Prof. Dr. Uta Stäsche*: Der Anspruch auf Gewährung eines Forschungsfreisemesters an staatlichen Berliner Hochschulen für Angewandte Wissenschaften - „Sollen“ und „intendiertes Ermessen“ im Spannungsfeld von Anspruch und Wirklichkeit
ZVR-Online Dok. Nr. 09/2022– online seit 04.10.2022
I. Einleitung
II. Problemstellung
III. Rechtlicher Rahmen für Forschungsfreisemester
1. Berliner Hochschulgesetz: Rechtsanspruch auf Gewährung eines Forschungsfreisemesters aufgrund gesetzlich determinierter Rechtsfolge
a) Sollvorschrift des § 99 Abs. 6 S. 1 BerlHG
b) Intendiertes Ermessen gem. § 99 Abs. 6 S. 2 HS 1 BerlHG
c) Vorliegen eines atypischen Falles in Gestalt unauskömmlicher Haushaltsmittel?
aa) Unauskömmlicher Haushaltstitel für Freistellungen
bb) Gesamtfinanzierungslücke einer Hochschule
d) Ergebnis
2. Verfahren und kompetentielle Grundlagen im Berliner Hochschulrecht
a) Stellungnahme der Forschungskommission
b) Feststellung der „Vereinbarkeit mit der Lehre“ durch den Fachbereichsrat
aa) Kriterium im Einzelnen
bb) Einbeziehung finanzieller Erwägungen im Feststellungsbeschluss?
(1) Unauskömmlicher Haushaltstitel für Freistellungen
(2) Gesamtfinanzierungslücke einer Hochschule
cc) Ergebnis
dd) Exkurs: Beratung in öffentlicher Sitzung
c) Entscheidung des Dekans und Bestätigung durch den Hochschulleiter
aa) Unauskömmlicher Haushaltstiteltitel für Freistellungen und FOSE-Ausgestaltungsoptionen
bb) Gesamtfinanzierungslücke einer Hochschule
3. Ergebnis
IV. Resümee und Ausblick
I. Einleitung
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der in der Praxis relevanten Frage, ob ein Berliner Hochschullehrer einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) über einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Forschungsfreisemesters (FOSE) verfügt oder ob ihm hier der Vortrag unauskömmlicher Haushaltsmittel mit Erfolg entgegengehalten werden kann. Zunächst wird dafür die primäre Hürde für die Durchführung von Forschung an HAWs vorgestellt, aufgrund derer ein FOSE für HAW-Hochschullehrer von besonders hoher Bedeutung ist (s. II.). Im Anschluss werden der Rechtsrahmen für die Freistellung eines Hochschullehrers skizziert und die Verfahrensschritte geschildert (s. III.). In die Analyse fließen das Sparsamkeitsbedürfnis der Berliner Hochschulen, der im Hochschulrecht ausgewiesene Forschungsauftrag der HAW und die Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 GG ein. Außerdem werden die Grundzüge des Finanz- und Haushaltswesens (s. III. 1. c) bb) sowie Optionen zur Ausgestaltung eines FOSE an Hochschulen vorgestellt (s. III. 2. c) aa). Die generellen Ausführungen zum Rechtsanspruch auf Gewährung eines FOSE gelten ferner für Berliner Hochschullehrer an Universitäten, da die Rechtsgrundlage des § 99 Abs. 6 BerlHG auf beide Hochschularten Anwendung findet. Sie gelten analog für Anträge auf Gewährung eines Praxisfreisemesters und auf Durchführung künstlerischer Entwicklungsvorhaben. | Rn. 1 |
II. Problemstellung
Das Kontingent an FOSE und Praxisfreisemestern an HAWs wird einerseits in der Regel nicht ausgereizt. So betrug der Anteil besonders forschungsengagierter Hochschullehrer 2016/17 lediglich zwischen 10 % und 25 %.[1] Andererseits gibt es forschungsstarke Fachbereiche, an denen Hochschullehrer Hindernissen begegnen, wenn sie ein FOSE durchführen möchten. Ein Hindernis kann insbesondere darin liegen, dass der jährliche Haushaltsplan einer Hochschule einem Fachbereich Freistellungsmittel zuweist, die sich unterhalb der Mittel bewegen, die tatsächlich auszuweisen waren, um freistellungsfähigen Antragstellern ein FOSE zu gewähren. Beantragen hier mehr Hochschullehrer ein FOSE für denselben Zeitraum, als der Fachbereich im Freistellungstitel über Mittel verfügt, kann es vorkommen, dass einige ihre Freistellung nicht antreten können. Dieser Zustand kann sich z.T. deutlich über die im Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) vorgesehene Regelwartezeit von sieben Semestern (SE) hinaus erstrecken. Eine Unterfinanzierung wird bisweilen damit begründet, dass das Land Berlin generell nicht über ausreichende Mittel verfüge und daher seinen HAWs nicht mehr zuweisen könne, so dass diese in Folge ihre Fachbereiche nur begrenzt ausstatten können. Eine derartige prekäre Situation kann sich verstärken, wenn eine Hochschule in einem Haushaltsjahr eine Gesamtfinanzierungslücke zu bewältigen hat und diese teilweise an ihre Fachbereiche weitergibt. Ein forschungsstarker Fachbereich ist hier mit zweifachem Druck konfrontiert: Er möchte den Anträgen seiner Hochschullehrer auf Gewährung ihrer FOSE im Rahmen der bereits vorhandenen Unterfinanzierung gerecht werden und seinen Beitrag zur Deckung der Gesamtfinanzierungslücke der Hochschulen leisten. In diesem Verantwortungs- und Spannungsgefüge zwischen Berliner Senat, HAW, Hochschulleitung, Fachbereich und Hochschullehrer ist eine saubere Differenzierung zwischen den jeweiligen Kompetenzen grundlegend, um zu einer rechtlich tragfähigen Lösung zu gelangen. Unstrittig ist, dass eine Ablehnung eines FOSE aus finanziellen Gründen in erster Linie den forschungsbereiten freistellungsfähigen Hochschullehrer trifft. | Rn. 2 |
Ein Hochschullehrer einer HAW ist aufgrund seines hohen Regellehrdeputats besonders auf den zeitlichen Freiraum eines FOSE angewiesen, um seiner Dienstaufgabe der Forschung (§ 99 Abs. 1 u. 6, § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 7 S. 4 BerlHG) adäquat nachkommen zu können. Das Regeldeputat von 18 Lehrverpflichtungsstunden (LVS)[2] wurde vor 45 Jahren von der Kultusministerkonferenz am 10.3.1977[3] festgelegt und blieb seither in den Ländern (außer Sachsen-Anhalt mit 16 LVS) unverändert. Auch an Berliner HAWs begrenzt es die Forschungsfreiheit der Hochschullehrer, da aufgrund der überdurchschnittlichen LVS-Zahl für Forschung nicht ausreichend Zeit bleibt und diese daher oft an Wochenenden oder in der vorlesungsfreien Zeit stattfindet. | Rn. 3 |
Waren in den 80er Jahren frühere „Fachhochschul“-lehrer zu „ausschließlicher“ Lehrtätigkeit verpflichtet,[4] beobachtete das BVerfG bereits 1982 eine Annäherung zwischen Universitäten und Fachhochschulen (FH).[5] Am 13.4.2010 erkannte es in seiner hochschulrechtlichen Leitentscheidung Fachhochschullehrern das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit zu.[6] „Wissenschaftliche Forschung“ gem. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG umfasst nach der Rechtsprechung des BVerfG Grundlagenforschung und anwendungsbezogene Forschung.[7] Der Kern der Wissenschaftsfreiheit besteht für Hochschullehrer in dem Recht, ihr Fach in Forschung und Lehre zu vertreten.[8] Das BVerfG stellte hier fest, dass die Lehrverpflichtung nicht so hoch angesetzt werden darf, dass kein ausreichender zeitlicher Freiraum für die Forschung verbleibt.[9] Seit den 90er Jahren hat sich in allen Landeshochschulgesetzen eine stetige Aufgabenerweiterung der HAWs vollzogen,[10] mit der die dienstrechtliche und inhaltliche Aufgabenerweiterung ihrer Hochschullehrer einherging. Gleichwohl ließ das BVerwG 2012 die Chance verstreichen zu prüfen, wie weit der vom BVerfG 1982 konstatierte Annäherungsprozess zwischen den beiden Hochschularten fortgeschritten ist. Es erkannte hingegen in der Differenzierung nach der Höhe des Regellehrdeputats – acht bis zehn LVS für Hochschullehrer an Universitäten und in der Regel 18 LVS für Hochschullehrer an HAWs – eine gesetzgeberische Intention, dass die Tätigkeit eines Hochschullehrers einer FH im Vergleich zu derjenigen eines Hochschullehrers einer Universität ihren Schwerpunkt in der Lehre und nicht in der Forschung besitze.[11] Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte 2021 diese Rechtsprechung.[12] | Rn. 4 |
Fraglich ist, ob dieses Verständnis mit Blick auf das Hochschulrecht noch zeitgemäß ist. Berliner Hochschulen sind gem. § 1 Abs. 1 u. 2 BerlHG die staatlichen Hochschulen. Zu diesen gehören jeweils vier Universitäten und Kunsthochschulen sowie vier HAWs: die Berliner Hochschule für Technik (BHT – bis 2021 Beuth-Hochschule für Technik), die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW), die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) und die Alice-Salomon-Hochschule Berlin (ASH). Die staatlichen Hochschulen dienen gem. § 4 Abs. 1 S. 1 u. 2 BerlHG „der Pflege und Entwicklung von Wissenschaft und Kunst durch Forschung, Lehre und Studium und der Vorbereitung auf berufliche Tätigkeiten. Sie wirken dabei an der Erhaltung des demokratischen und sozialen Rechtsstaates mit und tragen zur Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen bei.“ Auffallend ist zunächst, dass bei den grundsätzlichen Aufgaben der Hochschulen einschließlich der Forschung nicht zwischen Universitäten und HAWs differenziert wird (§ 4 Abs. 1 BerlHG). In teleologischer Auslegung wird hier das Motiv des Abgeordnetenhauses offenbar, HAWs gleich Universitäten als Forschungsinstitutionen zu betrachten. Folgerichtig erkennt § 5 Abs. 2 BerlHG den HAWs die Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 GG zu. Sodann ist die anwendungsbezogene Forschung den HAWs als Pflichtaufgabe ausdrücklich zugewiesen und damit auch ihren Hochschullehrern (§ 4 Abs. 7 S. 4, Abs. 1 S. 1, § 42 i.V.m. §§ 37 ff. BerlHG, § 43 Hochschulrahmengesetz-HRG). Das Land Berlin soll in Kooperation mit den HAWs die Forschungsmöglichkeiten ihrer Mitglieder ausbauen und schrittweise Möglichkeiten zur wissenschaftlichen Nachwuchsförderung weiterentwickeln (§ 4 Abs. 7 S. 5 BerlHG). Angesichts der zunehmenden Forschungsstärke der HAWs wurde diesen jüngst das Promotionsrecht für forschungsstarke Felder verliehen (§ 2 Abs. 6 BerlHG). Auch im Betreuungsverhältnis hat sich eine Annäherung vollzogen: So betreute 2020 ein Hochschullehrer einer HAW ca. 56 Studierende, ein Universitätsprofessor betreute 65 Studierende.[13] Sodann stellte das BVerfG 2021 fest, dass eine „trennscharfe Unterscheidung zwischen Universitäten und Fachhochschulen heute schwer möglich“ ist.[14] Insoweit ist zu konstatieren, dass die Länder einerseits in ihrer Hochschulgesetzgebung eine weitgehende Annäherung zwischen Universitäten und HAWs vornehmen, den Forschungsauftrag auf die HAWs erstrecken und sich der Betreuungsschlüssel annähert, andererseits aber am hohen, wohl auch verfassungswidrigen Regeldeputat von 18 LVS festhalten.[15] Länder wie Hochschulen haben indessen sicherzustellen, dass die Hochschulmitglieder die durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verbürgten Grundrechte tatsächlich wahrnehmen können, s. § 4 Abs. 1 u. 2 HRG. So obliegt die Pflicht zur Wahrung eines hinreichenden Freiraums für die Forschungstätigkeit sowohl dem Gesetz- und Verordnungsgeber als auch der das Dienstverhältnis im Konkreten ausgestaltenden Hochschulen und ihrer Organe.[16] | Rn. 5 |
Der Mehrwert von Forschung an HAWs dürfte mittlerweile konsentiert zu sein.[17] Ausweislich des Berliner Koalitionsvertrages sollen „Forschung und Transfer an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften“ ausgebaut und die „Versäulung der Wissenschaft“ zwischen Universitäten und HAWs weiter abgebaut werden.[18] HAWs gelten neben Universitäten als „Herz“ und „Rückgrat der deutschen Wissenschaftslandschaft“.[19] Die vier Berliner HAWs tragen gemäß den Hochschulverträgen „mit ihrem speziellen Profil der anwendungsorientierten Forschung und des forschungsbasierten Wissenstransfers (…) zur Sichtbarkeit des Wissenschaftsstandorts Berlin bei“ und sollen „ihre forschungsbezogene Profilierung (stärken)“.[20] Mit ihrer Haltung erschweren die Länder indessen, dass Hochschullehrer an HAWs ihrer Forschungsaufgabe adäquat nachkommen können. | Rn. 6 |
Angesichts der forschungsunfreundlichen Rahmenbedingung des hohen Regeldeputats ist ein FOSE für Hochschullehrer an HAWs von übergeordneter Bedeutung.[21] Wird ein Freistellungsantrag aus (vermeintlich) finanziellen Gründen abgelehnt, wird das an einer HAW vorhandene Forschungspotential nicht gehoben. Das kann bewirken, dass die Motivation eines Hochschullehrers sinkt und er generell von Forschung absieht. Infolge der Verwobenheit von Forschung und Lehre[22] kann sich dies wiederum auf die Qualität der Lehre sowie auf das nationale und internationale Renommée einer Hochschule auswirken. Im konkreten Einzelfall hilft folglich der generelle Befund, dass an HAWs nicht stets alle FOSE in Anspruch genommen werden, nicht weiter. Forschende Hochschullehrer sind kein Problem, sie bilden eine Bereicherung für ihre Hochschulen. Da die Wissenschaftsfreiheit kein Leistungsgrundrecht ist, kann aus ihr kein Rechtsanspruch auf Gewährung eines FOSE hergeleitet werden. Daher ist zu eruieren, ob Berliner Hochschullehrer an HAWs aus dem BerlHG einen Anspruch auf Gewährung eines FOSE bei Vorliegen der Regelvoraussetzungen herleiten können. | Rn. 7 |
III. Rechtlicher Rahmen für Forschungsfreisemester
Die Freistellung eines Hochschullehrers für Forschung ist in § 99 Abs. 6 BerlHG normiert. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat sich hier im Interesse der Stärkung der Eigenverantwortung der Hochschulen und der Flexibilität auf zentrale Vorgaben beschränkt. | Rn. 8 |
1. Berliner Hochschulgesetz: Rechtsanspruch auf Gewährung eines Forschungsfreisemesters aufgrund gesetzlich determinierter Rechtsfolge
Rechtsgrundlage für die Gewährung eines FOSE ist § 99 Abs. 6 BerlHG. Dessen Satz 1 lautet: „Zur Durchführung von Forschungsvorhaben (…) sollen Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen auf Antrag in angemessenen Zeitabständen unter Fortzahlung ihrer Dienstbezüge für ein Semester, in besonderen Fällen für zwei Semester von ihren übrigen dienstlichen Aufgaben freigestellt werden.“ Die „angemessenen Zeitabstände“ konkretisiert Satz 2. § 99 Abs. 6 S. 2 HS 1 BerlHG verbürgt die Regelwartefrist: „Eine Freistellung darf nach Ablauf von sieben Semestern nach der letzten Freistellung gewährt werden“. Diese ist gem. § 99 Abs. 6 S. 2 HS 2 Alt. 1 BerlHG ausschließlich „aus dienstlichen Gründen“ um höchsten zwei SE auf neun SE verlängerbar. Wurde ein FOSE gewährt, und steht ein weiteres FOSE an, bestimmt § 99 Abs. 6 S. 2 HS 2 Alt. 2 und S. 3 HS 1. BerlHG eine Verkürzung der Regelwartefrist für die nächste Freistellung für drei Fälle: | Rn. 9 |
1) Einem Hochschullehrer wurde das vorangegangene FOSE ausnahmsweise wegen „dienstlicher Gründe“ später gewährt (§ 99 Abs. 6 S. 2 HS 2 Alt. 1 BerlHG); 2) Ein Hochschullehrer führte nachweislich Lehre über das Regeldeputat hinaus in den vorangegangenen SE ohne Freistellung durch; 3) Ein Hochschullehrer erbrachte „besondere Leistungen oder Erfolge“ bei der Erfüllung von Lehraufgaben. | Rn. 10 |
In diesen Fällen „verkürzt sich“ die Frist für die nächste Freistellung „entsprechend“. Mithin verringert sich in Fall 1) die Folgewartefrist auf fünf bzw. sechs SE, in Fall 2) ist die zu ermittelnde Summe der überobligatorischen Lehre zu ermitteln und in Abzug zu bringen, und in Fall 3) sind die „besonderen Lehrleistungen oder -erfolge“ objektiv festzustellen und adäquat anzurechnen (was sich nicht einfach gestalten dürfte). | Rn. 11 |
Die näheren Voraussetzungen der Antragstellung und Entscheidungsfindung sind in der Berliner Hochschulurlaubsverordnung (HUrlVO) des Senats (§ 99 Abs. 6 S. 5 BerlHG) vorgesehen. § 4 Abs. 5 HUrlVO bestimmt, dass die Fristen des § 99 Abs. 6 S. 2 BerlHG mit Begründung des Rechtsverhältnisses als Professor an einer Berliner Hochschule, im Übrigen mit Ablauf des jeweils zuletzt gewährten FOSE beginnen. Dienstzeiten als hauptberuflicher Hochschullehrer, die der Berufung unmittelbar vorangegangen sind und in denen keine Freistellung erfolgte, „können“ nach pflichtgemäßem Ermessen nach Ablauf von zwei SE nach Dienstantritt auf die Wartefrist angerechnet werden. Für die Prüfung, ob ein Berliner Hochschullehrer über einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Gewährung eines FOSE verfügt, sind nunmehr die Sollvorschrift des § 99 Abs. 6 S. 1 BerlHG und der ein intendiertes Ermessen ausweisende § 99 Abs. 6 S. 2 HS 1 BerlHG in den Blick zu nehmen. | Rn. 12 |
a) Sollvorschrift des § 99 Abs. 6 S. 1 BerlHG
§ 99 BerlHG regelt die dienstlichen Aufgaben der Hochschullehrer. Ausweislich § 99 Abs. 6 S. 1 BerlHG „sollen“ Hochschullehrer „in angemessenen Zeitabständen“ für ein, höchstens aber zwei SE „von ihren übrigen dienstlichen Aufgaben freigestellt werden.“ Die Durchführung eines FOSE bildet mithin eine Dienstaufgabe. § 99 Abs. 6 S. 1 BerlHG stellt eine sog. Sollvorschrift im verwaltungsrechtlichen Sinne dar. Sollvorschriften sind zwischen den klassischen Ermessensvorschriften („kann, „darf“, „ist berechtigt“) und den gebundenen Vorschriften („muss“ „wird erteilt“, „ist…zu erteilen“) angesiedelt. Eine Sollvorschrift enthält keine Ermessensermächtigung. Vielmehr ist die Entscheidung der Behörde bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen durch eine determinierte Rechtsfolge gebunden.[23] Der vom Normgeber vorausgesetzte Regelfall wird mittels Subsumtion des Sachverhalts unter den abstrakten Rahmen der Norm festgestellt.[24] Infolge der normativen Reduktion des behördlichen Spielraums bedeutet ein „Soll“ ein „Muss“.[25] Damit setzt eine Sollvorschrift für den Regelfall zwingendes Recht und verpflichtet die durchführende Behörde, grundsätzlich so zu verfahren, wie es das Gesetz bestimmt.[26] Folglich verbürgt die Mehrheit der materiellrechtlichen Sollvorschriften bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einen grundsätzlichen Anspruch des Betroffenen, dass die Behörde die in der Rechtsnorm vorgesehene Rechtsfolge setzt.[27] | Rn. 13 |
Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Sollvorschrift im Wortlaut zum Ausdruck bringt, dass kein Anspruch bestehen soll und sich auf Abweichungen kein Rechtsbehelf stützen lässt.[28] Sollvorschriften eröffnen der Behörde ausnahmsweise dann Ermessen, wenn im Einzelfall Umstände vorliegen, die einen Fall als atypisch erscheinen lassen.[29] Ob ein solcher vorliegt, ist nach dem Regelungszweck der Norm zu bestimmen.[30] Teilweise wird ergänzend darauf abgestellt, ob konkrete, nicht von der Behörde selbst zu vertretende Gründe vorliegen.[31] Die materielle Beweislast für die als entscheidungsrelevant erachteten konkreten, besonderen Umstände trägt die Behörde.[32] Nimmt sie einen atypischen Fall an, obgleich ein solcher nicht vorliegt, oder trifft sie eine nicht vom Gesetz intendierte Entscheidung, ist ihre Entscheidung rechtswidrig.[33] Das Vorliegen eines atypischen Falles ist als Rechtsfrage vollständig justitiabel.[34] | Rn. 14 |
Zusammenfassend vermittelt eine Sollvorschrift dem Betroffenen den grundsätzlichen Rechtsanspruch, dass die Behörde die in der Norm determinierte Rechtsfolge setzt. Sind im Einzelfall die Tatbestandsvoraussetzungen der Sollvorschrift erfüllt und weist die Behörde nicht nach, dass besondere, dem Regelungszweck der Norm entgegenstehende Umstände vorliegen, die einen atypischen Fall begründen, erwächst aus der Sollvorschrift ein unbeschränkter Rechtsanspruch des Betroffenen gegenüber der Behörde, die determinierte Rechtsfolge zu setzen. | Rn. 15 |
b) Intendiertes Ermessen gem. § 99 Abs. 6 S. 2 HS 1 BerlHG
§ 99 Abs. 6 S. 1 BerlHG ist in Zusammenschau mit den weiteren Sätzen des Absatzes 6 systematisch auszulegen, insbesondere mit § 99 Abs. 6 S. 2 HS 1 BerlHG. Dieser konkretisiert die Tatbestandsvoraussetzung des „angemessenen Zeitabstandes“, der vergangen sein muss, damit sich nach der Sollvorschrift des § 99 Abs. 6 S. 1 BerlHG ein Rechtsanspruch auf ein FOSE entfalten kann. § 99 Abs. 6 S. 2 HS 1 BerlHG nennt dafür die Regelwartefrist von sieben SE durchgängiger Lehre, bevor ein FOSE „gewährt werden darf“. Ausweislich dieser Formulierung wird der Behörde ein gelenktes bzw. intendiertes Ermessen vermittelt. Den Befund, dass die sieben SE die Regelwartefrist bilden, stützt § 99 Abs. 6 S. 2 HS 2 Alt. 1 BerlHG, der eine Verlängerung der Wartefrist ausschließlich bei „dienstlichen Gründen“ und für „höchstens zwei Semester später“ zulässt. | Rn. 16 |
Die Ähnlichkeiten zwischen Sollvorschriften und Normen mit intendiertem Ermessen sind augenfällig. Auch bei der von der Rechtsprechung[35] entwickelten Figur des intendierten Ermessens zeichnet das Gesetz das mittels Ermessensbetätigung der Verwaltung zu findende Ergebnis vor.[36] Demnach tritt die Behörde bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen in der Regel nicht in eine echte Ermessensprüfung ein, denn „das Ergebnis der Abwägung versteht sich von selbst“.[37] Die Behörde darf nur ausnahmsweise dann Ermessen ausüben, wenn ihr abweichende besondere, außergewöhnliche[38] bzw. atypische Umstände[39] eines Falles bekannt geworden oder erkennbar sind. Auch hier trägt sie die Beweislast.[40] Die Rechtsprechung erkennt als Normen mit intendiertem Ermessen v.a. solche an, die ihrem Wortlaut nach auf eine Ermessensermächtigung schließen lassen, wie § 45 Abs. 1 SGB X[41] („darf…zurückgenommen werden“), § 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG[42] („darf nicht zurückgenommen werden“), § 49 Abs. 3 S. 1 VwVfG[43] (kann…widerrufen werden“) und § 4 Abs. 2 S. 3 AufenthG 2004[44] („kann…erlaubt werden“). Dogmatisch ist umstritten, ob Sollvorschriften, die sich durch einen engeren Wortlaut auszeichnen, und offener formulierte, ein intendiertes Ermessen beinhaltende Normen gleichzusetzen sind bzw. ob das intendierte Ermessen ein funktionales Äquivalent zu einer Sollvorschrift darstellt.[45] Ungeachtet dessen ist Sollvorschriften und Normen mit intendiertem Ermessen gemein, dass die Ermessensbetätigung nach der gesetzgeberischen, auf ein bestimmtes Ergebnis ausgerichteten Direktive in Gestalt der jeweils vorgesehenen Rechtsfolge determiniert wird. Im Regelfall findet keine konkrete Abwägung und damit keine echte Ermessensausübung statt. | Rn. 17 |
Insoweit ist festzuhalten: Die Sollvorschrift des § 99 Abs. 6 S. 1 BerlHG gibt vor, dass Hochschullehrer nach Ablauf einer „angemessenen Wartefrist“ freigestellt werden „sollen“. Diese Regelung ist klar und bestimmt. Der ein intendiertes Ermessen umfassende § 99 Abs. 6 S. 2 HS 1 BerlHG konkretisiert den angemessenen zeitlichen Abstand auf in der Regel sieben Warte-SE. Folglich sind beide Normen so auszulegen, dass ein Berliner Hochschullehrer nach Ablauf der Regelwartefrist von sieben SE einen grundsätzlichen Anspruch auf Gewährung eines beantragten FOSE besitzt. Da das Berliner Abgeordnetenhaus im Wortlaut des § 99 Abs. 6 BerlHG nicht zum Ausdruck brachte, dass dieser Anspruch ausgeschlossen sein soll, darf die zuständige Behörde im Regelfall keine Ermessenserwägungen anstellen, sondern muss ihre Entscheidung grundsätzlich entlang der gesetzlich vorgezeichneten Rechtsfolge – im Sinne der Gewährung eines beantragten FOSE – fassen. | Rn. 18 |
c) Vorliegen eines atypischen Falles in Gestalt unauskömmlicher Haushaltsmittel?
