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VG Trier, Beschl. v. 02.01.2013 – 3 L 1564/12.TR – „Geschlechtsverkehr mit Strafgefangenen“

ZVR-Online Dok. Nr. 68/2013 – online seit 04.11.2013

§ 34 BeamtStG RPf, § 35 Satz 2 BeamtStG RPf, § 11 Abs. 2 LDG RPf, § 16 Abs. 1 LDG RPf, § 45 Abs. 1 LDG RPf, § 47 LDG RPf

Leitsatz der Redaktion

1. Das Gebot der Zurückhaltung gegenüber Strafgefangenen hat unter den beamtenrechtlichen Pflichten der in einer Strafvollzugsanstalt tätigen Justizvollzugsbeamten und -beamtinnen einen sehr hohen Stellenwert und ist aus gutem Grund unbedingt einzuhalten.Rn. 1
2. Die Integrität des Justizvollzugs und der Strafrechtspflege im öffentlichen Erscheinungsbild erfordern eine besondere Zuverlässigkeit des jeweiligen Beamten und ein uneingeschränktes Einstehen für die einschlägigen Gesetze und Rechtsvorschriften.Rn. 2

Gründe

Der Antrag des Antragstellers, die mit Verfügung vom 19. November 2012 ausgesprochene vorläufige Dienstenthebung und Einbehaltung von 20 v. H. der monatlichen Bezüge auszusetzen, ist gemäß § 47 Satz 1 Landesdisziplinargesetz - LDG - zulässig, führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Anordnungen bestehen (§ 80 Abs. 1 LDG).Rn. 3
Gemäß § 45 Abs. 1 LDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die Entfernung aus dem Dienst oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird (Satz 1) oder wenn durch sein Verbleiben im Dienst die Ordnung des Dienstbetriebes oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht (Satz 2). Nach § 45 Abs. 2 LDG kann die Behörde gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten ein Teil, höchstens die Hälfte der monatlichen Dienstbezüge, einbehalten wird, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die Entfernung aus dem Dienst oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.Rn. 4
Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 LDG für die ausgesprochene vorläufige Dienstenthebung liegen grundsätzlich nur dann vor, wenn es auf der Grundlage des aktuellen Erkenntnisstandes überwiegend wahrscheinlich erscheint, dass im Disziplinarverfahren die Entfernung aus dem Dienst als die schärfste disziplinarrechtliche Sanktion (§ 11 Abs. 2 Satz 1 LDG) verhängt werden wird. Zeichnet sich im Aussetzungsverfahren vor der Disziplinarkammer nach der hier allein möglichen summarischen Kontrolle der Sach- und Rechtslage eine Eintrittswahrscheinlichkeit von wenigstens 50 v. H. für die Unrichtigkeit der dahingehenden Prognose des Antragsgegners ab, ist die vorläufige Dienstenthebung auszusetzen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Dezember 2002 - 3 B 11776/02.OVG -).Rn. 5
Dabei ist für die gerichtliche Entscheidung nicht erforderlich, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist, insbesondere besteht im Zusammenhang mit den Maßnahmen nach § 45 LDG für eingehende Beweiserhebungen kein Raum. Jedoch muss aufgrund der Prüfung des Sachverhalts anhand des bisherigen Ermittlungsergebnisses, unter Berücksichtigung der vorhandenen Beweismittel und von Rückschlüssen, die durch die allgemeine Lebenserfahrung gerechtfertigt sind, zum Zeitpunkt der Entscheidung zumindest der hinreichend begründete Verdacht eines Dienstvergehens bestehen, welches mit ausreichendem Grad von Wahrscheinlichkeit zur Verhängung der schärfsten Disziplinarmaßnahme führen wird. Dies ist vorliegend der Fall. Auf der Grundlage des für das vorliegende Verfahren maßgeblichen aktuellen Erkenntnisstandes erweist sich die Prognose des Antragsgegners, der Beamte werde im Disziplinarverfahren aus dem Dienst entfernt, als rechtsfehlerfrei.Rn. 6
