Die Beschwerde ist aufgrund des nach Fertigstellung des Hauses fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Für eine zulässige Beschwerde sei ein schutzwürdiges Interesse an einer Entscheidung des Beschwerdegerichts erforderlich, was im Falle einer stattgebenden Beschwerdeentscheidung eine Verbesserung der Rechtsstellung des Beschwerdeführers voraussetze. Ein Antrag nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO erfordere ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis. Ein Dritter im Sinne des § 80a VwGO sowie des § 212a Abs. 1 BauGB könne auch eine Gemeinde sein, die sich gegen eine - unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens - erteilte Baugenehmigung wende. Das Rechtsschutzbedürfnis entfalle, wenn der Begünstigte durch Fertigstellung des Rohbaus von der Baugenehmigung Gebrauch gemacht habe und der Dritte das angestrebte Rechtsschutzziel aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mehr erreichen könne, weshalb der vorläufige Rechtsschutz dem Dritten keinen rechtlich relevanten Vorteil bringe. | Rn. 5 |
Weitergehend führt das Gericht zu diesem Punkt aus:
„Wann dies der Fall ist, richtet sich wesentlich nach den jeweiligen Verhältnissen im Einzelfall. Nach der Rechtsprechung des Senats ist, soweit eine Verletzung von Rechten des Dritten allein durch die Bausubstanz der genehmigten baulichen Anlage als solche in Rede steht, in aller Regel jedenfalls nach Erstellung des Rohbaus die etwaige Verletzung der Rechte bereits eingetreten mit der Folge, dass dann kein Rechtsschutzbedürfnis des Dritten mehr an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs besteht. Ist der Baukörper bereits fertiggestellt, werden mit der Aufnahme oder Fortsetzung seiner Nutzung keine Fakten geschaffen, die die Durchsetzung der Rechte des Dritten im Hauptsacheverfahren unverhältnismäßig erschweren könnten. Eine Einstellung der Bauarbeiten, die der Dritte infolge einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs erreichen könnte, würde ihm keinen rechtlichen Vorteil verschaffen. Das Rechtsschutzinteresse für den Antrag besteht hingegen auch nach Fertigstellung der baulichen Anlage des Vorhabens fort, wenn der Dritte Beeinträchtigungen geltend macht, die nicht (nur) in der Durchführung der Baumaßnahme mit der Errichtung des Baukörpers, sondern (auch) in der bestimmungsgemäßen Nutzung der baulichen Anlage liegen, und diese Nutzung fortdauert. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin gelten diese Grundsätze nicht nur im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung, sondern auch beim vorläufigen Rechtsschutz einer Gemeinde, die sich gegen die unter Ersetzung des von ihr versagten Einvernehmens gegen eine einem anderen erteilte Baugenehmigung wendet. Denn auch die Gemeinde ist - wie ausgeführt - Dritter im Sinne von § 80a VwGO.“ | Rn. 6 |
Sollte das bereits errichtete Gebäude sich nicht in die nähere Umgebung einfügen, wie die Antragstellerin vorträgt, und wäre infolgedessen die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens rechtswidrig, wäre die Rechtsverletzung bereits eingetreten, ohne dass die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu einem anderen Ergebnis führen würde. | Rn. 7 |
„Bei objektiver Betrachtung wendet sich die Antragstellerin als Dritte nur gegen die von der baulichen Anlage als solcher ausgehenden Beeinträchtigungen, nicht aber gegen die Nutzung der baulichen Anlage als Wohngebäude. Nicht streitig ist nämlich, dass das Wohngebäude nach Art der Nutzung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB sich in die Eigenart der Wohnbebauung in der näheren Umgebung einfügt. Dementsprechend stellt das Verwaltungsgericht zu Recht fest, dass insoweit übereinstimmend mit den Beteiligten die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf die „Art der baulichen Nutzung“ keinen Bedenken begegnet. Die Antragstellerin wendet sich im Beschwerdeverfahren im Kern gegen die von der genehmigten baulichen Anlage als solcher ausgehenden Beeinträchtigungen, indem sie rügt, dass das Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB sich nicht in die nähere Umgebung einfüge.“ | Rn. 8 |
Auch die behauptete Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit aufgrund des ersetzten Einvernehmens begründe kein abweichendes Ergebnis. Die Antragstellerin habe nicht hinreichend vorgetragen, dass sich durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach Fertigstellung des Wohnhauses ihre Rechtsstellung verbessern würde. | Rn. 9 |