Wie gezeigt, darf eine Behörde aufgrund einer Sollvorschrift und einer ein intendiertes Ermessen vermittelnden Norm ausnahmsweise dann Ermessen ausüben, wenn im Einzelfall nachweislich besondere, atypische Umstände vorliegen, die eine vom gesetzgeberischen Regelfall abweichende Entscheidung legitimieren. Zu untersuchen ist nun, ob ein vorgetragener Mangel an Haushaltsmitteln, die für die Vertretung des Faches des Hochschullehrers in der Zeit seiner Freistellung benötigt werden, einen atypischen Fall bilden kann. In diesem Fall dürfte der Antrag des Hochschullehrers auf Gewährung eines FOSE ausnahmsweise negativ beschieden werden und zwar ungeachtet des Ablaufs der Wartefrist von sieben SE und des Fehlens entgegenstehender „dienstlicher Gründe“. | Rn. 19 |
aa) Unauskömmlicher Haushaltstitel für Freistellungen
Dies ist mit Blick auf folgenden Ausgangsfall zu untersuchen: Ausgangsfall (originär unauskömmlicher Freistellungstitel eines Fachbereichs): Im Haushaltsplan 2021/22 einer Hochschule sind einem Fachbereich mit 36 hauptamtlichen Hochschullehrern im Titel für Freistellungen gem. § 99 Abs. 6 BerlHG für das Haushaltsjahr (Sommer- und Winter-SE) Mittel i.H.v. 52.000 € zugewiesen. Bei dieser Mittelzuweisung wird in der Regel von einer Lehrvertretung durch Lehrbeauftragte während der Freistellung ausgegangen. Werden somit für ein FOSE das Regeldeputat von 18 LVS pro Hochschullehrer zugrunde gelegt und 713 € á LVS pro Lehrbeauftragtem angesetzt, wird ein FOSE mit ca. 13.000 € finanziert. Mit 52.000 € können somit vier Freistellungen finanziert werden. Beantragen nun für das Sommersemester (So-SE) 2022 nach Ablauf der „angemessenen Wartefrist“ gem. § 99 Abs. 6 BerlHG von in der Regel sieben SE und in Erfüllung aller weiteren Freistellungsvoraussetzungen sechs der 36 Hochschullehrer ein FOSE, könnten – gesetzt den Fall, es wird ausschließlich auf den unauskömmlichen Freistellungstitel abgestellt – vier Anträge positiv und zwei Anträge negativ beschieden werden. | Rn. 20 |
Voraussetzung dafür, dass zwei von sechs Anträgen rechtmäßig negativ beschieden werden dürfen, ist der von den zuständigen Hochschul- und Fachbereichsorganen zu führende Nachweis, dass im Einzelfall konkrete, besondere Umstände vorliegen, die einen atypischen Fall begründen. Für dessen Vorliegen ist primär der Regelungszweck der Norm heranzuziehen. In Anbetracht dessen stellt ein defizitärer Freistellungstitel eines Fachbereichs jedoch keinen konkreten, besonderen Einzelfallumstand dar, so dass ein atypischer Fall ausscheidet. So steht zunächst der Telos des § 99 Abs. 6 BerlHG entgegen. Ein in regelmäßigen Zeitabständen zu gewährendes FOSE bezweckt, einen Hochschullehrer zugunsten von Forschungsaufgaben vorübergehend von den Aufgaben in Lehre und Verwaltung zu entbinden. Ihm soll „für eine längere zusammenhängende Zeitspanne ein Freiraum“ geschaffen werden, „in dem er sich Forschungsaufgaben widmen kann, zu deren Wahrnehmung er (...) dienstlich verpflichtet ist, die er aber andererseits angesichts seiner weiteren Dienstpflichten, insbesondere seiner in der Regel starken Lehrbelastung, der Mitwirkung bei Prüfungen oder der Teilnahme an der Gremienarbeit nicht in dem gebotenen Umfang erfüllen kann.“[46] Während eines FOSE findet also eine Aufgabenverlagerung statt: Der Dienstherr erhält anstelle der Dienstleistungen in Lehre und Verwaltung Forschungsleistungen.[47] Ausweislich des Wortlauts des § 99 Abs. 6 S. 1 BerlHG (Freistellung von den „übrigen dienstlichen Aufgaben“) ist ein Hochschullehrer auch von seiner Prüfungstätigkeit freigestellt. Mithin ist Forschung in der Zeit der Freistellung Dienstaufgabe und Dienstpflicht gem. § 99 Abs. 1, Abs. 6 S. 1 BerlHG, § 43 HRG. Wäre ein unauskömmlicher Freistellungstitel als atypischer Fall einzuordnen, könnte z.B. im Ausgangsfall ein Hochschullehrer sein FOSE durchschnittlich nur alle neun Jahre durchführen, gesetzt den Fall, alle freistellungsberechtigten Hochschullehrer beantragen ihr FOSE und die Mittelzuweisungen verbleiben auch künftig auf dem Niveau von 2021/22. Das dürfte indessen außerhalb der Intention des Abgeordnetenhauses zu § 99 Abs. 6 BerlHG liegen. Ferner ist zweifelhaft, ob den beweislasttragenden Hochschul- und/oder Fachbereichsorganen tatsächlich der Nachweis gelingt, dass 1) der jeweilige Hochschuletat insgesamt so niedrig ist, dass dies die Hochschulen kausal daran hindert, den freistellungsfähigen Antragstellern das beantragte FOSE nach Berliner Hochschulrecht zu gewähren, oder dass 2) sämtliche Möglichkeiten, einem Hochschullehrer ein FOSE zu gewähren, auch ausgeschöpft wurden (s. III. 1. c) bb), III. 2. b) bb) (1), III. 2. c). | Rn. 21 |
Außerdem tritt der Rechtsanspruch eines Hochschullehrers auf Gewährung eines FOSE nicht zwangsläufig hinter ein generelles Sparsamkeitsbedürfnis einer Hochschule zurück. Denn die §§ 39 Abs. 1 S. 1, 42 BerlHG sehen vor, dass die den einzelnen Bereichen der Hochschulen zugewiesenen Personal- und Sachmittel neben der Grundausstattung so zu verteilen sind, dass die Hochschullehrer daran in angemessenem Umfang beteiligt werden. Eine derartige Beteiligung ist aber nicht gegeben, wenn ein Rechtsanspruch auf ein FOSE an einem Fachbereich im jeweiligen Freistellungstitel von vornherein nicht adäquat finanziell untersetzt ist. Sodann dürfte eine finanziell unauskömmliche Ausstattung einer Hochschule resp. eines Fachbereichs unterhalb der Zahl freistellungsfähiger Antragsteller mit dem Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans gem. § 11 LHO BE unvereinbar sein. Dieser verlangt, dass der Haushaltsplan alle im Haushaltsjahr voraussichtlich zu erwartenden Einnahmen, zu leistenden Ausgaben und benötigten Verpflichtungsermächtigungen enthält. Er zielt darauf ab, das gesamte staatliche Finanzvolumen der Planung und Beschlussfassung durch Regierung und Parlament zu gewährleisten.[48] Eine Hochschule hat daher die Zahl der formal antragsberechtigten Hochschullehrer zu erfassen, um das grundsätzliche Gesamt-Freistellungskontingent zu ermitteln. So wird die Grundlage dafür geschaffen, den auf formell gesetzlicher Grundlage fußenden Rechtsanspruch des Hochschullehrers adäquat abzubilden. Zum Zwecke der Planung kann hier z.B. auf die Zahl der bei der Forschungskommission (FoKo) eingehenden Anträge abgestellt oder eine informelle Vorabfrage in den Fachbereichen durchgeführt werden. Anschließend sind die Freistellungstitel der Fachbereiche im Haushaltsplan entsprechend auszustatten. Auf tatsächlich weniger oder mehr Anträge könnte eine Hochschulleitung in Anwendung des Hare-Niemeyer-Berechnungsverfahrens (s. III. 2. c) aa) reagieren. Im Weiteren dürfte der individuelle Rechtsanspruch eines Hochschullehrers auf Gewährung eines FOSE, der im Lichte des Art. 5 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 GG auszulegen ist, in Abwägung mit dem Sparsamkeitsbedürfnis der Hochschulen höherrangig und daher in der Regel vorrangig zu bedienen sein. | Rn. 22 |
Gegen die generelle Geltung eines vorgetragenen Mangels ist ferner einzuwenden, dass sich eine finanziell unauskömmliche Ausstattung eines Fachbereichs außerhalb des Einflusses des betroffenen Hochschullehrers bewegt. Die hinter einem Mangel stehenden Gründe wie auch die konkreten Abhilfemöglichkeiten dürften oft vielfältig sein. Es ist aber weder Aufgabe eines Hochschullehrers, dies im Einzelnen zu überschauen noch seine Pflicht, sein FOSE als individuellen finanziellen Beitrag zu Gunsten von Hochschulen bzw. Fachbereich zeitlich zurückzustellen. Alsdann weisen Hochschulen in Berufungsverfahren häufig explizit auf die Möglichkeit einer Freistellung hin. Die Ablehnung einer Freistellung aus (teils vermeintlich) haushalterischen Gründen, verbunden mit der Aussicht auf ein bisweilen deutlich verzögertes FOSE, stellt daher eine Nichterfüllung des Rechtsanspruchs auf ein FOSE dar. Ferner handelt es sich bei dem Vortrag unauskömmlicher Mittel einer Hochschule resp. eines Fachbereichs nicht um besondere Umstände eines Einzelfalls, sondern um eine generelle, grundlegende Thematik, die keinen atypischen Fall begründet. | Rn. 23 |
Der Vortrag unauskömmlicher Freistellungsmittel eines Fachbereichs für FOSE kann folglich nicht zu Lasten eines freistellungsfähigen Hochschullehrers gehen. Er ist nicht geeignet, einen atypischen Fall zu begründen. Damit wird im Ausgangsfall allen sechs Hochschullehrern ein uneingeschränkter Rechtsanspruch auf Gewährung eines FOSE zuteil. | Rn. 24 |
bb) Gesamtfinanzierungslücke einer Hochschule
Eine Mangelsituation kann sich in einem Haushaltsjahr durch eine Gesamtfinanzierungslücke einer Hochschule verschärfen. Wird diese an die zentrale Hochschulverwaltung und die Fachbereiche weitergegeben, steht ein forschungsstarker Fachbereich unter erhöhtem Druck, wie in der folgenden Konstellation (Konst.) 1: | Rn. 25 |
Konst. 1 des Ausgangsfalles (originär unauskömmlicher Freistellungstitel eines Fachbereichs und Gesamtfinanzierungslücke der Hochschulen): Der Haushaltsplan 2021/22 weist für das Haushaltsjahr eine Gesamtfinanzierungslücke aus. Diese wird auf die zentrale Hochschulverwaltung und die Fachbereiche in Form von Minderausgabenpauschalen umgelegt. Der Fachbereich der sechs antragstellenden Hochschullehrer hat eine Minderausgabenpauschale in fünfstelliger Höhe zu tragen. Nach Auskunft des Fachbereichsvorsitzenden und Dekans des Fachbereichs soll diese Pauschale aus den am Fachbereich pandemiebedingt voraussichtlich freiwerdenden Sachmitteln sowie ergänzend aus dem Titel für Lehraufträge finanziert werden. Diese Mittel ständen daher nicht im Wege der Umwidmung (§ 15 Abs. 3 HGrG) für zwei weitere FOSE zur Verfügung. Im Folgenden werden vier Anträge positiv und zwei Anträge negativ beschieden. | Rn. 26 |
Fraglich ist, ob diese Situation eine andere rechtliche Bewertung verlangt. Auch hier haben die zuständigen Hochschul- und Fachbereichsorgane darzulegen, dass im Einzelfall konkrete, besondere Umstände vorliegen, die einen atypischen Fall begründen, der rechtfertigt, dass ausnahmsweise von der gesetzgeberischen Intention – der Gewährung des FOSE – abgewichen werden darf. Einer Nichtgewährung steht indessen erneut der geschilderte Telos des § 99 Abs. 6 BerlHG entgegen. Sodann verhält sich der Rechtsanspruch eines Hochschullehrers auf sein FOSE nicht subsidiär gegenüber einem generellen Sparsamkeitsbedürfnis der Hochschulen, und eine Gesamtfinanzierungslücke dürfte auf vielfältigen, außerhalb der Sphäre des einzelnen Hochschullehrers liegenden Gründen basieren. | Rn. 27 |
Diesen Befund stützen die Grundzüge des Finanz- und Haushaltswesens, die im Folgenden überblicksartig dargestellt werden. Werden Hochschulen vom Land getragen und finanziert, unterfallen sie dem staatlichen Haushaltsrecht, das von den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit gekennzeichnet ist. Bei der Errichtung von Hochschulen muss der Staat diesen nach dem Gebot der Konsequenz die für ihre Aufgabenerfüllung nötigen – mithin auskömmlichen – Mittel bereitstellen und eine verteilungsgerechte Teilhabe an knappen Ressourcen sicherstellen.[49] Das Land Berlin trägt insoweit eine aufgabenakzessorische Finanzierungsverantwortung für seine Hochschule im Sinne einer Gewährleistungsverantwortung für Forschung und Lehre gem. § 87 Abs. 1 S. 1 BerlHG. Im Rahmen der Mittelzuweisung muss das Land diese Norm im Sinne der verfassungsrechtlichen Wissenschaftsfreiheit auslegen und den Hochschulen auskömmliche Mittel für Freistellungen gem. § 99 Abs. 6 BerlHG zur Verfügung stellen. Dies haben die HAWs bei den Verhandlungen über die neuen fünfjährigen Hoschulverträge zu berücksichtigen. Sodann haftet das Land unbeschränkt für Verbindlichkeiten seiner als Körperschaften des Öffentlichen Rechts ausgestalteten Hochschulen gem. § 87 Abs. 4 BerlHG. Zwar sind aus einer Gewährträgerhaftung keine Ansprüche der Hochschulen auf Refinanzierung im Innenverhältnis zum Land abzuleiten.[50] Allerdings darf der Staat aufgrund seiner Finanzierungsverantwortung eine Hochschule durch Herabsenkung oder unzureichende Anpassung von Zuschüssen im Außenverhältnis nicht zu Verteilungsentscheidungen im Innenverhältnis zwingen, die sie mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 GG nicht rechtmäßig durchzusetzen kann; hier sind vielmehr Übergangsfinanzierungen oder Auffangregelungen geboten.[51] Im Verhältnis zwischen Hochschullehrer, Hochschule und Land bedeutet das Folgendes: Gegenüber einem gem. § 99 Abs. 6 BerlHG anspruchsberechtigten Hochschullehrer obliegt den im Freistellungsverfahren involvierten, beweislastpflichtigen Hochschul- und Fachbereichsorganen bei einer geplanten Abweichung vom Regelfall der Nachweis, dass die Hochschule durch das Land nicht ausreichend ausgestattet ist und die Nichtgewährung einer Freistellung kausal darauf zurückzuführen ist. Beides – der Nachweis der Unterausstattung und die Kausalität – werden nicht einfach zu erbringen sein. Selbst wenn eine Hochschule aber den Nachweis der Unterausstattung führen würde – was angesichts der Situation der deutschen Hochschulen[52], der Berliner Hochschulen[53] und speziell der HAWs[54] nicht ausgeschlossen scheint –, dürfte der Nachweis der Kausalität für die Nicht-Freistellung des einzelnen Hochschullehrers in den überwiegenden Fällen nicht gelingen (s. III. 2. c) aa). | Rn. 28 |
Demnach kann der Vortrag unauskömmlicher Mittel aufgrund einer zu bewältigenden Gesamtfinanzierungslücke der Hochschule nicht zum Nachteil eines freistellungsfähigen Hochschullehrers gereichen. Er begründet keinen atypischen Fall, der ausnahmsweise die Versagung eines FOSE erlaubt. In Konst. 1) verfügen alle freistellungsfähigen Hochschullehrer über einen uneingeschränkten Rechtsanspruch auf Gewährung eines FOSE. | Rn. 29 |
d) Ergebnis
Hat ein freistellungsfähiger Berliner Hochschullehrer ein FOSE beantragt, so kann ihm nicht mit Erfolg ein Vortrag unauskömmlicher Haushaltsmittel entgegengehalten werden. Er verfügt vielmehr über einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines FOSE gem. § 99 Abs. 6 BerlHG. Der Dekan als zur Entscheidung berufenes Fachbereichsorgan hat ihm daher die Freistellung zu gewähren; der Hochschulleiter hat diese Entscheidung zu bestätigen (s. III. 2. c). | Rn. 30 |
2. Verfahren und kompetentielle Grundlagen im Berliner Hochschulrecht
Die näheren Voraussetzungen und das Verfahren der Freistellung sind in der HUrlVO des Berliner Senats formuliert, einer berlinweit Geltung entfaltenden Rechtsverordnung (§ 99 Abs. 6 S. 5 BerlHG, Art. 64 Abs. 1 Verfassung von Berlin). Weitere Vorgaben enthält das HAW-Binnenrecht.[55] Im Freistellungsverfahren sind mehrere Ebenen mit unterschiedlichen Kompetenzen involviert. Zu differenzieren ist zwischen der Stellungnahme der FoKo, dem Feststellungsbeschluss des Fachbereichsrates (FBR), der eigentlichen Gewährung des FOSE durch den Dekan eines Fachbereichs sowie der Bestätigung des Hochschulleiters. | Rn. 31 |
a) Stellungnahme der Forschungskommission
Der Entscheidung des Dekans über die Gewährung eines FOSE geht die positive Stellungnahme der FoKo (bzw. an der ASH des Forschungsreferates) voran (§§ 29 Abs. 1 u. 2 BeuthHS-GrO; 10 Abs. 3 GrO HWR; Ziff. II.3., Ziff. III.6. FF ASH). Die FoKo prüft semesterweise die personenbezogene Gewährung von FOSE (§ 10 Abs. 5 GrO HWR). Ein Hochschullehrer muss bei dieser seinen Antrag rechtzeitig unter Berücksichtigung der Lehrplanung einreichen, damit die Lehrveranstaltungen entsprechend disponiert werden können. Häufig sind Einreichfristen einschließlich konkreter Stichtage in Handreichungen, Freistellungsleitlinien und -Grundsätzen ausgewiesen,[56] die als Verwaltungsvorschriften zu qualifizieren sind. Die Einreichfristen können unter den Fachbereichen einer Hochschule unterschiedlich sein, üblicherweise betragen sie ein, teils auch zwei SE vor dem anvisierten FOSE. Mit dem Antrag ist ein Programm über die geplanten Tätigkeiten mit bestimmten Pflichtangaben vorzulegen (§ 4 Abs. 2 S. 1 HUrlVO); Details sieht das HAW-Binnenrecht vor.[57] So müssen in der Regel das Forschungsthema, Zielsetzung und Vorarbeiten benannt, die Verwendung der Forschungsergebnisse beschrieben und die Erfüllung der Berichtspflicht aus früheren Anträgen nachgewiesen werden. Die Benennung von Lehrvertretern für die Zeit der Freistellung wird auf dieser Verfahrensebene explizit nicht verlangt. Die FoKo überprüft die Vollständigkeit des Antrages und entscheidet per Beschluss. Ihr Votum übermittelt sie dem jeweiligen Fachbereich (Ziff. 2.4 Phase 4 FF-LL BHT) bzw. dem FBR und dem Dekan (§ 10 Abs. 5 GrO HWR).[58] Sie leitet den Antrag sodann an die Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs (FNK) weiter (§§ 2 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 3 FFS HWR). An der HTW nimmt die Aufgaben der FoKo der Dekan in Zusammenarbeit mit der Hochschulverwaltung wahr (§§ 6 Abs. 3 i.V.m. 2 RS HTW). | Rn. 32 |
b) Feststellung der „Vereinbarkeit mit der Lehre“ durch den Fachbereichsrat
Weitere Voraussetzung für die Entscheidung eines Dekans über die Gewährung eines FOSE ist die positive Feststellung der „Vereinbarkeit mit der Lehre“ (§ 10 Abs. 3 GrO HWR) bzw., dass durch die „Freistellung die Lehre nicht gefährdet wird“ (Ziff. 2.3, Phase 3 Abs. 3 FF-LL BHT). Dafür ist der jeweilige FBR an der BHT und der HWR zuständig. An der ASH prüft die FNK, ob eine „Freistellung unter Berücksichtigung des Lehrbedarfs im jeweiligen Fach möglich ist“ (Ziff. IV FF ASH). An der HTW „kann“ der Dekan seiner Entscheidung eine Empfehlung des FBR zu Grunde legen (§ 3 Abs. 2 RS HTW).[59] Die an allen vier HAWs vorzunehmende Prüfung der Vereinbarkeit der Freistellung mit der Lehre liegt im Interesse der Studierenden wie der Hochschule, deren Aufgabe v.a. in der Sicherstellung der Lehre liegt (§§ 2 Abs. 1 HRG, 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, Abs. 7 BerlHG). | Rn. 33 |
aa) Kriterium im Einzelnen
Der Gehalt der vorstehenden Kriterien ist nunmehr einer näheren Betrachtung zuzuführen. Das Oberverwaltungsgericht Münster führte betreffend die „ordnungsgemäße Vertretung des Faches“ gem. § 40 Hochschulgesetz NW aus, dass es auf die Sicherstellung des Lehrangebots ankommt, das zur Einhaltung der jeweiligen Studien- und Prüfungsordnung erforderlich ist.[60] Zu dem insoweit identischen § 24 Abs. 3 S. 3 Niedersächsisches Hochschulgesetz stellte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg[61] auf das Vorhandensein von „vertretungsbefugtem Lehrpersonal“ ab. Einigkeit besteht darüber, dass es nicht darauf ankommen kann, wie und durch wen die individuelle Lehrverpflichtung eines Hochschullehrers während seines FOSE erfüllt wird, da es um die Vertretung des Faches und nicht des Hochschullehrers geht.[62] Somit ist eine Vertretung durch Lehrbeauftragte mittels externer Vergabe von Lehrveranstaltungen gem. § 120 BerlHG zulässig. Dem ist auch deswegen beizupflichten, weil ein Hochschullehrer nicht dazu verpflichtet werden kann, über sein Regeldeputat hinausgehende LVS zu leisten. Ein Überschreiten ist allein bei einer freiwilligen kollegialen Übernahme „freier“ LVS für den freigestellten Kollegen denkbar. Da die „ordnungsgemäße Vertretung des Faches“ in ihrer Zielrichtung – der Sicherstellung der Lehre im jeweiligen Fach in der Zeit der Freistellung – den geschilderten, an Berliner HAWs geltenden Kriterien entspricht, ist eine Orientierung an der vorgenannten Rechtsprechung zulässig. | Rn. 34 |
Nicht spezifiziert ist, wer für das Vorhandensein vertretungsbefugten Lehrpersonals Sorge zu tragen hat. Wie dargelegt, muss ein Hochschullehrer in seinem bei der FoKo (bzw. an der HTW beim Dekan) einzureichenden Antrag nicht angeben, wer sein Fach vertreten kann bzw. wird. Während die an der BHT, der HWR und der ASH berufene FoKo bzw. das Forschungsreferat die Entscheidung des Dekans in personenbezogener Hinsicht vorbereiten, prüft der FBR die Vertretung des Faches in der Zeit der Freistellung. Das Verwaltungsgericht Würzburg führte dazu in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren aus, dass ein Universitäts-Hochschullehrer für die ordnungsgemäße Vertretung seines Faches darzulegen hat, anhand welchen Vertretungspersonals eine Vertretung seiner LVS durch die Erteilung von Lehraufträgen gewährleistet werden kann, was auch mittels Übernahmeerklärungen möglich ist.[63] Nach den im § 123 VwGO-Verfahren geltenden allgemeinen materiellen Beweislastregeln hat der Antragsteller hier die Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, die auf das Vorliegen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes schließen lassen; der Antragsgegner muss wiederum die Tatsachen vortragen und glaubhaft machen, die den Anspruch zu Fall bringen.[64] Soweit sich eine Behörde auf einen Ausschlusstatbestand beruft, trägt sie demnach die materielle Beweislast.[65] | Rn. 35 |
In Anbetracht des Vorstehenden könnte daher aus Ziff. 2.3 Phase 3 Abs. 3 FF-LL BHT/ §§ 6 Abs. 3 i.V.m. 2 Abs. 3 RS HTW/ § 10 Abs. 3 GrO HWR/ Ziff. IV. FF ASH eine Pflicht des antragstellenden Hochschullehrers abgeleitet werden, gegenüber dem FBR (bzw. an der ASH der FNK, an der HTW dem Dekan) potentielle Vertretungspersonen zu benennen. Bei HAWs tritt hier das überdurchschnittlich hohe Regeldeputat des Hochschullehrers von in der Regel 18 LVS hinzu (s. II.). Der Hochschullehrer müsste somit vorab die Vertretung seines Faches für 18 LVS sondieren und dies gegebenenfalls mittels Interessensbekundungen und/oder Übernahmeerklärungen von Lehrpersonen nachweisen. In diesem Kontext kommt allerdings zwei Aspekten besonderes Gewicht zu. Erstens ist die Hochschule bzw. sind ihre Fachbereiche gehalten, die Anforderung einer Lehrvertretung zu kommunizieren. Fehlen diese Informationen, so ist von einem Hochschullehrer kaum zu verlangen, anhand von Gerichtsentscheidungen zu eruieren, wozu er verpflichtet sein soll. In einem derartigen, mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz fragwürdigen Fall wäre es zweifelhaft, ob ein negativer Feststellungsbeschluss aufgrund der Säumnis eines Hochschullehrers, dem FBR Vertretungspersonen zu benennen, zur Ablehnung seines FOSE führen darf. Vielmehr sollten ein FBR hier wohlwollend zu Gunsten des Hochschullehrers die Vereinbarung mit der Lehre feststellen und die Fachbereichsverwaltung unterstützend bei der Suche geeigneter Vertretungspersonen wirken. Zweitens bedeutet die „ordnungsgemäße Vertretung eines Faches“ eine Hürde sowohl für die sog. kleinen Fächer an Universitäten, die nur mit ein oder zwei Hochschullehrern vertreten sind, weil eine Abdeckung der Lehr- und Prüfungsaufgaben weder durch eigene Kollegen noch durch Lehrbeauftragte, die in diesen Fächern oft in geringem Umfang zur Verfügung stehen, erfolgen kann,[66] als auch und insbesondere für Hochschullehrer an HAWs, weil hier das genannte hohe Lehrdeputat abzudecken ist, was vergleichbare Schwierigkeiten für alle Bereiche bereitet.[67] Mit Blick auf diese generelle Hürde an HAWs sollten an ihre Hochschullehrer von vornherein geringe Anforderungen an die Darlegung und den Nachweis einer Lehrvertretung gestellt werden. Kommt ein Hochschullehrer einer HAW aber sogar den dargelegten hohen Anforderungen nach, indem er entsprechende Lehrpersonen für die Vertretung seines Faches in der Zeit der Freistellung benannt und dies mittels Interessensbekundungen nachgewiesen hat, so ist seine Freistellung mit der Lehre vereinbar. Da die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Normen erfüllt sind, muss ein FBR hier einen positiven Feststellungsbeschluss fassen. | Rn. 36 |
bb) Einbeziehung finanzieller Erwägungen im Feststellungsbeschluss?