Dabei legt die Kammer ihrer Würdigung zunächst die Feststellungen des Strafbefehls des Amtsgerichts Alzey vom 3. August 2011 (Az.: 3111 Js 4095/11), rechtskräftig seit dem 29. März 2012, zugrunde, wonach der Antragsteller wegen Vornahme von sexuellen Handlungen an einer gefangenen Person, die ihm zur Beaufsichtigung anvertraut war, unter Missbrauch seiner Stellung nach § 174 a Strafgesetzbuch - StGB - zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde. Hierzu heißt es im Strafbefehl:Rn. 7
„Sie waren im oben genannten Zeitraum als Justizvollzugsobersekretär in der JVA ... in ... mit der Bewachung und Betreuung der dort einsitzenden Gefangenen betraut.Rn. 8
An einem nicht mehr näher konkretisierbaren Tag im Dezember 2010 näherten sie sich in der Zelle der dort in Untersuchungshaft einsitzenden Zeugin ... körperlich. Sie vollzogen mit ihr sodann einvernehmlich vaginalen Geschlechtsverkehr in deren Zelle, wobei die Initiative hierzu von ihnen ausging. Ihnen war hierbei bewusst, dass dies unter Ausnutzung des Abhängigkeitsverhältnisses der Untersuchungsgefangenen zu ihnen als Vollzugsbeamten geschah.“Rn. 9
Zwar entfalten diese Feststellungen des Strafbefehls im vorliegenden Disziplinarverfahren keine Bindungswirkung. Ein Strafbefehl ist kein Urteil im Sinne des § 16 Abs. 1 LDG und enthält keine der Bindungswirkung zugänglichen tatsächlichen Feststellungen, weil er nicht auf erwiesenen Tatsachen beruht, sondern in einem summarischen Verfahren lediglich auf den hinreichenden Verdacht solcher Tatsachen gestützt ist (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1992 - 1 D 11/91 - BVerwGE 93, 255). Verzichtet jedoch der Beamte - wie hier - durch die Zurücknahme des ursprünglich erhobenen Einspruchs auf Rechtsmittel, mit der Folge, dass der Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht (§ 410 Abs. 3 Strafprozessordnung - StPO -) und wird der Sachverhalt im Wesentlichen - wie vorliegend - vom Beamten eingeräumt, ist von der Richtigkeit des im Strafbefehl bezeichneten Sachverhalts auszugehen (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Juli 2002 - juris). Schließlich erweisen sich die Feststellungen im Strafbefehl nach Aktenlage als schlüssige Folge der Niederschriften über Aussagen der Mitgefangenen. Insbesondere nach der insoweit ebenso schlüssigen und glaubwürdigen Aussage der Zeugin ... steht neben den Feststellungen im Strafbefehl zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiterhin fest, dass der Antragsteller die Tat bei offenstehender Haftraumtür im Haftraum der Gefangenen ... begangen hat, wodurch es der Zeugin ... möglich war, den Beamten und die Gefangene nicht nur beim Austausch von Zärtlichkeiten, sondern auch beim nachfolgenden Geschlechtsverkehr zu beobachten. Dies war dem Beamten auch bewusst.Rn. 10
Durch dieses Verhalten hat der Antragsteller in disziplinarrechtlicher Hinsicht ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen. Mit dem strafbaren innerdienstlichen sexuellen Kontakt zu der Strafgefangenen hat er vorsätzlich gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Darüber hinaus hat sich der Beamte eines Gehorsamsverstoßes (§ 35 Satz 2 BeamtStG) und einer Verletzung seiner Pflicht zu vollem persönlichen Einsatz (§ 34 Satz 1 BeamtStG) sowie seiner Pflicht zur Beratung und Unterstützung seiner Vorgesetzten (§ 35 Satz 1 BeamtStG) schuldig gemacht, da er in mehrfacher Hinsicht gegen die für ihn maßgebliche Nr. 2 Abs. 1 der Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollz) verstoßen hat. Danach haben Justizvollzugsbeamte u. a. gegenüber den Gefangenen die „notwendige Zurückhaltung“ zu wahren, was selbstredend jeglichen sexuellen Kontakt zu den Gefangenen verbietet. Unabhängig davon ist jede Beziehung zu einem Gefangenen, die geeignet sein könnte, Zweifel an einer ordnungsgemäßen Dienstausübung zu begründen, der Anstaltsleitung zur Kenntnis zu bringen. Für diesen Fall entscheidet sodann die Anstaltsleitung, ob und inwieweit der Bedienstete gegenüber dem Gefangenen dienstlich tätig werden darf. Dieses Anzeigegebot konkretisiert nicht nur die Pflicht des Beamten, sein Verhalten so auszurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert, sondern auch der Pflicht des Beamten, seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Danach wäre der Antragsteller unter den hier gegebenen Umständen auch gehalten gewesen, die Beziehung zu der Strafgefangenen anzuzeigen.Rn. 11
