Florian Albrecht, M.A.*: Rezension – Bolaños, Die Transformation des Bundesgrenzschutzes in die Bundespolizei, 2016
ZVR-Online Dok. Nr. 17/2016 – online seit 30.10.2016
Bolaños, Thomas-Max Fernandez
Die Transformation des Bundesgrenzschutzes in die Bundespolizei. Eine rechtstatsächliche Untersuchung anhand der Genese der gesetzlichen Aufgaben
Verlag Dr. Kovac
Hamburg 2016
300 Seiten
99,80 €
ISBN 978-3-8300-8933-9
Im ersten Kapitel erläutert der Verfasser die voneinander zu unterscheidenden polizeirechtlichen Begriffe „Aufgabe“ und „Befugnis“ und stellt den Aufgabenwandel, den die Bundespolizei erlebt hat, chronologisch dar. Hier findet sich auch ein übersichtliches Schaubild zur Entwicklung der gesetzlichen Grundlagen (S. 13). | Rn. 1 |
Das zweite Kapitel führt den Leser in die nach dem Ende des zweiten Weltkriegs in Deutschland bestehende kriminalpolitische Situation ein. Enthalten sind insbesondere Ausführungen zu den Diskussionen, die hinsichtlich der Zuweisung von polizeilichen Kompetenzen gegenüber dem Bund, der Förderung des Aufbaus der Bundeswehr durch den Bundesgrenzschutz und der Entscheidung, die Bundeswehr und den Bundesgrenzschutz nebeneinander bestehen zu lassen, geführt wurden. Gesetzlich war dem Bundesgrenzschutz in diesen Anfangsjahren nur die Aufgabe des polizeilichen Schutzes der Bundesgrenzen übertragen (S. 33). | Rn. 2 |
Mit der Frage, ob dem Bundesgrenzschutz im Jahr 1965 im Zuge einer Gesetzesreform ein Kampfauftrag erteilt wurde, beginnt das dritte Kapitel. Hier wird erläutert, welche Rolle dem Bundesgrenzschutz im Falle eines bewaffneten Konfliktes beigemessen wurde: „[…] dass selbst im Verteidigungsfall der Bundesgrenzschutz Polizei bleibt. In der Folge konnte sein Einsatz gegen gegnerische Kombattanten immer nur Nebenprodukt seiner polizeilichen Aufgabenwahrnehmung sein.“ (S. 37) Ausführlich dargestellt wird sodann der mit der 1968 erfolgten Aufnahme einer Notstandsverfassung in das Grundgesetz einhergehende Aufgabenzuwachs. Der Bundesgrenzschutz war künftig auch im Katastrophenfall, im Falle eines inneren Notstandes sowie im Verteidigungsfall mit neuen polizeilichen Aufgaben ausgestattet und so in eine „multifunktionale Polizei des Bundes“ transformiert worden (S. 58). Anzumerken ist, dass sich in diesem Teil der Arbeit auch Hinweise finden, die gegen den gegenwärtig wieder einmal diskutierten Einsatz der Bundeswehr im Innern sprechen. Der Verfasser weist darauf hin, dass die Übertragung polizeilicher Befugnisse auf hierfür nicht bzw. unzureichend ausgebildete Soldaten wenig sinnvoll sein dürfte (vgl. S. 64). | Rn. 3 |
Einblicke in die „Verzahnung“ der Sicherheitskräfte von Bund und Ländern unter dem Dach einer Gesamtkonzeption der deutschen Sicherheitsarchitektur (vgl. das sog. „Programm für die Innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland“, das in regelmäßigen Abständen fortgeschrieben wird) verschafft dem Leser das vierte Kapitel. Sodann wird die mit dem Gesetz über den Bundesgrenzschutz im Jahr 1972 erfolgte umfassende Neuregelung der Aufgaben des Bundesgrenzschutzes erläutert und analysiert. Die Darstellung befasst sich u.a. mit dem Schutz von Bundesorganen (S. 86 ff.), der Sicherung eigener Einrichtungen (S. 92 ff.), den Aufgaben des Bundesgrenzschutzes auf hoher See (S. 95 ff.) sowie der Unterstützung der Länderpolizeien (S. 99 ff.). Das Kapitel zeichnet mithin die Entwicklung des Bundesgrenzschutzes zur „Sonderpolizei des Bundes“ (S. 126) nach. | Rn. 4 |