Bei einer originär erheblichen Unterfinanzierung von Freistellungen im Haushaltstitel könnten an einem forschungsstarken Fachbereich Überlegungen angestellt werden, nach welchen Kriterien Anträge freistellungsfähiger Hochschullehrer zu behandeln sind. Dem ist folgende grundsätzliche Betrachtung voranzustellen. Lässt ein Fachbereichsorgan – ein FBR und/oder der Dekan – finanzielle Mangelerwägungen in den Feststellungsbeschluss bzw. in die eigentliche Entscheidung zur Gewährung einer Freistellung (s. III. 2. c) fließen, kann eine Konfliktsituation am Fachbereich in zweifacher Hinsicht entstehen: | Rn. 37 |
1) In personeller Hinsicht kann zum einen ein Wettbewerb infolge konkurrierender Anträge von Hochschullehrern nicht ausgeschlossen werden, zum anderen steht der für die Gewährung eines FOSE zuständige Dekan im Zentrum der Verantwortung und Interessen; 2) In finanzieller Hinsicht setzt sich der Fachbereich unter Druck, indem er versucht, einen Mangel zu verwalten, für den er in der Regel nicht verantwortlich zeichnet. | Rn. 38 |
Im Normalfall hat ein Fachbereich im Rahmen seiner im Haushaltsplan zugewiesenen Mittel zu wirtschaften. Verfährt er ebenso bei einem originär unauskömmlichen Freistellungstitel, besteht die Gefahr, dass der im Haushaltstitel angelegte begrenzte Spielraum für die Gewährung einer Freistellung bereits auf Fachbereichsebene „vollzogen“ wird, sofern die Hochschulleitung dies auf sich beruhen lässt. Ein Grund für ein derartiges Vorgehen könnte darin bestehen, dass ein FBR und dessen Vorsitzender die potentielle Situation antizipieren, dass der jeweilige Hochschulleiter am Verfahrensende eine positive Dekansentscheidung aufgrund der „Macht des Faktischen“ in Gestalt des defizitären Freistellungstitels nicht bestätigen könnte. Zum einen steht aber nicht fest, ob der Hochschulleiter tatsächlich so agieren wird und nicht anderweitige Mittel zur Verfügung stellt (s. III. 2. c). Zum anderen sollten sich Fachbereichsorgane selbst dann, wenn ein Hochschulleiter seine Ablehnung avisiert hat, nicht vorab „in die Pflicht“ nehmen lassen. Dafür sprechen die Rechtslage (s. III. 1.) und der rechtsstaatliche Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie ein anderenfalls denkbarer Autonomieverlust. Werden hingegen auf Fachbereichsebene die beantragten FOSE bewilligt, wird sowohl potentiellen Konflikten am Fachbereich vorgebeugt als auch im Interesse der forschenden Kollegen verfahren. | Rn. 39 |
(1) Unauskömmlicher Haushaltstitel für Freistellungen
Sind im Freistellungstitel eines Fachbereichs zu wenig Mittel eingestellt worden, stellt sich bei der BHT und der HWR die Frage, ob ein FBR im Rahmen seines Feststellungsbeschlusses aus diesem Grund die Vereinbarkeit mit der Lehre verneinen darf: | Rn. 40 |
Konst. 2 des Ausgangsfalles (originär unauskömmlicher Freistellungstitel eines Fachbereichs): Die FoKo hat beschlossen, die sechs Anträge der Hochschullehrer zu befürworten. Sie übermittelte ihre positiven Stellungnahmen dem FBR zur Information und dem Dekan zur Entscheidung. Ein Teil der Antragsteller hat dem FBR Lehrpersonen für die Vertretung ihrer Fächer genannt, die entweder Interesse bekundeten oder die Vertretung zusagten. Der FBR stellt in seiner Sitzung zur Prüfung der Vereinbarkeit der jeweiligen Fächer mit der Lehre die Vereinbarkeit „für vier der sechs Anträge“ fest. Er begründet dies damit, dass unabhängig von der Verfügbarkeit geeigneter Lehrbeauftragter bereits aus finanziellen Gründen – konkret aufgrund des allein für vier Anträge auskömmlichen Freistellungstitels – nur vier FOSE mit der Lehre vereinbar seien. | Rn. 41 |
Zunächst ist zu begrüßen, dass der FBR an die Darlegung der „Vereinbarkeit mit der Lehre“ insoweit geringere Anforderungen an die Antragsteller stellte, als er bei seinem Feststellungsbeschluss nicht darauf abhob, dass einige Hochschullehrer keine Vertretungspersonen benannten. Indem der FBR seinem negativen Feststellungsbeschluss für zwei Antragsteller aber Mangelerwägungen zugrunde legte, könnte er das Kriterium der Vereinbarkeit der Freistellung mit der Lehre gem. Ziff. 2.3 Phase 3 Abs. 3 FF-LL BHT/ § 10 Abs. 3 GrO HWR unzulässigerweise extensiv ausgelegt und angewandt haben. Zwar ließe sich das Einbeziehen finanzieller Erwägungen auf den ersten Blick auf die allgemeine Aufgabenzuweisung gem. § 71 Abs. 1 UAbs. 1 Nr. 5 BerlHG stützen, wonach der FBR für die „Verteilung von dem Fachbereich zugewiesenen (…) Mitteln für nichtplanmäßige Dienstkräfte“ zuständig ist und daher im Normalfall darüber befindet, ob und an wen zu vergütende Lehraufträge (§ 120 Abs. 4 S. 1 BerlHG) erteilt werden. Beim Feststellungsbeschluss geht es jedoch konkret um die Prüfung, ob die beantragten Freistellungen mit der Lehre vereinbar sind, mithin darum, ob die Fächer von Vertretungspersonen übernommen werden können. Die allgemeine Norm des § 71 Abs. 1 UAbs. 1 Nr. 5 BerlHG kann jedoch nicht den Anwendungsbereich der speziellen Norm des § 99 Abs. 6 BerlHG für die Gewährung eines FOSE überwölben, zu dessen Konkretisierung unter anderem § 5 Abs. 3 HSchulUrlVO ergangen ist. Dieser befugt ausschließlich den Hochschulleiter am Ende des Freistellungsverfahrens zu prüfen, ob „entsprechende Vertretungsmittel“ zur Verfügung stehen und seine Bestätigung davon abhängig zu machen. Der Verordnungsgeber sah hier indessen keine Parallelkompetenz des FBR vor. Könnte zudem eine allgemeine Norm eine spezielle Norm einschließlich ihrer untergesetzlichen Konkretisierungen verdrängen, läge darin eine Umkehrung des Lex-Specialis-Grundsatzes. Daher darf § 71 Abs. 1 UAbs. 1 Nr. 5 BerlHG nicht derart in Ziff. 2.3, Phase 3 Abs. 3 FF-LL BHT/ § 10 Abs. 3 GrO HWR hineingelesen werden, dass es dem FBR erlaubt ist, finanzielle Mangelerwägungen in seinen Feststellungsbeschluss einfließen zu lassen und darauf Vorab-Negativentscheidungen wie in Konst. 2 zu gründen. | Rn. 42 |
Dafür spricht auch die Normenhierarchie. Denn eine Vorab-Negativentscheidung infolge eines vorgetragenen finanziellen Mangels durch den FBR aufgrund Hochschul-Binnenrechts stände § 5 Abs. 3 der höherrangigen HSchulUrlVO entgegen. Die HSchulUrlVO entfaltet gem. §§ 1 Abs. 2 i.V.m. 4 HSchulUrlVO, § 99 Abs. 6 BerlHG konkret für die Freistellung von Hochschullehrern für Forschungsvorhaben Geltung. Hinzu tritt folgende teleologische Überlegung: Hätte dies der Berliner Senat als Verordnungsgeber anders regeln wollen, hätte er dem FBR eines Fachbereichs die entsprechende Befugnis anstelle des Hochschulleiters verliehen. Er hat sie aber letzterem vorbehalten, weil der Hochschulleiter als zentrales oberstes Hochschulorgan über einen weiten Blick über die an der Hochschule in Betracht kommenden Vertretungsmittel verfügt, den ein FBR der Natur der Sache nach nicht besitzt. In Konst. 2) verhinderte der FBR sodann, dass der Hochschulleiter am Ende, üblicherweise gemeinsam mit dem Kanzler, Möglichkeiten für Vertretungsmittel auslotet, die sich außerhalb des Fachbereichs eröffnen können (s. III. 2. c). | Rn. 43 |
Hätte ein FBR die Kompetenz, im Rahmen seines Feststellungsbeschlusses auf eine finanzielle Unterausstattung des jeweiligen Fachbereichs im Haushaltstitel für Freistellungen abzuheben und daher die Vereinbarkeit mit der Lehre für Freistellungen zu verneinen, läge darin auch ein Widerspruch zum Telos des § 99 Abs. 6 BerlHG. Denn ein Hochschullehrer hat bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Gewährung der Freistellung. Eine vorgetragene Unauskömmlichkeit eines Haushaltstitels bzw. von Haushaltsmitteln begründet generell keinen atypischen Fall, der zu einem abweichenden Vorgehen des FBR legitimiert (s. III. 1. c). | Rn. 44 |
Somit bezieht sich der Feststellungsrahmen eines FBR an der BHT und der HWR ausschließlich auf die Prüfung, ob ausreichend Lehrpersonen für die Vertretung des Faches in der Zeit der Freistellung zur Verfügung stehen. Da es sich um HAWs handelt, sollten hier an ihre Hochschullehrer nur geringe Anforderungen gestellt werden. In Konst. 2) ist der FBR somit gehalten, für alle Anträge die Vereinbarkeit mit der Lehre festzustellen. | Rn. 45 |
(2) Gesamtfinanzierungslücke einer Hochschule
Wie geschildert, kann sich eine finanziell angespannte Lage eines Fachbereichs in einem Haushaltsjahr zusätzlich durch eine Gesamtfinanzierungslücke der Hochschule verschärfen, die diese mittels Minderausgabenpauschalen an die Fachbereiche weiterleitet. Zu untersuchen ist, ob dies den Befugnisrahmen eines FBR der BHT und der HWR weitet mit der Folge, dass er ausnahmsweise den engeren Finanzrahmen berücksichtigen und die Vereinbarkeit einer Freistellung mit der Lehre ablehnen darf. Dies ist mit Blick auf folgende Konstellation zu eruieren: | Rn. 46 |
Konst. 3 des Ausgangsfalles (originär unauskömmlicher Freistellungstitel eines Fachbereichs, Gesamtfinanzierungslücke der Hochschule): Der FBR stellt in seiner Sitzung zur Prüfung der Vereinbarkeit der jeweiligen Fächer mit der Lehre die Vereinbarkeit „für vier der sechs Anträge“ fest. Er begründet dies damit, dass unabhängig von der Verfügbarkeit geeigneter Lehrbeauftragter bereits aus finanziellen Gründen nur vier FOSE mit der Lehre vereinbar seien. Konkret rekurriert er auf den nur für vier Anträge auskömmlichen Freistellungstitel und das Fehlen weiterer Fachbereichsmittel aufgrund der Entscheidung des FBR-Vorsitzenden und Dekans, die Minderausgabenpauschale mit den pandemiebedingt voraussichtlich freiwerdenden Fachbereichsmitteln als Beitrag zur Deckung der Gesamtfinanzierungslücke zu finanzieren. | Rn. 47 |
Hier verneinte der FBR die Vereinbarkeit der Lehre für zwei Anträge sowohl aufgrund des unauskömmlichen Freistellungstitels als auch der antizipierten Erschöpfung freier Mittel aufgrund der Entscheidung, diese zur Deckung der Minderausgabenpauschale zu nutzen. Auch wenn der FBR jedenfalls auf den ersten Blick nachvollziehbar die vom FBR-Vorsitzenden und Dekan sowie in der Regel der Geschäftsführung gefasste Entscheidung teilte, die Minderausgabenpauschale derart zu finanzieren (s. III. 2. c) bb), hätte der FBR diese Frage nicht mit seinem Feststellungsbeschluss verknüpfen dürfen. Denn weder ein defizitär ausgestatteter Freistellungstitel noch eine Gesamtfinanzierungslücke der Hochschule einschließlich daraus abgeleiteter Minderausgabenpauschalen für die Fachbereiche begründen besondere Einzelfallumstände und atypische Fälle (s. III. 1. c), die zu einem negativen Feststellungsbeschluss legitimieren. Der FBR hätte die Vereinbarkeit der Freistellung mit der Lehre für alle Anträge feststellen müssen. Wie zu Konst. 2) dargelegt, prüft der Hochschulleiter am Verfahrensende umfassend die Verfügbarkeit von Vertretungsmitteln. Davon ist die Frage zu trennen, wer die Sorge für ihr Vorhandensein trägt, wobei Einiges dafür spricht, dass dies i.d.R. nicht ein Fachbereich sein kann, sondern die Hochschulleitung, woraus folgt, dass ein Fachbereich wohl nur als „ultima ratio“ frei werdende Mittel zur Ermöglichung weiterer Freistellungen einsetzen muss (s. III. 2. c) aa). Generell gilt aber, dass unabhängig davon, welche Ebene hier einzustehen hat, einem freistellungsfähigen Antragsteller sein FOSE zu gewähren ist. | Rn. 48 |
cc) Ergebnis
Der FBR befindet über die Vertretung des jeweiligen Faches in der Zeit der Freistellung des Hochschullehrers. Das umfasst die Prüfung, ob die Lehre durch geeignete Lehrpersonen vertreten werden kann. Ein FBR darf die Vereinbarkeit einer Freistellung mit der Lehre nicht aufgrund einer vorgetragenen mangelnden Finanzierbarkeit von Vertretungspersonen verneinen. | Rn. 49 |
dd) Exkurs: Beratung in öffentlicher Sitzung
Die Beratung des FBR über Anträge auf Gewährung eines FOSE findet im öffentlichen Sitzungsteil statt (§§ 50 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 u. Abs. 2 BerlHG). Denn die Anträge der Hochschullehrer sind nicht dem jeweiligen FBR zu übermitteln; die FoKo legt ihm allein ihr Ergebnis vor (Ziff. 2.4, Phase 4 S. 2 FF-LL BHT). Das beruht darauf, dass sich ein FBR bei seinem Feststellungsbeschluss sachbezogen mit der Frage der Vereinbarkeit des jeweiligen Faches in der anvisierten Freistellung befasst und nicht mit der Vertretung des einzelnen Hochschullehrers. Eine Angabe der Antragsteller-Namen ist mithin entbehrlich und der Schutz personenbezogener Daten mangels Aussprache über Einzelpersonen nicht zu besorgen. Ferner handelt es sich nicht um eine den nicht-öffentlichen Sitzungen vorbehaltene Personalangelegenheit (§§ 50 Abs. 3, 67 BerlHG). Bei einer Befassung in nicht-öffentlicher Sitzung würde ein antragstellender Hochschullehrer zudem nicht vollständig Kenntnis über im Einzelfall angewandte Feststellungskriterien des FBR resp. tragende Beschlussgründe erlangen. So ist das Protokoll des nicht-öffentlichen Teils allein FBR-Mitgliedern zugänglich, auch handelt es sich nicht um ein Wortprotokoll. Ferner vermag eine im Nachgang der Sitzung erfolgende Information durch den FBR-Vorsitzenden und Dekan den Gang der Beschlussfassung nicht im Einzelnen abzubilden. Endlich sind in einem transparenten Verfahren frühzeitig mögliche Verfahrensfehler (z.B. bei der Berechnung von Wartezeiten) erkennbar, wodurch bei zügiger Nachsteuerung ermöglicht wird, ein FOSE doch noch regelgerecht zu gewähren. | Rn. 50 |
c) Entscheidung des Dekans und Bestätigung durch den Hochschulleiter
Wie dargestellt, muss ein Hochschullehrer seinen Antrag auf Gewährung eines FOSE mit bestimmten Pflichtangaben an die FoKo richten, daneben an den Dekan bzw. in Hochschulen ohne Fachbereiche direkt an die Hochschulleitung (§ 5 Abs. 3 S. 1 HUrlVO). Da die BHT, die HTW und die HWR über Fachbereiche verfügen, ist hier der jeweilige Dekan Adressat und trifft die eigentliche Entscheidung über die Freistellung (§ 99 Abs. 6 S. 3 HS 2 BerlHG i.V.m. § 5 Abs. 3 S. 2 HUrlVO). Er stellt fest, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Freistellung und gegebenenfalls der Verkürzung der Regelwartefrist seit dem letzten FOSE vorliegen (§§ 5 Abs. 3 S. 2 HUrlVO, 99 Abs. 6 S. 1-3 BerlHG). Ergänzend wird für die HWR präzisiert, dass der Dekan seine Entscheidung nach Stellungnahme der FoKo und dem positiven Feststellungsbeschluss des FBR fasst, s. § 10 Abs. 3 u. 5 GrO HWR.[68] | Rn. 51 |
Ein Dekan hat ein FOSE zu gewähren, wenn die positive Stellungnahme der FoKo, der positive Feststellungsbeschluss des FBR sowie die formalen Voraussetzungen der Antragsberechtigung (Ablauf der Regelwartezeit von sieben SE bzw. einer im Einzelfall kürzeren Frist) vorliegen. Eine Verlängerung der Wartefrist um höchstens zwei SE können ausnahmsweise „dienstliche Gründe“ erlauben (§ 99 Abs. 6 S. 2 HS 2 Alt. 1 BerlHG). Diese orientieren sich an den dienstlichen Aufgaben gem. § 99 Abs. 1-5 BerlHG, mithin v.a. an Lehre, Prüfungsabnahme und Mitwirkung an der Hochschulverwaltung. Fraglich ist, ob ein Dekan seiner Entscheidung eine fachgebundene interne Vorabsprache, nach der nicht alle Hochschullehrer desselben Faches (z.B. Verwaltungs- oder Wirtschaftswissenschaft) gleichzeitig ein FOSE nehmen, als entgegenstehenden „dienstlichen Grund“ zugrunde legen darf. Dagegen ist einzuwenden, dass eine Freistellungsvertretung durch Lehrbeauftragte generell zulässig ist, diese nur mit entsprechender Qualifikation einsetzbar sind und es sich bei einem FOSE um einen überschaubaren Zeitraum handelt. Eine fachgebundene interne Vorabsprache kann aber insoweit sinnvoll sein, als zumindest ein hauptamtlicher Ansprechpartner des Faches bei Problemen mit Lehre oder Prüfungen zur Verfügung stünde. Zweifelhaft ist hingegen, ob ein Dekan Aspekte berücksichtigen darf, die nicht mehr als „dienstlich“ i.e.S. anzusehen sind, wie die „Originalität eines Vorhabens“ oder das „Windhund-Prinzip“. Das dürfte ausscheiden, zumal er hier in eine unzulässige Ermessensprüfung einträte (s. III. 1.). Ferner darf er nicht erneut Kriterien bemühen, die die insoweit zuständige FoKo bereits geprüft hat. | Rn. 52 |
Wie gezeigt, folgt die Pflicht eines Dekans an der BHT, der HTW und der HWR, bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Freistellung zu gewähren, aus dem Rechtsanspruch des freistellungsfähigen Antragstellers (s. III. 1.).[69] An der BHT und der HWR stellt sich erneut die Frage, ob ein Dekan Mangelerwägungen der geschilderten Art in seine Entscheidungsfindung einstellen und er deswegen einen Freistellungsantrag ablehnen darf. Hier gilt das bereits Gesagte. Insbesondere der Rechtsanspruch des freistellungsfähigen Hochschullehrers und die alleinige Zuweisung der Vertretungsmittelprüfung an den Hochschulleiter stehen dem entgegen. Die Freistellungsentscheidung des Dekans „bedarf“ gem. § 5 Abs. 3 S. 3 HUrlVO der Bestätigung des Hochschulleiters, „dass entsprechende Vertretungsmittel zur Verfügung stehen“. Demnach prüfen die Präsidenten der BHT, HTW und HWR aufgrund ihrer breiten Kenntnis über verfügbare Vertretungsmittel, ob sich die Dekansentscheidung grundsätzlich im finanziellen Rahmen bewegt (s. III. 1. c) aa). Finanzielle Aspekte können diesen Bestätigungsprozess allerdings nur insoweit beeinflussen, als die Hochschule ihrer originären Pflicht nachgekommen ist, für eine adäquate Freistellungsausstattung der Fachbereiche zu sorgen (s. III. 1. c) aa). | Rn. 53 |
aa) Unauskömmlicher Haushaltstiteltitel für Freistellungen und FOSE-Ausgestaltungsoptionen
In Fortsetzung des Ausgangsfalles sind zwei weitere Konstellationen zu beleuchten: | Rn. 54 |
Konst. 4 in Fortsetzung des Ausgangsfalles(originär unauskömmlicher Freistellungstitel eines Fachbereichs): Die FoKo hat dem Dekan für alle sechs Anträge ihre positiven Stellungnahmen übermittelt, der FBR hat die Vereinbarkeit mit der Lehre festgestellt. Alle Antragsteller erfüllen die Regelwartefrist von sieben SE, es liegen keine dienstlichen Gründe für eine Fristverlängerung vor. Der Dekan bescheidet vier Anträge positiv und zwei Anträge negativ. Er begründet dies mit dem unauskömmlichen Titel des Fachbereichs für Freistellungen gem. § 99 Abs. 6 BerlHG im Haushaltsplan, der nur Vertretungsmittel für die Finanzierung von vier FOSE vorsieht. Auch seien am Fachbereich keine freien deckungsfähigen (austauschbaren) Mittel (§ 15 Abs. 3 HGrG) vorhanden, die in Freistellungsmittel umgewidmet werden könnten. Die Auswahl unter den Anträgen nimmt der Dekan nach der Länge der jeweils zurückgelegten Wartezeit der Hochschullehrer, bei gleicher Länge durch Los vor. Der Präsident der Hochschule bestätigt die Entscheidung des Dekans. Eine Prüfung, ob es an der Hochschule freie Haushaltsmittel gibt, die für zwei weitere Freistellungen verwendet werden können, findet nicht statt. | Rn. 55 |
In Konst. 4) sind sämtliche Antragsteller freistellungsfähig. Wie dargelegt, kann der Einwand unzureichender Haushaltsmittel in mehrfacher Hinsicht keinen atypischen Fall begründen (s. III. 1. c). Vielmehr hat der Dekan seine Entscheidung entlang der vorgezeichneten Rechtsfolge – der Gewährung aller sechs beantragten FOSE – zu treffen. Indem er seiner Entscheidung zur Ablehnung von zwei FOSE-Anträgen finanzielle Mangelerwägungen zugrunde legte, bewegte er sich außerhalb der § 99 Abs. 6 BerlHG, § 5 Abs. 3 S. 2 HUrlVO. Ferner handelte er entgegen der expliziten Zuweisung der Vertretungsmittelprüfung an den Hochschulleiter (s. III. 2. b) bb). | Rn. 56 |
Zu prüfen ist, ob der Präsident die auf den defizitären Freistellungstitel gestützte Entscheidung des Dekans bestätigen durfte. Dem ist voranzustellen, dass es generell untunlich schiene, wenn sich eine Hochschulleitung darauf verließe, dass ein Fachbereich in einem finanziell angespannten Umfeld versucht, praktikable Lösungen zur Verfahrensgestaltung zu finden, dabei aber Antragsberechtigte negativ bescheidet. Denn die Fachbereichsorgane – der FBR und der Dekan – sind gesetzlich gehalten, bei ihrer jeweiligen Entscheidung das zu Grunde zu legen, über das sie befinden dürfen. Dazu gehört aber, wie dargelegt, keine finanzielle Mangelausstattung. Auch dürfte die Verwaltung eines finanziellen Mangels, für den ein Fachbereich in der Regel nicht verantwortlich zeichnet, nicht in seinem Interesse liegen. Denn auch neu eingeführte Verfahrensgesichtspunkte wie ein Losverfahren vermögen nichts an dem prekären Finanzrahmen – den begrenzten Freistellungsmitteln – zu ändern. Auch in Konst. 4) stehen am Ende Negativentscheidungen gegenüber zwei Hochschullehrern, obgleich diese die Freistellungsvoraussetzungen erfüllen. Bei der Bewilligung aller Anträge auf Fachbereichtsebene verringert sich zudem das Konfliktpotential am Fachbereich. Der Bestätigung durch den Präsidenten steht ferner die gebotene Beteiligung der Hochschullehrer an den zugewiesenen Personal- und Sachmitteln in „angemessenem Umfang“ entgegen (s. III. 1. c) aa). Werden einem Fachbereich entgegen Berliner Hochschulrecht und dem Grundsatz der Vollständigkeit gem. § 11 LHO BE nicht ausreichend Mittel für die Freistellung seiner Hochschullehrer im Haushaltsplan zugewiesen, darf sich eine Hochschulleitung nicht auf diesen, auch in ihrer Verantwortung liegenden Zustand (§§ 88, 52 BerlHG) beziehen und eine darauf basierende Negativentscheidung eines Dekans bestätigen. Ausweislich § 5 Abs. 3 S. 3 HUrlVO müssen „entsprechende Vertretungsmittel“ zur Verfügung stehen. Damit ist der Hochschulleiter gerade nicht darauf beschränkt, den Titel des jeweiligen Fachbereichs für Freistellungen zu betrachten, sondern soll seinen Blick weiten. Dies entspricht dem geschilderten Telos des § 5 Abs. 3 S. 3 HUrlVO, der diese Kompetenz dem Hochschulleiter als zentralem Organ mit entsprechender breiter Kenntnis verleiht. | Rn. 57 |