Dies gilt nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage auch vor dem Hintergrund des auch im Beamtenrecht geltenden Grundsatzes, dass sich niemand selbst anzuklagen braucht. Als Grundpflicht eines jeden Beamten gehört die Auskunfts- und Wahrheitspflicht in dienstlichen Angelegenheiten gegenüber dem Dienstvorgesetzten zum innerdienstlichen Pflichtenkreis. Dies gilt unabhängig davon, ob ein aktives Tun (schriftliche und mündliche Angaben) oder ein Unterlassen (Nichtbefolgen bestehender Anzeige-, Auskunfts-, oder sonstiger Offenbarungspflichten) im Raum steht. Diesem Pflichtenkreis hat sich der Beamte durch den Eintritt in das Beamtenverhältnis freiwillig unterworfen. Bewirkt das Befolgen dieser Pflichten eine Selbstbezichtigung wegen einer Straftat so ist eine Auskunftspflicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit jedenfalls im Einzelfall dann anzunehmen, wenn das Schweigen des Beamten zu einer Gefährdung höherwertiger Rechtsgüter - wie hier zu einer Gefahr der Sicherheit des Strafvollzuges und damit nicht nur der Bediensteten der Justizvollzugsanstalt sondern auch der Inhaftierten - führen kann (vgl. Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarordnung, Handkommentar, Einl. C, Rdnr. 39), wie noch näher im Rahmen der Maßnahmebemessung darzulegen sein wird.Rn. 12
Insgesamt hat der Antragsteller damit schuldhaft ein einheitlich zu bewertendes schweres Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen. Welche Disziplinarmaßnahme im Disziplinarverfahren voraussichtlich zu erwarten ist, richtet sich nach den Bemessungskriterien des § 11 Abs.1 LDG. Die Entfernung aus dem Dienst (§ 11 Abs. 2 LDG) ist regelmäßig dann auszusprechen, wenn der Beamte durch das Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Dabei muss die gegen den Beamten auszusprechende Disziplinarmaßnahme bei Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Die Verhängung der Höchstmaßnahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Abwägung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Beamten ergibt, dass es dem Dienstherrn nicht mehr zuzumuten ist, mit dem betroffenen Beamten das Beamtenverhältnis fortzusetzen. Neben der Schwere des Dienstvergehens sind auch die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Fehlverhalten zu berücksichtigen. Die notwendige Feststellung des Vertrauensverlustes beinhaltet dabei die Prognose, ob sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit zukünftig so verhalten wird, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich zu erwarten ist. Das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter, daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12/04 -; Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 9/06 - juris). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Vertrauensverlust in die Person des Antragstellers nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit endgültig und umfassend eingetreten.Rn. 13
