungshofs bereits in seinem Bericht vom 09.10.2002 unter Hinweis auf die Entscheidung des OVG Münster (Urteil vom 15.12.1994 – 9 A 2251/93-) ausgeführt. Soweit in einem von der Beklagten eingeholten Gutachten der Gutachter Dr. F. unter Hinweis auf neuere Rechtsprechung und Literatur zu einem anderen Ergebnis gelange, sei dem nicht zu folgen. Nach § 1 Abs. 2 der Straßenreinigungssatzung erstrecke sich die Reinigungspflicht zwar auf „sonstige Bestandteile des Straßenkörpers“, dazu gehörten Papierkörbe jedoch nicht. Dass der Müll sonst, d.h. beim Fehlen von Papierkörben, auf die Straße geworfen würde, sei eine nicht beweisbare Hypothese. Es fehle auch an einer politischen Entscheidung des Satzungsgebers, die Kosten für die Papierkorbentleerung einzubeziehen. Diese sei erforderlich, wenn, wie vorliegend, die jahrzehntelange entgegengesetzte Praxis geändert werden solle. Bereits die unzulässige Umlegung der Kosten für die Papierkorbentleerung führe zu einem Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot.Rn. 11
Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 09.01.2012 aufzuheben.
Rn. 12
Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.
Rn. 13
Die Beklagte bezieht sich wegen des Stadtanteils von 22% auf die vorgelegten Unterlagen. Die dort vorgenommene Berechnung entspreche dem Gutachten des Rechtsanwalts Dr. F. Der Stadtanteil sei durch den Satzungsgeber festgelegt worden, was den Vorgaben des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in der Entscheidung vom 11.05.2011 genüge. Die Kosten für die Leerung der Straßenpapierkörbe seien nach jüngerer Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ansatzfähig. Die entsprechenden Kosten seien in den ansatzfähigen Kosten enthalten und nicht gesondert ausgewiesen. Für 2012 sei von erwarteten Kosten von 600.000,- Euro, für 2013 von 612.000,- Euro und für 2014 von 620.000,- Euro auszugehen. Ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot liege nicht vor. Die Berechnung der Gebührensätze der Straßenreinigung für die Jahre 2012 bis 2014 ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen zur Gebührenbedarfskalkulation und den zusätzlichen schriftsätzlichen Erläuterungen. Kosten für öffentliche Plätze und Kreuzungen seien nicht umlagefähig und deshalb nicht umgelegt, sondern im Allgemeinanteil mitenthalten.Rn. 14
Der Beigeladene beantragt,

den Bescheid vom 09.01.2012 aufzuheben.
Rn. 15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der vorgelegten Behördenakten (1 Heftstreifen „Anlage Stadtanteil“, 1 Heftstreifen „Anlage Satzungsunterlagen“, 1 Heftstreifen „Anlage Gebührenbedarfskalkulation“, 1 Heftstreifen „Anlage Gebührenveranlagung“, 1 Heftstreifen „Anlage Rechtsgutachten Dr. Lohmann“) sowie der beigezogenen Verfahrensakten 1 K 633/98, 1 K 667/05, 1 K 777/09 und 1 K 1011/12.WI Bezug genommen.Rn. 16

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage (§ 75 VwGO) ist begründet.Rn. 17
Der Straßenreinigungsgebührenbescheid der Beklagten vom 09.01.2012 für die Kalenderjahre 2012 bis 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Denn dem Bescheid mangelt es an einer wirksamen rechtlichen Grundlage.Rn. 18
Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Eigentümer der durch öffentliche Straßen erschlossenen Grundstücke zu den Kosten der Straßenreinigung durch die Beklagte ist die Ortssatzung über die Reinigung der öffentlichen Straßen im Gebiet der Landeshauptstadt Wiesbaden (Straßenreinigungssatzung) vom 21.05.1992, zuletzt geändert durch Satzung vom 23.11.2011, in Verbindung mit der Gebührenordnung für die Reinigung der öffentlichen Straßen im Gebiet der Landeshauptstadt Wiesbaden vom 21.05.1992, zuletzt geändert durch Satzung vom 23.11.2011. Diese Regelungen finden ihre Grundlage in § 10 Abs. 5 HStrG, der hinsichtlich der Einzelheiten der Erhebung dieser Abgabe eigener Art im Wege der Rechtsfolgenverweisung auf die Vorschriften des kommunalen Abgabenrechts verweist (vgl. Hess.VGH, Urteil vom 11.05.2011 – 5 A 3081/09 -, juris, Rdnr. 32).Rn. 19
Die Beklagte betreibt die Reinigung der öffentlichen Straßen gemäß § 2 Abs. 1 der Straßenreinigungssatzung als öffentliche Einrichtung in dem in der Satzung näher bestimmten Umfang. Nach § 2 Abs. 6 der Straßenreinigungssatzung werden zur Deckung der entstehenden Kosten Gebühren nach Maßgabe der gesonderten Gebührenordnung erhoben. Nach § 3 Abs. 1 der Gebührenordnung sind Maßstab für die Gebühr der auf das Grundstück bezogene Berechnungsmeter und die auf den Reinigungsaufwand der jeweiligen Straße bezogene Reinigungsklasse. § 3 Abs. 5 der Gebührenordnung legt die differenzierten Gebührensätze fest, mittels derer die konkrete Benutzungsgebühr festzusetzen ist. Für das Grundstück des Klägers ergibt sich danach gemäß § 3 Abs. 5 b) die Reinigungsklasse 2 mit einem Gebührensatz von 57,96 Euro jährlich je Berechnungsmeter.Rn. 20
Dieser Gebührensatz ist unwirksam. Er verstößt gegen das aus § 10 Abs. 2 KAG folgende Kostenüberschreitungsverbot. Nach § 10 Abs. 2 S. 1 KAG sind die Gebührensätze in der Regel so zu bemessen, dass die Kosten der Einrichtung gedeckt werden. Damit wird einerseits das sogenannte Kostendeckungsgebot für die Kosten der Einrichtung und andererseits ein darauf bezogenes Kostenüberschreitungsverbot gesetzlich festgelegt (Hess. VGH, Urteil vom 11.05.2011 - 5 A 3081/09 -, juris, Rdnr. 34). Daraus folgt, dass das in der Gebührenkalkulation veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der über die Gebühren zu finanzierenden Einrichtung nicht überschreiten darf, wobei ein Toleranzwert von 3% für die Kostenüberschreitung in der Rechtsprechung anerkannt wird (vgl. Wagner in Driehaus, KAG, Stand März 2013, § 6, Rdnr. 676). Diesen Anforderungen wird der Gebührensatz in § 3 Abs. 5 der Gebührensatzung nicht gerecht. Denn mit der von der Beklagten vorgelegten Gebührenkalkulation werden auch die nicht umlagefähigen Kosten für die Reinigung der Straßenpapierkörbe in Höhe von 8,25% (2012: 600.000,- Euro, 2013: 612.000,- Euro, 2014: 620.000,- Euro) der Gesamtkosten berücksichtigt und auf die Gebührenzahler umgelegt. Bei Berücksichtigung einer hinnehmbaren Überschreitung von 3% liegt eine weit darüber hinaus gehende Überschreitung des zulässigen Gebührensatzes vor.Rn. 21
Allerdings wird die Frage, ob die Entleerung der Straßenpapierkörbe Bestandteil der Straßenreinigungspflicht ist (vgl. § 10 HStrG), unterschiedlich beurteilt. So hat der Präsident des Hessischen Rechnungshofs in seinem Bericht vom 09.10.2002 (LT-Drs. 15/4085) unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. Teilurteil vom 15.12.1994 – 9 A 2251/93 -, juris, Rdnr. 34) die Auffassung vertreten, dass der Aufwand für die Papierkorbbewirtschaftung nicht in die Straßenreinigungsgebühren eingerechnet werden könne. Dort, wo private Straßenreinigung gelte, sei bislang niemand auf den Gedanken gekommen, die Anlieger die Papierkörbe leeren und den Abfall entsorgen zu lassen. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen habe deshalb entschieden, dass unter dem Begriff der Straßenreinigung nur die Reinigung der Straßenoberfläche zu verstehen sei. Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 15.03.2011 (Az.: 6 C 10959/10 -, juris, Rdnr. 57) entschieden, dass die Auslegung des Begriffs der Straßenreinigung lediglich im Sinne von Reinigung der Straßenoberfläche nicht geboten sei. Da auch der Luftraum über dem Straßenkörper zur öffentlichen Straße gehöre, sei es sachgerecht, die Leerung von Straßenpapierkörben der Straßenreinigung zuzuordnen, da Abfall, der seinen Weg in solche Papierkörbe finde, ansonsten zumindest in einem erheblichen Teil auf den Gehweg oder die Straßenfahrbahn geworfen würde (im Ergebnis zustimmend: Wagner in Driehaus, KAG, Stand März 2013, § 6, Rdnr. 688b).Rn. 22
Die Frage bedarf vorliegend keiner abschließenden Klärung. Denn hier kommt es zunächst maßgeblich darauf an, ob nach der Satzung der Beklagten die Leerung der Straßenpapierkörbe von der Reinigungspflicht und der Kostenheranziehung miterfasst ist. Nach § 10 Abs. 5 HStrG kann die Gemeinde die Reinigungspflicht „ganz oder teilweise“ den Eigentümern oder Besitzern der durch öffentliche Straßen erschlossenen Grundstücke auferlegen oder sie zu den entsprechenden Kosten heranziehen. Das bedeutet, selbst wenn die Papierkorbentleerung als Bestandteil der Pflicht der Gemeinde zur Straßenreinigung nach § 10 Abs. 1 HStrG anzusehen sein sollte, kann die Gemeinde von einer Übertragung der Reinigungspflicht bzw. von einer Heranziehung zu diesen Kosten absehen. Ergibt sich aber bereits aus der Satzung, dass die Kosten der Papierkorbentleerung nicht umgelegt werden sollen, kommt es auf die Frage, ob die Papierkorbentleerung Bestandteil der Straßenreinigungspflicht nach § 10 Abs. 1 HStrG ist, nicht an.Rn. 23
Die Kammer kann vorliegend nicht erkennen, dass die Straßenreinigungssatzung der Beklagten im Rahmen der Regelung der Straßenreinigung eine Pflicht zur Entleerung der Straßenpapierkörbe und damit die Heranziehung der Anlieger durch die Gebührenordnung zu den entsprechenden Kosten vorsieht.Rn. 24
Bereits eine an Wortlaut und Systematik orientierte Auslegung der Straßenreinigungssatzung ergibt keine Hinweise dafür, dass von der Reinigungspflicht auch die Leerung der Straßenpapierkörbe erfasst ist. Nach § 1 Abs. 2 werden von der Reinigungspflicht „die Reinigung der Fahrbahnen (einschließlich der Straßenrinnen, Standspuren, Trenn-, Rand- und Sicherheitsstreifen, Haltestellenbuchten, Parkplätze und Radwege), der Geh- und Überwege und der sonstigen Bestandteile des Straßenkörpers (z. B. Grünstreifen, Baumscheiben, Böschungen, Stützmauern, Gräben, oberirdische der Entwässerung oder der Brandbekämpfung dienende Anlagen)“ umfasst. Die Regelung erläutert, was als Bestandteil des Straßenkörpers zu verstehen ist („der Fahrbahnen…, der Geh- und Überwege… und der sonstigen Bestandteile des Straßenkörpers“). Straßenpapierkörbe werden nach allgemeinem Verständnis aber gerade nicht als Teil oder Bestandteil des Straßenkörpers gesehen. Auch soweit nach jüngerer Rechtsprechung und Literaturmeinung die Papierkorbentleerung in die Straßenreinigung einbezogen werden soll, wird dies nicht damit begründet, dass zum Straßenkörper auch die darüber angebrachten Papierkörbe gehören. Auch aus § 1 Abs. 5, der die „allgemeine Reinigung“ bestimmt als „Beseitigung von Fremdkörpern und Verunreinigungen unabhängig von ihrer Herkunft oder dem baulichen Zustand der Straße“, ergibt sich für die Einbeziehung der Papierkorbentleerung kein Hinweis. Geregelt ist hier lediglich, was bei dem Reinigungsvorgang zu entfernen ist. Auch wird man den in den Papierkorb eingebrachten Abfall dort nicht als Fremdkörper oder als Verunreinigung ansehen können. Aus § 2, der in Zusammenhang mit § 3 zu sehen ist, ergibt sich ebenfalls nichts anderes. § 2 Abs. 1 regelt den Anteil der städtischen Reinigung (an der Gesamtreinigung), der sich aus der jeweiligen Einstufung der Straße nach Reinigungsklassen ergibt. Soweit eine weitergehende Reinigungspflicht (aus § 1) besteht, wird diese nach § 3 Abs. 1 den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke auferlegt. § 2 und § 3 treffen zum Umfang der Reinigungspflicht selbst keine Aussage. Auch § 5, der „Umfang und Art der allgemeinen Reinigungspflicht“ der nach § 3 verpflichteten Eigentümer betrifft, enthält keine Aussage zur Leerung von Straßenpapierkörben. Vielmehr liegt hier der Umkehrschluss nahe, dass insoweit gerade keine Regelung zur Papierkorbleerung getroffen werden sollte. So regelt Abs. 3, dass grobe Verunreinigungen unverzüglich zu beseitigen sind, Abs. 4 regelt, dass Kehricht und sonstiger Unrat nach Beendigung der Säuberung sofort zu beseitigen sind, Abs. 5 regelt, dass die Beseitigung von Schmutz, Glas, Laub, Hundekot und sonstige Verunreinigungen jeder Art zur ordnungsgemäßen Reinigung gehören. Nach Abs. 6 umfasst bei nicht ausgebauten öffentlichen Straßen die Reinigung nur das Beseitigen von Fremdkörpern und groben Verunreinigungen. Angesichts derart detaillierter Bestimmungen hätte es nahe gelegen, hier auch eine Regelung über die Leerung von Straßenpapierkörben aufzunehmen, wenn dies beabsichtigt war. Zur Leerung von Papierkörben findet sich nur in § 8 „Besondere Verunreinigungen“ eine ausdrückliche Regelung. Dort wird in Abs. 2 bestimmt, dass an Haltestellen „die für den Personenverkehr zugelassenen Unternehmer Abfallbehälter anzubringen und regelmäßig zu leeren haben“. Auch dies legt im Umkehrschluss nahe, dass Straßenpapierkörbe und deren Leerung im Übrigen nicht Gegenstand der Straßenreinigungssatzung sind.Rn. 25
Das Ergebnis dieser Wortlautauslegung wird durch die Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Satzungsgebers bestätigt (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 14.12.1995 – 4 N 2/95 -, juris, Rdnr. 14). Die aus 1992 stammende Straßenreinigungssatzung ist, was den hier interessierenden Regelungsbereich betrifft, unverändert geblieben. Bis zur Änderung der Straßenreinigungssatzung und der Gebührenordnung durch Satzung vom 23.11.2011 und der in diesem Zusammenhang vorgelegten Gebührenkalkulation, ist die Leerung der Straßenpapierkörbe nicht als Teil der Straßenreinigung verstanden und demzufolge sind die entsprechenden Kosten den Straßenanliegern auch nicht auferlegt worden. Möglicherweise veranlasst durch die Ausführungen des von der Beklagten beauftragten Gutachters Dr. F. in dessen Gutachten vom 04.07.2011 (s. Hefter „Anlage Rechtsgutachten Dr. F.“) ist von der Beklagten erwogen worden, das durch Erhöhung des Stadtanteils reduzierte Gebührenaufkommen auszugleichen, indem – entsprechend der jüngsten Rechtsprechung und Literaturmeinung – nun, quasi ersatzweise, auch die Kosten für die Papierkostenentleerung in die Gebührenkalkulation einbezogen wurden.Rn. 26
Die langjährige entgegengesetzte Übung legt nur den Schluss nahe, dass der Satzungsgeber ursprünglich die Einbeziehung der Straßenpapierkorbleerung in die Straßenreinigung – entsprechend der früher im wesentlichen einheitlichen Rechtsmeinung – nicht erwogen oder bestimmt hat. Dementsprechend ist auch über Jahrzehnte bei der Gebührenkalkulation verfahren worden. Dass der Satzungsgeber seine diesbezügliche Willensbildung zwischenzeitlich geändert hat, ist aber weder dokumentiert noch ist dies sonst für das Gericht erkennbar. In der vorliegenden Beschlussvorlage für die Änderungssatzung vom 23.11.2011 (Sitzungsvorlage Nr. 11-V-70-0009, s. Hefter „Satzungsunterlagen“), mit der erstmals durch die Beklagte eine Gebührenkalkulation unter Berücksichtigung der Kosten für die Papierkorbentleerung erfolgt ist, gibt es keinen Hinweis auf diese geänderte Vorgehensweise bei der Kalkulation. Ein diesbezüglicher Hinweis findet sich weder bei der „Kurzbeschreibung des Vorhabens“ noch im „Beschlussvorschlag“ selbst oder in der „Begründung“ (s. S. 3 der Sitzungsvorlage). Dort wird nur allgemein darauf hingewiesen, dass „nunmehr unter Berücksichtigung des gebührenrechtlichen Kostendeckungsprinzips“ eine Gebührenanpassung geboten sei. Aus der beigefügten Anlage 3a „Ermittlung der gebührenrelevanten Kosten der Straßenreinigung“ lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass die Kosten für Papierkorbentleerung erstmals einbezogen sind. Der Vertreter der Beklagten hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass diese Kosten nicht gesondert ausgewiesen seien, sondern bei den allgemeinen Kosten eingearbeitet seien. Auch sonst ist weder vorgetragen oder erkennbar, dass es in der Stadtverordnetenversammlung der Beklagten etwa eine Aussprache, Erläuterungen oder Hinweise zu diesem Punkt gegeben hätte. Deshalb geht die Kammer davon aus, dass die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung bei der Beschlussfassung am 23.11.2011 keine ausdrückliche Kenntnis davon hatten, dass – entgegen der langjährigen bisherigen Praxis – die Straßenanlieger erstmals auch mit Kosten der Papierkorbentleerung in Höhe von 8,25% der Gesamtkosten belastet werden sollen. Damit fehlt es an einem entsprechenden Willensakt der Satzungsgebers, seine bisherige, im Einklang mit dem Wortlaut der Straßenreinigungssatzung stehende Praxis aufzugeben.Rn. 27
Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass weder der Wortlaut der Straßenreinigungssatzung noch der mutmaßliche Wille des Satzungsgebers hinreichende Hinweise dafür geben, dass entgegen langjähriger entgegengesetzter Übung nunmehr die Leerung der Straßenpapierkörbe von der Pflicht zur Reinigung öffentlicher Straßen umfasst sein soll. Dies hat zur Folge, dass in Höhe der gleichwohl einkalkulierten Kosten für die Papierkorbentleerung eine Überdeckung vorliegt. Diese überschreitet mit 8,25% der Gesamtkosten den Toleranzbereich von 3% erheblich und führt wegen Verstoßes gegen das Kostenüberschreitungsverbot zur Unwirksamkeit des dem angegriffenen Bescheid zugrunde liegenden Gebührensatzes in § 3 Abs. 5 b) der Gebührenordnung.Rn. 28
Da der zugrunde gelegte Gebührensatz für die Heranziehung des Klägers zu den Straßenreinigungsgebühren für den Veranlagungszeitraum 2012 bis 2014 nichtig ist und die Bescheide schon deshalb aufzuheben sind, kommt es auf die weiteren Einwendungen des Klägers gegen die Gebührenberechnung nicht mehr an. Insbesondere kann dahingestellt bleiben, ob der Stadtanteil in Höhe von 22% nachvollziehbar dargelegt worden ist, nachdem der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, dass die Reinigungskosten für Kreuzungen, Plätze u.ä. bereits in dem auf die Straßen bezogenen jeweiligen Allgemeinanteil mit enthalten seien.Rn. 29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO; dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass sich der Beigeladene durch eigene Antragstellung einem Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.Rn. 30
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.Rn. 31
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen vor, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).Rn. 32