Sodann werden die beweislastpflichtigen Organe den Nachweis, dass tatsächlich keine Mittel für Freistellungen verfügbar sind und ein atypischer Fall vorliegt, kaum erbringen können. Zum einen haben der Hochschulleiter, gemeinsam mit Kanzler und Titelverwalter (§§ 52, 58 Abs. 2 BerlHG) sowie im Benehmen mit dem Dekan des Fachbereichs und der für die Bewirtschaftung der räumlichen und personellen Ressourcen zuständigen Geschäftsführung zu eruieren, ob Mittel am jeweiligen Fachbereich, z.B. Sachmittel für Dienstreisen oder Veranstaltungen, frei geworden sind und einer Umwidmung zur Verfügung stehen. Ein Zurückstellen gebotener Berufungen bildet hingegen keine valide Option. In Frage kommen aber nicht verausgabte Sondermittel des Fachbereichs, die ins Haushaltsjahr übertragen werden konnten. Freie Fachbereichsmittel sollten dennoch aufgrund des Verantwortungsgefüges generell nur als „ultima ratio“ eingesetzt werden. In Konst. 4) sind diese nicht verfügbar. Zum anderen obliegt es dem Hochschulleiter und dem Kanzler zu prüfen, ob Mittel außerhalb des jeweiligen Fachbereichs verfügbar sind. Hier kommen u.a. nicht abgerufene Freistellungsmittel anderer Fachbereiche in Betracht. Werden an diesen wenig(er) Anträge gestellt, könnten diese Mittel dem gegenständlichen Fachbereich weitergeleitet werden, so wie es an der HTW praktiziert wird. Entscheidend ist hier, in welchem Verhältnis das insgesamt eingeplante Gesamtkontingent an Freistellungen der Hochschule zur Zahl der Antragsberechtigten an ihren Fachbereichen steht, s. § 6 Abs. 4 RS HTW (Hare-Niemeyer-Berechnungsverfahren) – daraus ergibt sich die Zahl der FOSE eines Fachbereichs. Die Option, nicht ausgeschöpfte Freistellungsmittel anderer Fachbereiche an einen forschungsstarken Fachbereich zu verteilen, würde zwar die anderen Fachbereiche in ihrer Möglichkeit beschneiden, diese Mittel, soweit deckungsfähig, anderweitig zu verwenden. Sie entspräche jedoch dem eigentlichen Titelzweck, der Finanzierung von Freistellungen gem. § 99 Abs. 6 BerlHG, und ist zudem unkomplizierter umsetzbar. | Rn. 58 |
Allerdings setzt diese Option voraus, dass es etwas zu verteilen gibt. Verbleiben aufgrund originärer Unterfinanzierung der Freistellungstitel sämtlicher Fachbereiche keine oder zu geringe Mittel, steht die Hochschulleitung für die Durchsetzung des Rechtsanspruchs der freistellungsfähigen Antragsteller ein und ist verpflichtet, entsprechende Mittel bereitzustellen. Angesichts der Veranschlagung einer Freistellung mit 13.000 € – einer in Relation zum Hochschuletat geringen Summe – sollte dies in der Regel möglich sein. Auch werden im H-Vollzug erfahrungsgemäß stets Mittel frei. Ferner sollte ein Bewusstsein dafür vorhanden sein, dass der Schaden, der entsteht, wenn ein Hochschullehrer sein FOSE nicht erhält, für den Hochschullehrer und die Hochschule erheblich ist. Weiterhin hat das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, dass selbst bei einer gesetzlich vorgesehenen Kostenneutralität ein FOSE im Ausnahmefall auch dann bewilligt werden kann, wenn dies mit zusätzlichen Kosten für die Hochschule verbunden ist.[70] Dies muss erst recht in Berlin gelten, denn § 99 Abs. 6 BerlHG setzt keine Kostenneutralität voraus. | Rn. 59 |
Im Weiteren scheint der Blick nach Bayern interessant. Art. 11 Abs. 1 S. 2 HS 2 Bayerisches Hochschulpersonalgesetz (BayHSchPG) begrenzt den Umfang der Freistellungen pro SE auf ein Zehntel der besetzten Planstellen. In der Praxis wird dabei der bisherige Rhythmus von vier Jahren Lehre und einem anschließenden FOSE grundsätzlich beibehalten, um die 10 %-Vorgabe erfüllen zu können.[71] Die bayerische Regelung erkennt so einerseits den Rechtsanspruch der Hochschullehrer auf ein FOSE an und trägt andererseits dem Planungsbedürfnis ihrer Hochschulen Rechnung. In Übertragung dieser Norm auf die Fachbereichsebene unseres Ausgangsfalles mit 36 Hochschullehrern müsste der Freistellungstitel des Fachbereichs pro SE mit 3,6 FOSE und pro Haushaltsjahr mit 7,2 FOSE ausgestattet werden. Da auch die bayerische Regelung auf das Gesamtkontingent einer Hochschule abstellt, ermöglicht sie, Fachbereichen mit mehr Freistellungsanträgen mit freien Mitteln von Fachbereichen mit weniger Freistellungsanträgen zu unterstützen, s. Art. 11 Abs. 1 S. 2 HS 2 BayHSchPG. | Rn. 60 |
Alternativ ist eine Bindung der Freistellungsmittel eines Fachbereichs denkbar, vorausgesetzt dieser ist auskömmlich ausgestattet. Dies erlaubt Ausgaben, die am Ende des Haushaltsjahres nicht geleistet worden sind, für ihre Zweckbestimmung über das Haushaltsjahr hinaus nach Maßgabe des § 45 LHO als Ausgabereste verfügbar zu halten (Nr. 1 AV § 19 LHO BE). Werden weniger Freistellungsanträge an einem Fachbereich gestellt oder werden Anträge mangels Erfüllung zwingender Voraussetzungen negativ beschieden, ermöglicht die Übertragbarkeit der freien Mittel gem. § 19 LHO BE eine flexible Planung am Fachbereich. | Rn. 61 |
Zusammenfassend hätte der Präsident in Konst. 4) die Entscheidung des Dekans nicht bestätigen dürfen (s.a. § 52 Abs. 5 S. 5 BerlHG), sondern stattdessen gemeinsam mit dem Kanzler in eine eigene Mittelprüfung eintreten müssen. In Anerkennung des Rechtsanspruchs der jeweiligen Hochschullehrer trägt der Hochschulleiter für das Vorhandensein entsprechender Mittel Sorge, die dem Dekan erlauben, sämtliche Anträge positiv zu bescheiden. | Rn. 62 |
Konst. 5 in Fortsetzung des Ausgangsfalles(originär unauskömmlicher Freistellungstitel eines Fachbereichs): Der Dekan bescheidet fünf Anträge positiv und einen Antrag negativ. Er begründet dies damit, dass vier FOSE aus dem Freistellungstitel des Fachbereichs und ein weiteres mittels Umwidmung frei gewordener deckungsfähiger Sachmittel in Freistellungsmittel finanziert werden können. Die Auswahl unter den Anträgen nimmt er nach der Länge der jeweils zurückgelegten Wartezeit der Hochschullehrer, bei gleicher Länge durch Los vor. Der Präsident der Hochschule bestätigt die Entscheidung des Dekans. Eine Prüfung, ob es an der Hochschule freie Haushaltsmittel gibt, die für ein weiteres FOSE verwendet werden können, findet nicht statt. | Rn. 63 |
Ergänzend zu Konst. 4) ist festzustellen, dass die Entscheidung des Dekans und der Geschäftsführung zulässig ist, freie Fachbereichsmittel für ein weiteres FOSE einzusetzen. Dies sollte aber die Ausnahme bilden (s. III. 2. b) bb) (2). Daher soll die Hochschulleitung auf Verlangen dem Fachbereich substantiiert darlegen, dass entweder keine Mittel außerhalb des Fachbereichs vorhanden bzw. Mittel zur Erfüllung eines Zwecks einzusetzen sind, der gegenüber dem Rechtsanspruch eines Hochschullehrers ausnahmsweise höherrangig ist. Dies dürfte nicht ohne Weiteres gelingen. | Rn. 64 |
bb) Gesamtfinanzierungslücke einer Hochschule
Erneut ist der Umgang mit einer Gesamtfinanzierungslücke einer Hochschule in den Blick zu nehmen: | Rn. 65 |
Konst. 6 (originär unauskömmlicher Freistellungstitel eines Fachbereichs, Gesamtfinanzierungslücke der Hochschule): Gesamtfinanzierungslücke wie in Konst. 1), sonst wie Konst. 4): Der Dekan stützt die Ablehnung von zwei Anträgen auf den nur für vier Anträge auskömmlichen Freistellungstitel im Haushaltsplan sowie auf die Entscheidung, die pandemiebedingt voraussichtlich freiwerdenden Mittel für die Deckung der vom Fachbereich zu erbringende Minderausgabenpauschale zu verwenden. Der Präsident der Hochschule bestätigt die Entscheidung des Dekans. Eine Prüfung, ob es an der Hochschule freie Haushaltsmittel gibt, die für zwei weitere FOSE verwendet werden können, findet nicht statt. | Rn. 66 |
Fraglich ist, ob der Präsident die Entscheidung des Dekans bestätigen durfte. Der Fachbereich stand hier vor der Entscheidung, den Rechtsanspruch seiner sechs Hochschullehrer zu bedienen oder die Minderausgabenpauschale als Beitrag zur Schließung der Gesamtfinanzierungslücke der Hochschule zu leisten. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass der Fachbereich durch die zu geringe Mittelzuweisung im Freistellungstitel in seine prekäre Lage versetzt worden ist. Trifft ein Dekan gemeinsam mit der Geschäftsführung die Entscheidung, voraussichtlich freiwerdende Sach- und Lehrmittel für die Finanzierung der Minderausgabenpauschale und damit als Beitrag zur Deckung der Gesamtfinanzierungslücke zu nutzen, so führt er dafür in der Regel das Benehmen mit dem Kanzler, gegebenenfalls auch dem Hochschulleiter, herbei. Insoweit könnten diese Mittel als gebunden und nicht für weitere Freistellungen verfügbar anzusehen sein. Es bleibt sodann offen, ob der Kanzler bzw. der Präsident eine Alternativentscheidung des Dekans, die freien Mittel für zwei weitere Freistellungen zu nutzen, mit Blick auf die Gesamtfinanzierungslücke gebilligt hätten. Bei einer Alternativentscheidung stände der Fachbereich zudem vor der Frage, wie er die Minderausgabenpauschale schultern soll, wozu ihm nun die Mittel fehlen (wobei hier allerdings auch eine Hochschulrücklage herangezogen werden könnte). Entscheidend ist in Konst. 6) indessen, dass die Prüfung verfügbarer Hochschulmittel durch den Präsidenten und den Kanzler unterblieb, um zwei weitere FOSE zu finanzieren. Wie gezeigt, zeichnet aber der Hochschulleiter dafür verantwortlich, Freistellungsmittel bereitzustellen, um den Rechtsanspruch der Hochschullehrer auf ein FOSE zu verwirklichen. Ergänzend gelten die Ausführungen zu den Konst. 3) und 4) sowie zum Verhältnis zwischen Hochschulen und Land Berlin (s. III. 1. c) bb). | Rn. 67 |
3. Ergebnis
Ein freistellungsfähiger Berliner Hochschullehrer besitzt einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines FOSE gem. § 99 Abs. 6 BerlHG gegenüber seiner Hochschule. Eine Unauskömmlichkeit von Haushaltsmitteln kann ihm in der Regel kein im Verfahren involviertes Organ mit Erfolg entgegenhalten. Dies wäre rechtswidrig. Gegen eine Ablehnung seines FOSE kann ein Hochschullehrer den Rechtsweg beschreiten. Bei besonderer Eilbedürftigkeit, die angesichts der Antragsfristen für ein FOSE in der Regel vorliegen dürfte, kann er ohne vorherigen Widerspruch den Erlass einer Regelungsanordnung gem. § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO beim Verwaltungsgericht Berlin beantragen. | Rn. 68 |
IV. Resümee und Ausblick
Ein freistellungsfähiger Berliner Hochschullehrer verfügt gegenüber seiner Hochschule über einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines FOSE gem. § 99 Abs. 6 BerlHG. Daran vermag ein Vortrag unauskömmlicher Haushaltsmittel regelmäßig nichts zu ändern. Dem Hochschullehrer ist vielmehr sein FOSE zu gewähren. Mit Blick darauf, dass die Forschungsaufgabe von Hochschullehrern an HAWs im BerlHG sichtbar untersetzt ist, bedarf es der Auflösung der vorhandenen Diskrepanz zwischen Lehrdeputat und Forschungsaufgabe für Hochschullehrer an Berliner HAWs, um sowohl die anwendungsbezogene Forschung als auch die Qualität der Lehre zu sichern. Dies bildet einen Kernauftrag des Berliner Gesetzgebers. | Rn. 69 |
Fußnoten
* Die Autorin lehrt Öffentliches Recht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin). Sie dankt ihren Kolleginnen und Kollegen für ihre wertvollen Anregungen. Alle Internetquellen dieses Beitrags wurden zuletzt am 20.8.2022 abgerufen.
[1] | Kienzle/Horneffer, Bildung und Kultur, Forschung und Entwicklung an Hochschulen: Überprüfung der FuE-Koeffizienten 2017, 2018, S. 52, 57 f. |
[2] | Zur Einordnung der Festlegung der Lehrverpflichtung als Arbeitszeitregelung OVG Münster, B. v. 2.7.2021, 1 B 433/21, beck-online, Rn. 28; Elbel, Kann man Hochschullehrer überlasten? – Rechtliche Parameter der Festlegung der professoralen Lehrverpflichtung an staatlichen Hochschulen für angewandte Wissenschaften, ZBR 2022, 12/14. |
[3] | KMK, B. v. 12.6.2003, Lehrverpflichtung an Hochschulen (ohne Kunsthochschulen). |
[4] | KMK (Fn. 3), Ziff. 3.1 i.V.m. 1.3.1. |
[5] | BVerfGE 61, 210/233 ff. |
[6] | BVerfGE 126, 1/19-24; s.a. BVerfG, B. v. 5.2.2020 - 1 BvR 1586/14, Rn. 13 f. |
[7] | BVerfGE 61, 210/252; BVerfGE 126, 1/19-24. |
[8] | BVerfGE 126, 1/19. |
[9] | Ebd. |
[10] | Tangermann, in: Max-Emanuel Geis (Hrsg.), HK-HSR, Hochschulrecht in Bund und Ländern, 3. Band, 53. AL, Juli 2020, Rn. 5 ff., Rn. 50 ff. |
[11] | BVerwG, U. v. 26.9.2012, 6 CN 1.11, beck-online, Rn. 39. |
[12] | OVG Münster, B. v. 2.7.2021, 1 B 448/21, beck-online, Rn. 45 ff. |
[13] | S. hlb, Aktuelle Informationen, 5.1.2022, t1p.de/ljpg. |
[14] | BVerfGE 139, 148/190 f.; s.a. Waldeyer, Die Professoren der Fachhochschulen als Träger des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit, NVwZ 2010, 1279/1281. |
[15] | S. hlb, Erfolg braucht Hochschulen für angewandte Wissenschaften, 2021; Uwe Bettig (Rektor ASH a.D.), Der Tagesspiegel, Interview v. 18.7.2016, t1p.de/z04g. Der Normenkontrollantrag vor d. OVG Lüneburg wurde wg. Fristversäumnis als unzulässig abgewiesen. Vgl. hlb, Pressemitteilung v. 30.8.2019, https://t1p.de/9xu9m. |
[16] | Hahn, Grenzen zentralisierter Lehrveranstaltungsplanungsvorgaben durch sächsische Fachhochschullehrer, LKV 2021, 203/206 m.w.N. |
[17] | S.a. Juso-Bundesvorstand, R1_17/2 Fachhochschulen: Gute Bedingungen für alle schaffen!, 2017. |
[18] | SPD/Bündnis 90/Die Grünen/DIE LINKE, Zukunftshauptstadt Berlin Sozial. Ökologisch. Vielfältig. Wirtschaftsstark, Koalitionsvertrag 2021 – 2026, 2021, S. 115. Auf die Kritik an d. letzten Berliner HS-Verträgen (Prömel/Ambrosy u.a., Evaluation der Hochschulverträge in Berlin, Gutachten 4.5.2021) geht d. Koalitionsvertrag z.T. auf S. 117 ein. |
[19] | SPD/Bündnis 90/Die Grünen/FDP, Mehr Fortschritt wagen Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, 2021, Ziff. 540 f., 626 f. |
[20] | Brain City Berlin Engagiert – Exzellent – International Vertrag für die Jahre 2018 bis 2022 gemäß § 2a BerlHG, Ziff. VII.1.1.1. |
[21] | Gruber, Haben Hochschullehrer in Sachen einen Anspruch auf ein Forschungssemester?, SächsVBl. 2005, 265 f. |
[22] | BVerfGE 35, 79/113. |
[23] | BVerwG, NZA 1993, 76/78; Riese, in: Friedrich Schoch u.a. (Hrsg.), VwGO-KO, 42. EL, Febr. 2022, § 114 Rn. 24. |
[24] | Geis, in: Friedrich Schoch u.a. (Hrsg.), VwVfG-KO, 2. EL Apr. 2020, § 40 Rn. 26. |
[25] | BVerwG (Fn. 23); dass., NVwZ 2006, 711 f.; dass., NJW 1984, 70 f.; Riese (Fn. 23), § 114 Rn. 25; Tiedemann, in: Johann Bader u.a. (Hrsg.), BeckOK VwVfG, 55. Ed., 1.4.2022, § 39 Rn. 49. |
[26] | BVerwG (Fn. 23); dass., VerwRspr 1979, 869/871; dass., NJW 1984, 70 f.; VGH Kassel, NVwZ 1984, 802; Ramsauer, in: Ferdinand O. Kopp u.a. (Hrsg.), VwVfG-KO, 22. Aufl. 2021, § 40 Rn. 34; Schoch, Das „intendierte Ermessen“, Jura 2010, 358 f. |
[27] | Ramsauer (Fn. 26). |
[28] | BVerwG, NJW 1984, 70 f.; dass., NJW 1998, 2233 f. |
[29] | Riese (Fn. 23), § 114 Rn. 25 ff. m.w.N. |
[30] | BVerwG, NVwZ 2006, 711 f.; dass., NJW 1984, 70 f. |
[31] | Ramsauer (Fn. 26). |
[32] | BVerwG, VerwRspr 1979, 869/871. |
[33] | Geis (Fn. 24), § 40 Rn. 36. |
[34] | BVerwG, NZA 1993, 76/78; dass., NVwZ 2006, 711 f. |
[35] | BVerwG, NJW 1986, 738/741; VGH Kassel, NVwZ-RR 2018, 586 f. |
[36] | Geis (Fn. 24), § 40 Rn. 26 m.w.N. |
[37] | BVerwG, NJW 1998, 2233 f.; VGH München, NVwZ-RR 2003, 88 f.; OVG Hamburg, NVwZ-RR 2002, 458 f. |
[38] | BVerwG, NJW 1986, 738/740; dass., NJW 1998, 2233 f.; dass., U. v. 23.5.1996, 3 C 13–94, Ziff. 3.2. |
[39] | VGH München (Fn. 37). |
[40] | BVerwG, NJW 1998, 2233 f.; dass., U. v. 23. 5. 1996, 3 C 13–94, Ziff. 3.2; VG Gelsenkirchen, U. v. 5.4.2006, 7 K 2102/04. |
[41] | BVerwG, NJW 1993, 744/746. |
[42] | BVerwG, NJW 1998, 2233 f.; VGH München (Fn. 37); s.a. Voßkuhle/Kaufhold, Grundwissen – Öffentliches Recht: Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten, Jus 2014, 695 f. |
[43] | OVG Münster, B. v. 25.6.2018, 4 A 1352/16, Rn. 10; VG Gelsenkirchen (Fn. 40). |
[44] | VGH Kassel (Fn. 35). |
[45] | So wohl h.M., OVG NW, B. v. 9.2.2017, 8 A 2206/15, Rn. 32; VGH Kassel (Fn. 35), Ls. 2. |
[46] | OVG Lüneburg, B. v. 10.6.2005, 2 ME 210/05. |
[47] | OVG Münster, B. v. 10.7.2014, 6 A 1376/12; OVG Lüneburg (Fn. 46). |
[48] | BVerfGE 82, 159/179 - B. v. 31.5.1990 - 2 BvL 12/88 - 2 BvL 13/88 - 2 BvR 1436/87. |
[49] | Schulze-Fielitz, in: Max-Emanuel Geis (Hrsg.), Hochschulrecht im Freistaat Bayern, Ein Handbuch für Wissenschaft und Praxis, 2. Aufl., Heidelberg, 2017, S. 220; Gärditz, Hochschulmedizin und staatliche Finanzierungsverantwortung, WissR 47, 321 (351). |
[50] | Gärditz (Fn. 49), WissR 47, 337. |
[51] | Gärditz (Fn. 49), WissR 47, 348. |
[52] | Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), Gutachten 2018, 2018, S. 21 f. |
[53] | Im Ländervergleich 2019 war Berlin mit seinen Grundmitteln für Lehre u. d. Forschung je Studierendem im unteren Bereich (Platz 4). Statistisches Bundesamt, Bildungsfinanzbericht 2021, Wiesbaden 2021, S. 63. |
[54] | EFI (Fn. 52), S. 28 ff. |
[55] | Im Einzelnen die vom Senat gem. §§ 3, 90 Abs. 1 S. 2 BerlHG bestätigten Grundordnungen sowie Forschungs-Förderungssatzungen, Leitlinien und Grundsätze: Grundordnung der BHT (BeuthHS-GrO), Amtl. Mitteilg. Berlin Nr. 20, 32. Jahrg., 23.6.2011; Leitlinien für die Vergabe von Forschungsfreistellungen an der BHT (FF-LL BHT), B. des Akademischen Senats v. 28.4.2022; Rundschreiben HTW (RS HTW) Nr. 05/15 v. 11.8.2015 (nicht öffentlich verfügbar); Grundordnung der HWR (GrO HWR), Mitteilungsbl. Nr. 01/2009 v. 31.3.2009; Forschungs-Förderungssatzg. HWR (FFS HWR), Mitteilungsbl. HWR v. 2.2.2015 Nr. 2/2015; Handreichg. zur Antragsstellg. auf interne Forschungsförderg. für ein FoSe HWR (HR HWR); Grundsätze, Verfahren u. Kriterien der Forschungsförderg. der ASH (FF ASH), Amtl. Mitteilungsbl. Nr. 10/2016 v. 7.7.2016. |
[56] | Ziff. 4.6 Abs. 3 FF-LL BHT; § 6 Abs. 1 RS HTW Nr. 05/15 v. 11.8.2015; HR HWR; Ziff. II.5. FF ASH. |
[57] | § 29 Abs. 3 BeuthHS-GrO, Ziff. 3 FF-LL Beuth/ § 2 Abs. 4 u. 5 RS HTW/ §§ 3 i.V.m. 2 FFS HWR/ Ziff. II.1. S. 3, II.10. S. 2, II.11., III. FF ASH. |
[58] | Häufig sind in den Antragsformularen FoKo und Dekan gemeinsame Adressaten. |
[59] | Anstelle des FBR befindet hier der Dekan in Zusammenarbeit mit der HS-Verwaltung über die Vollständigkeit der Lehrveranstaltungen und die Durchführung der Prüfungen, s. §§ 6 Abs. 3 i.V.m. 2 Abs. 3 RS HTW, entspr. § 4 Abs. 1 HUrlVO. |
[60] | OVG Münster, B. v. 10.7.2014 - 6 A 1376/12. |
[61] | Ebd. |
[62] | OVG Münster (Fn. 60); VG Würzburg, B. v. 24.8.2015, W 2 E 15.712. |
[63] | VG Würzburg (Fn. 62). |
[64] | Schoch, in: Friedrich Schoch u.a. (Hrsg.), VwGO-KO, 42. EL, Febr. 2022, § 123 Rn. 97; Kuhla, in: Herbert Posser u.a. (Hrsg.), BeckOK VwGO, 61. Ed., St. 01.07.2021, § 123 Rn. 67 m.w.N. |
[65] | Schoch (Fn. 64), § 123 Rn. 97. |
[66] | Müller-Bromley, in: Christian von Coelln u.a. (Hrsg.), NHG-KO, BeckOK Hochschulrecht Niedersachsen, 23. Edition, St. 1.12.2019, § 24 Rn. 52. |
[67] | Ebd. |
[68] | Da sich an der ASH die Fachbereiche in Gründung befinden, gewährt die Rektorin Freistellungen (Ziff. II.9. i.V.m. II.1., II.8. FF ASH). Nach Auskunft der ASH sollen die Dekane ab SoSE 2022 ihre Funktionen nach Berliner HS-Recht ausüben. |
[69] | Dasselbe gilt an der ASH für die hier (noch) zuständige Rektorin. |
[70] | OVG Münster (Fn. 60). |
[71] | Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, www.intern.fau.de/personal-und-arbeitsleben/lehrauftraege-und-verguetung/forschungsfreisemester/. |