Das Eigengewicht der vorliegenden Verfehlung ist besonders gravierend. Das Gebot der Zurückhaltung gegenüber Strafgefangenen hat unter den beamtenrechtlichen Pflichten der in einer Strafvollzugsanstalt tätigen Justizvollzugsbeamten und -beamtinnen einen sehr hohen Stellenwert und ist aus gutem Grund unbedingt einzuhalten. Die für die Strafgefangenen bestehende erhebliche Beschränkung der Außenkontakte und die außerordentliche Begrenzung des Bewegungsraums, die sich während ihrer Dienstzeit auch für die Justizvollzugsbeamten stark bemerkbar machen und ihnen ein gesteigert sicherungsbewusstes Verhalten abverlangen, bedingen in einer Strafvollzugsanstalt eine besonders belastende Situation. Sowohl die inhaftierten Personen als auch die innerhalb des abgeschlossenen Bereichs tätigen Beamten und Beamtinnen sehen sich gegenseitig einer andauernden und genauen Beobachtung ausgesetzt. Unter anderen Umständen vielleicht weniger bedeutsamen Abweichungen des Verhaltens gegenüber dem Üblichen wird große Aufmerksamkeit gewidmet und es werden - namentlich unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung - Folgerungen gezogen, die leicht ins Persönliche reichen können. In einer derartigen Atmosphäre erhalten spezielle Beziehungen zwischen Vollzugsbeamten und Gefangenen leicht eine besondere Brisanz, vor allem, wenn sie die Folge tatsächlich vorhandener oder nur vermuteter persönlicher Zu- oder Abneigungen sind. Abgesehen davon, dass mit intimen Beziehungen regelmäßig Aufmerksamkeitseinbußen bei der Bewachung der Gefangenen verbunden sind, die der „begünstigte“ Gefangene oder Dritte ausnutzen können, macht sich der Beamte, der bereits aus dienstrechtlichen Gründen ein Öffentlichwerden der Beziehung zu befürchten hat, sowohl gegenüber dem „Begünstigten“ wie auch gegenüber dritten Gefangenen erpressbar (vgl. BayVGH, Urteil vom 11. Juli 2007 - 16 aD 06.85 -; Thüringer OVG, Urteil vom 5. Dezember 2011 - 8 DO 329/08 - juris).Rn. 14
Ein Regel-Disziplinarmaß hat die Rechtsprechung für Verstöße gegen das Verbot der Zurückhaltung gegenüber Strafgefangenen nicht entwickelt. Damit kommt den konkreten Umständen des Einzelfalls besondere Bedeutung zu. Diese lassen vorliegend den hinreichend sicheren Schluss zu, dass gegen den Antragsteller im Disziplinarverfahren die Höchstmaßnahme zu verhängen sein wird. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass es zwischen dem Antragsteller und der Strafgefangenen ... nicht nur zum Austausch von Zärtlichkeiten, sondern im Haftraum der Gefangenen zum Geschlechtsverkehr gekommen ist. Dies geschah bei offen stehender Haftraumtür, so dass der Antragsteller in Kauf genommen hat, dass vorbeigehende Kollegen oder Mitgefangene den Vorgang beobachten konnten. Diese Gefahr hat sich nachfolgend dergestalt realisiert, als die Mitgefangene ... gesehen hat, wie der Antragsteller und die Zeugin ... zusammen in der Zelle waren. Sie seien - so die Zeugin - so vertieft gewesen, dass sie sie erst nicht bemerkt hätten. Der Antragsteller, dessen Hose aufgestanden habe, sei knallrot angelaufen als er diese gesehen habe. Die Zeugin ... habe ihre Hose gerichtet. Sie selbst habe nur den Kopf geschüttelt und sei in die Dusche gegangen. Als sie aus der Dusche gekommen sei, habe sie gehört, wie es „zur Sache gegangen“ sei. Beim Vorbeigehen habe sie dann gesehen, wie sie - der Antragsteller und die Gefangene ... - den Geschlechtsverkehr vollzogen hätten. Bereits der Umstand, dass der Antragsteller nicht unmittelbar nach dem Entdecktwerden durch die Zeugin ... von der Strafgefangenen abgelassen hat, sondern nachfolgend ebenso bei offener Zellentür den Geschlechtsverkehr vollzogen hat, belegt eine gravierende und mit den Sicherheitsbelangen im Strafvollzug nicht zu vereinbarende völlige Pflichtvergessenheit des Beamten. Denn gerade hierdurch hat sich unabhängig von der Strafbarkeit seines Verhaltens unmittelbar die Gefahr realisiert, die es mittels der geltenden Verwaltungsvorschriften - wie dargelegt - zu vermeiden gilt. Er hat nicht nur eine begünstigte Stellung der Zeugin ... mit den damit einhergehenden weiteren Risiken begründet, sondern darüber hinaus auch unmittelbar seine Autorität als Bewachungspersonal angreifbar gemacht. Der Antragsteller musste aufgrund der Beobachtung durch eine Mitgefangene von Anbeginn an mit schwerwiegenden Folgen für den Anstaltsbetrieb rechnen. Der weitere Ablauf der Geschehnisse bestätigt sodann in Konsequenz seines vorwerfbaren Verhaltens das tatsächliche Eintreten sicherheitsrelevanter Störungen dergestalt, als der sexuelle Kontakt zur Zeugin ... nachfolgend Gesprächsthema in der Anstalt und Ursache verschiedentlicher Anfeindungen der Inhaftierten untereinander wurde. Dies nahm letztendlich die Zeugin ... zum Anlass, die Angelegenheit gegenüber den Bediensteten der Justizvollzugsanstalt in einem Schreiben, welches diese am 1. Februar 2011 zwei Bediensteten übergeben hat, zu offenbaren. Unabhängig von dieser eingetretenen Unruhe bestand darüber hinaus die realistische Gefahr der Erpressbarkeit des Antragstellers zumal der Partner der Gefangenen ... zum Tatzeitpunkt ebenfalls in der JVA ... inhaftiert war. Die Kenntnis dieses Vorfalls barg durchaus die Gefahr noch weitreichenderer Folgen. Damit hat der Antragsteller nicht nur sich, sondern auch seine Kolleginnen und Kollegen, aber auch die übrigen Gefangenen in nicht unerhebliche Gefahr gebracht.Rn. 15
In Anbetracht dieser Umstände hat der Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einerseits das für die Ausübung seines Amtes berufserforderliche Vertrauen seines Dienstherrn, sein Ansehen, seine Autorität und Glaubwürdigkeit innerhalb und außerhalb der Justizvollzugsanstalt irreparabel zerstört sowie andererseits das Ansehen seiner gesamten Berufsgruppe erheblich beeinträchtigt. Die Integrität des Justizvollzugs und der Strafrechtspflege im öffentlichen Erscheinungsbild erfordern eine besondere Zuverlässigkeit des jeweiligen Beamten und ein uneingeschränktes Einstehen für die einschlägigen Gesetze und Rechtsvorschriften. Ein Justizvollzugsbeamter, dessen Verhalten dazu geeignet ist, die Ordnung und Sicherheit der Anstalt zu gefährden, lässt diese besondere Zuverlässigkeit und das uneingeschränkte Einstehen für die einschlägigen Vorschriften vermissen (vgl. Thüringer OVG, a. a. O.).Rn. 16
Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich der Antragsteller auch dadurch pflichtwidrig verhalten hat, dass er den sexuellen Kontakt zu der Gefangenen verschwiegen und eine Anzeige unterlassen hat, was gleichfalls das ohnehin schwere Gewicht des Dienstvergehens bestätigt. Vor dem Hintergrund der oben genannten Ausführungen kommt dem in der DSVollz gesondert geregelten Offenbarungsgebot der Bediensteten eine erhebliche Bedeutung zu. Die Anstaltsleitung muss sich im sicherheitsrelevanten Bereich im Besonderen darauf verlassen können, dass jegliche Art von innerdienstlicher Beziehung, die die Sicherheit des Strafvollzuges und des Dienstbetriebes beeinträchtigen könnte, durch die betroffenen Bediensteten gemeldet wird, um so der Anstaltsleitung die Möglichkeit zu geben, auf entsprechende Gefahren angemessen zu reagieren. Hierzu war der Beamte trotz der damit verbundenen Selbstbezichtigung verpflichtet, da der Schutz höherwertiger Rechtsgüter im Raum stand, deren Gefährdung durch den Umstand der Beobachtung der Verfehlung durch eine Mitgefangene unwägbar wurde. Zumindest aber musste er damit rechnen, dass sein Handeln ohnehin nicht verborgen bleiben würde, wie letztendlich der tatsächliche Geschehensablauf auch belegt. Dieses Untätigbleiben bezeugt umso mehr, dass der Antragsteller sich offenbar von seinem beruflichen Pflichtenkreis so weit gelöst hat, dass dem Dienstherrn eine weitere Zusammenarbeit mit dem Antragsteller voraussichtlich nicht mehr zugemutet werden kann.Rn. 17