„Es trifft zwar zu, dass Zweck des Einvernehmenserfordernisses des § 36 BauGB der Schutz der Planungshoheit der Gemeinde ist. Bei dem hier nach den gesetzlichen Merkmalen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu beurteilenden Vorhaben steht die Entscheidung nach § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB aber nicht im Ermessen der Gemeinde. Die Antragstellerin kann daher nicht losgelöst von den bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitstatbeständen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB „Planungsermessen“ oder ihre planerische Gestaltungsfreiheit ausüben (vgl. Jäde/Dirnberger u. a., BauGB, 8. Aufl. 2017, § 36 Rn 43 m.w.N.). Wenn das Vorhaben der Beigeladenen den planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht entspricht, hätte die Antragstellerin im Übrigen - ohne dass sie gerichtlichen vorläufigen Rechtsschutzes bedurft hätte - von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen können, durch Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Gebiet die planungsrechtlichen Grundlagen für die Zulässigkeit eines Vorhabens zu ändern und zur Sicherung der Planung die Mittel der Veränderungssperre oder der Zurückstellung von Baugesuchen zu ergreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1986 – BVerwG 4 C 43.83 –, juris Rn. 12). Nach der erfolgten Fertigstellung des Wohngebäudes und des damit einhergehenden tatsächlichen Eintritts des erhöhten Maßes der baulichen Nutzung auf dem Grundstück würde für sich genommen die vorläufige Hemmung der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung durch Anordnung der begehrten aufschiebenden Wirkung der Klage ihre Rechtsstellung auch im Hinblick auf die im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ausgeübte Planungshoheit nicht verbessern. Eine abschließende Klärung, ob das Bauvorhaben der Beigeladenen den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insbesondere des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, entspricht oder nicht und damit die von der Antragstellerin vorgebrachte Verletzung ihrer Rechte eingetreten ist oder nicht, kann nur durch eine rechtskräftige Entscheidung in dem bereits anhängigen Hauptsacheverfahren erfolgen.“ | Rn. 10 |
Eine Verbesserung der Rechtsstellung der Gemeinde trete auch nicht durch die Verhinderung der „Vorbildwirkung“ ein. | Rn. 11 |
„Selbst wenn hier nach Fertigstellung des genehmigten Wohngebäudes der Beigeladenen die Vollziehbarkeit der Baugenehmigung vorläufig gehemmt wäre, würde dies die Rechtsstellung der Gemeinde im Hinblick auf die Vorbildwirkung des Bauvorhabens für andere Bauvorhaben in der Umgebung nicht verbessern. Maßgebend für die nähere Umgebung, in die sich die von der Antragstellerin erwarteten anderen Vorhaben nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, einfügen müssen, ist grundsätzlich die vorhandene Bebauung (BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2014 – BVerwG 4 B 38/13 –, juris Rn. 13; Rubel, DVBl. 2018, 403 (407)). Die vorläufige gerichtliche Aussetzung der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung wäre keine mit dem Auge aus der Umgebung wahrnehmbare Gegebenheit. Gleichwohl wäre in diesen Einzelfall die genehmigte und inzwischen fertiggestellte und damit vorhandene bauliche Anlage der Beigeladenen nach den Umständen des Einzelfalles auch ohne Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht maßgebend. Eine tatsächlich vorhandene Baulichkeit hat nach der Rechtsprechung des Senats im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nämlich dann außer Betracht zu bleiben, wenn das Verhalten der zuständigen Behörde bzw. das der das Einvernehmen versagenden Gemeinde hinreichend klar zeigt, dass sich die zuständige Behörde bzw. die Gemeinde mit dem Vorhandensein der Baulichkeit nicht abgefunden hat (vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 25. April 2013 – OVG 10 N 21.10 –, juris Rn. 8). Nach den Umständen des Einzelfalles ist dies hier so, denn die Gemeinde hat sich mit dem Vorhandensein des genehmigten Wohngebäudes der Beigeladenen erkennbar nicht abgefunden. Sie hat gegen die Baugenehmigung vom 26. Oktober 2016 in der Hauptsache Klage erhoben und mit ihrer Klagebegründung macht sie deutlich, dass das Wohngebäude nach dem Maß der baulichen Nutzung sich ihrer Ansicht nach nicht in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfüge. Angesichts dessen kann das vorhandene Wohngebäude derzeit jedenfalls bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nach den Umständen dieses Einzelfalles nicht Teil des aus der Umgebung ableitbaren Rahmens sein und hat daher auch ohne die von der Antragstellerin begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage zumindest vorläufig keine Vorbildwirkung für andere Vorhaben in der näheren Umgebung.“ | Rn. 12 |