Dass die bahnpolizeilichen Aufgaben zunächst von der Bahnpolizei, die als Teil der Deutschen Bundesbahn dem Verkehrsministerium unterstand, auf den Bundesgrenzschutz überführt werden mussten, erfährt der Leser u.a. zu Beginn des fünften Kapitels. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der anlässlich (nicht ursächlich!) der Deutschen Einheit erfolgten Übertragung von Aufgaben auf dem Gebiet der Bahnpolizei und Luftsicherheit auf den Bundesgrenzschutz werden anhand der sog. Gepräge-Formel des Bundesverfassungsgerichts erläutert (S. 156 ff.). Hiernach ist eine Übertragung von Aufgaben auf den Bundesgrenzschutz nur möglich, solange dessen Gepräge nicht verändert wird: „Damit wird bei wachsender Bedeutung der Grenzschutzaufgabe beziehungsweise der Aufgabe zur Abwehr von Sondergefahren die Möglichkeit zur Übertragung weiterer Aufgaben geschaffen. Im Umkehrschluss bedingt ein Bedeutungsverlust der Kernaufgaben einen geringeren Gestaltungsspielraum, im Zweifel sogar die Abgabe von Aufgaben.“ (S. 157) | Rn. 5 |
Die im Jahr 2005 erfolgte Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei wird mit dem sechsten Kapitel thematisiert. Hier wird ersichtlich, dass sich die mit der Umbenennung einhergehenden Befürchtungen nicht realisiert haben, weil „der neue Name keine Sogwirkung für weitere Aufgaben entfaltet hat“ (S. 244). Anlass für die Aufnahme des Schutzes an Bord von deutschen Luftfahrzeugen war vielmehr die nach dem 11. September 2001 beschlossene Terrorismusbekämpfung. Überdies verdeutlich der abschließende Teil der Arbeit, dass aktuelle Entwicklungen, wie sie gegenwärtig unter den Schlagworten „Willkommenskultur“ und „Wir schaffen das“ zusammengefasst werden können, nicht mit der Realität zu vereinbaren sind, die den Gesetzgeber bewegt hat, bspw. eine Befugnis des Bundesgrenzschutzes zur anlasslosen Identitätsfeststellung (sog. Schleierfahndung) zu schaffen (S. 217 ff.). | Rn. 6 |
Das mit einer Zusammenfassung schließende Werk ist in erster Linie keine Kommentierung der gesetzlichen Grundlagen der bundespolizeilichen Arbeit, sondern vielmehr eine rechtshistorische Darstellung der Entwicklung des Bundesgrenzschutzes hin zur Bundespolizei. Hierbei werden unzählige Streitstände, Diskussionen und Gesetzgebungsmaterialien erläutert, analysiert und zusammengefasst, anhand derer sich Rückschlüsse und Empfehlungen für künftige Entwicklungen der „Sonderpolizei des Bundes“ und der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland gewinnen lassen. „Die Transformation des Bundesgrenzschutzes in die Bundespolizei“ ist damit ein Kompendium über die Bundespolizei und zugleich ein wichtiger Beitrag zum Verständnis des bundespolizeilichen Aufgabenspektrums, dessen Bedeutung sich mit den in der Einführung frei zitierten Worten Wilhelm von Humboldts zusammenfassen lässt: „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und so die Zukunft erfolgreich gestalten.“ (S. 2 f.) | Rn. 7 |
Fußnoten
* Florian Albrecht, M.A. (Polizeiwissenschaften), ist Oberregierungsrat und hauptamtlich Lehrender für die Rechtsfächer an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl.