Die Klage ist begründet. | Rn. 18 |
Die Umsätze aus der tageweisen Vermietung (75 v. H. der Umsätze) unterliegen insoweit, als sie auf die Überlassung der Wohn- und Schlafräume entfallen (70 v. H.), dem ermäßigten Steuersatz. | Rn. 19 |
Nach § 12 Absatz 2 Nr. 11 UStG gilt der ermäßigte Steuersatz insbesondere für „die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält”. Unionsrechtliche Grundlage hierfür ist Art. 98 Absatz 2 der MwStSystRL i. V. m. Anhang III Nr. 12. Danach sind die Mitgliedstaaten berechtigt, auf die Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen, einschließlich der Beherbergung in Ferienunterkünften” einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden. | Rn. 20 |
1. Wohn- und Schlafräume sind Räumlichkeiten, die so eingerichtet sind, dass darin gewohnt und geschlafen werden kann; sie müssen der Aufnahme von Personen zur Gewährung von Unterkunft dienen. Liegt der Schwerpunkt der Leistung nicht in der Überlassung zu Wohn- oder Schlafmöglichkeiten, sondern steht bei der Raumüberlassung die Möglichkeit im Vordergrund, in den überlassenen Räumen sexuelle Leistungen gegen Entgelt zu erbringen und zu konsumieren, wie dies z. B. bei Räumlichkeiten in einem Bordellbetrieb der Fall ist, sind die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG nicht erfüllt (BFH-Urteil vom 22.08.2013 V R 18/12, BStBl II 2013, 1058; FG Düsseldorf vom 01.06.2012, 1 K 2723/10 U, EFG 2012, 1699 – Rev. XI R 30/12; Heidner in Bunjes, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 11 Rz. 225; Nieskens in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 11 Anm. 53; Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 11 Rz. 542). | Rn. 21 |
Unstreitig ist, dass in den hier überlassenen Räumlichkeiten keine Prostitution stattfindet. Unstreitig ist auch, dass sich die Tätigkeit des Klägers auf die Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten beschränkt und keine weitergehenden Leistungen (z. B. Vermittlung von Sex-Partnern, Animation bzw. Anleitung zu bestimmten Sexpraktiken, Getränkeverkauf o. ä.) erbracht werden. | Rn. 22 |
Diese Raumüberlassung stellt eine „Beherbergung“ dar, weil Wohn- und Schlafräume tageweise (mindestens eine Übernachtung) vermietet werden. Der überwiegende Teil der vermieteten Ferienwohnung (70 v. H.) besteht aus Küche, Bad, Wohn- und Schlafzimmer und dient damit der von § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG begünstigen Unterkunft von Gästen. | Rn. 23 |
2. Der Argumentation des Beklagten, dass die teilweise Nutzung der Wohnung zur Beherbergung durch die vorrangig beabsichtigte Nutzung der „speziellen Räumlichkeiten“ für bestimmte sexuelle Vorlieben verdrängt werde, vermag der Senat nicht zu folgen. | Rn. 24 |
Mit der tageweisen Vermietung der o. g. Wohn- und Schlafräume liegen nach Auffassung des Senats begünstige Beherbergungsumsätze vor. Bei der zusätzlichen Überlassung der „besonderen Räumlichkeiten“ kann es sich daher nur um Nebenleistungen handeln, die aufgrund des Aufteilungsgebots in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nicht unmittelbar der Vermietung dienen. | Rn. 25 |
a) Nach der Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG wären neben den klassischen Beherbergungsleistungen auch die (unselbstständigen) Nebenleistungen steuerermäßigt gewesen. Eine Nebenleistung liegt vor, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des leistenden Unternehmers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen; sie "teilt das steuerliche Schicksal der Hauptleistung", d. h. sie wird umsatzsteuerrechtlich wie die Hauptleistung behandelt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2011 XI R 20/09, BStBl II 2012, 374, unter II.2.a). Rn. 26 Diese Einbeziehung sämtlicher Nebenleistungen in die in § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG vorgesehene Steuerermäßigung wollte der Gesetzgeber durch den auf Vorschlag des Finanzausschusses "zur klarstellenden Einschränkung" eingefügten Satz 2 der Vorschrift gerade verhindern. Die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ist mithin auf reine Vermietungs- bzw. Beherbergungsleistungen beschränkt und schließt durch § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG (bloße) Nebenleistungen zur Vermietung, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, vom ermäßigten Steuersatz aus. Damit normiert § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG ein Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen (BFH-Urteil vom 24.04.2013 XI R 3/11, BStBl II 2014, 86). | Rn. 27 |