Im Rahmen der Gesamtabwägung ist zugunsten des Antragstellers lediglich seine beanstandungsfreie Dienstzeit zu sehen und der Umstand, dass es offensichtlich lediglich bei einer einmaligen Verfehlung geblieben ist. Dennoch kommt dem Antragsteller nicht der Milderungsgrund der persönlichkeitsfremden Augenblickstat zugute. Denn unabhängig davon, dass er es über einen Zeitraum von mehreren Wochen unterlassen hat, der Anstaltsleitung die sexuelle Beziehung anzuzeigen, ergibt sich aus den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen schriftlichen Aussagen der Zeugen ... und ... , dass der Antragsteller auch noch nach dem 19. Dezember 2010, nämlich am 21. Dezember 2010 und auch noch in der ersten und zweiten Kalenderwoche 2011, den persönlichen Kontakt der Strafgefangenen ... in deren Zelle und auch außerhalb gesucht hat, so dass insgesamt nicht nur von einem einmaligen etwa affektbedingten Fehlverhalten ausgegangen werden kann.Rn. 18
Schließlich kann zugunsten des Antragstellers im Rahmen der Maßnahmebemessung keine Erkrankung berücksichtigt werden, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnte. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Verfehlung an einer gesundheitlichen Störung gelitten hat, die zu einer zumindest verminderten Schuldfähigkeit geführt haben könnte, sind nicht ersichtlich und werden von ihm selbst auch nicht vorgetragen. Der bloße Umstand, dass der Beamte an der von der behandelnden Ärztin ... , Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, benannten „komplexen Beziehungsproblematik“ und einer „Störung im Selbsterleben“ leidet, lässt die Verfehlung nicht in einem milderen Licht erscheinen. Belastbare Aussagen lassen sich dem vorliegenden Attest nicht entnehmen. So führt die behandelnde Ärztin zur Erläuterung lediglich aus, dass die „verantwortlichen Ursachen komplex zu sein scheinen“. Der Antragsteller „wolle sich behandeln lassen“, was sich für sie „überzeugend“ darstelle. Inwieweit eine solche Beziehungsproblematik Ursache dafür hat sein können, dass der Antragsteller sich zu der hier angeschuldigten Verfehlung im Kernbereich seiner Dienstpflichten hat hinreißen lassen, und infolge dessen zu seinen Gunsten etwa als Handeln in einer psychischen Ausnahmesituation berücksichtigt werden könnte, lassen sich der ärztlichen Bescheinigung nicht im Ansatz entnehmen. Vielmehr ist derzeit auch unter Zugrundelegung der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass von einem mit einer „Beziehungsproblematik“ belasteten Justizvollzugsbeamten erwartet werden muss, dass er gegenüber weiblichen Strafgefangenen seinen sexuellen Bedürfnissen keinen freien Lauf lässt. Zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt erweist sich mithin die geltend gemachte vermeintliche gesundheitliche Beeinträchtigung als irrelevant.Rn. 19
Weitergehende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zum Tatzeitpunkt in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen wäre, sind nach Lage der Dinge nicht ersichtlich.Rn. 20
Ist nach alledem davon auszugehen, dass der Antragsteller im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden wird, führt sein Antrag auf Aussetzung der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung nicht zum Erfolg.Rn. 21
Auch der Einbehalt der Dienstbezüge um 20 v. H. erweist sich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der Kammer als rechtmäßig. Diese Anordnung findet in der Sache ihre Rechtfertigung in der Prognose, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird. Über die Höhe des einzubehaltenden Betrages entscheidet die Disziplinarbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei maßgebliche Grundlage für die Entscheidung die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten sind. Vorliegend sind keine Umstände ersichtlich, die die verfügte Einbehaltung als ermessensfehlerhaft erscheinen lassen. Die vom Antragsteller dargelegten wirtschaftlichen Verhältnisse wurden ausreichend berücksichtigt und in der streitgegenständlichen Verfügung dargelegt.Rn. 22
Hat demzufolge der Antrag des Antragstellers insgesamt keinen Erfolg, ist dieser mit der sich aus § 100 Abs. 1 LDG ergebenden Kostenfolge abzulehnen.Rn. 23