Welche Leistungen i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG "nicht unmittelbar der Vermietung dienen", hat der Gesetzgeber (bewusst) nicht näher definiert. Die Abgrenzung im Einzelnen kann schwierig sein und ist teilweise umstritten (vgl. BFH-Urteil vom 24.04.2013 XI R 3/11, BStBl II 2014, 86 – zu Frühstücksleistungen; FG Düsseldorf vom 01.06.2012, 1 K 2723/10 U, EFG 2012, 1699, Rev. XI R 30/12 – zur Zimmerüberlassung an Prostituierte und FG Niedersachen vom 16.01.2014 5 K 273/13, Rev. XI R 11/14 – Überlassung von Pkw-Plätzen an Hotelgäste). | Rn. 28 |
Die Finanzverwaltung sieht z. B. „Leistungen, die das körperliche, geistige oder seelische Wohnbefinden steigern („Wellnessangebote“)“ als nicht unmittelbar der Vermietung dienende Leistungen an (Abschn. 12.16 Abs. 8 UStAE). Entsprechendes gilt nach Auffassung des Senats für die hier streitige Überlassung der „besonderen Räumlichkeiten“. Hierbei handelt es um ein vergleichbares „Wellnessangebot“ für Gäste mit Vorlieben für bestimmte sexuelle Praktiken. So haben die Gäste während ihres Aufenthalts in der Ferienwohnung die Möglichkeit, ihre besonderen Vorlieben auszuleben. Hierfür stellt ihnen der Kläger geeignete Einrichtungen und Gegenstände zur Verfügung. Im Ergebnis ist damit kein entscheidungserheblicher Unterschied zu klassischen Wellnessangeboten (z. B. Whirlpool, Sauna, Massage) festzustellen. Auch diese werden vom Betreiber (Hotelier) häufig besonders herausgestellt und durch Internetauftritt beworben. | Rn. 29 |
b) Unerheblich ist, ob die Ferienwohnung vorrangig zu Wohnzwecken oder zur Befriedigung der besonderen sexuellen Vorlieben angemietet wurde. Einer diesbezüglichen Motivforschung bedarf es nicht. Entscheidend ist allein, dass Wohn- und Schlafräume vermietet wurden. Hieran vermag die Überlassung der beiden „besonderen Räumlichkeiten“ nichts zu ändern. Diese Nebenleistung dient nicht unmittelbar der Vermietung und unterliegt daher der Regelbesteuerung. Sie kann aber als Nebenleistung zur steuerbegünstigten Vermietung nicht ihrerseits der Vermietung das Gepräge dergestalt vermitteln, dass die gesamte Vermietungsleistung der Regelbesteuerung zu unterwerfen wäre. | Rn. 30 |
c) Es kommt auch nicht darauf an, ob und ggfs. wie oft die Gäste den eigentliche Wohn- und Schlaftrakt der Ferienwohnung überhaupt genutzt haben. Der Begriff der „Vermietung“ ist als eigenständiger Begriff des EU-Rechts unabhängig vom Zivilrecht auszulegen (Heidner in Bunjes, UStG, § 4 Nr. 12 Rz. 12 m. w. N.). | Rn. 31 |
Die Vermietung besteht im Wesentlichen darin, dem Mieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht einzuräumen, ein Grundstück (Gebäude) so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Rechts auszuschließen (vgl. z. B. EuGH-Urteil vom 16.12.2010 C-270/09, Mac Donald Resorts, DStR 2011, 119). | Rn. 32 |
Dementsprechend reicht es aus, dass den Gästen mit der Vermietung die Möglichkeit eingeräumt wurde, den Schlaf- und Wohntrakt zu nutzen. Ob und mit welcher Intensität sie dieses getan haben, ist nicht entscheidungserheblich. Unabhängig davon dürfte den Gästen auch bei intensiver Nutzung der zur Verfügung stehenden besonderen Einrichtungen noch genügend Zeit verblieben sein, um die übrigen - eigentlichen - Wohn- und Schlafräume zu nutzen. Schließlich gibt es neben dem vom Kläger angeführten Grundbedürfnis des Menschen auf Sex auch noch weitere Grundbedürfnisse wie Essen oder Schlafen. | Rn. 33 |
d) Der Klage war im vollem Umfang stattzugeben, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen Klageantrag auf die Wohn- und Schlafräume beschränkt hat und die Anwendung des begünstigten Steuersatzes auf die Umsätze der stundenweisen Überlassung der Wohnung (25 v. H. der Vermietungsumsätze) nicht weiterverfolgt. | Rn. 34 |
Die vom Kläger beantragte Aufteilung der Umsätze entsprechend dem Verhältnis der Flächen (70 v. H. Schlaf- und Wohnräume / 30 v. H. „Behandlungszimmer“ und BDSM-Studio) hält der Senat für sachgerecht. Anders als bei Frühstücksleistungen oder Parkplatzgestellung lässt sich ein anteiliger Preis für die Nutzungsmöglichkeit der besonderen Einrichtungen nicht am Markt ermitteln. | Rn. 35 |
3. Die Kostenteilung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Dabei hatte der Senat zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen Antrag erst in der mündlichen Verhandlung eingeschränkt hat. | Rn. 36 |
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151,155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr.10, 711 ZPO. | Rn. 37 |
Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen worden. | Rn. 38 |