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Florian Albrecht*: Rezension – Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019

ZVR-Online Dok. 5/2019 – online seit 30.05.2019

Eyermann, Erich
VwGO
Verlag C.H. Beck
München, 15. Auflage 2019
XXV und 1472 Seiten
119,00 Euro
ISBN: 978-3-406-72812-9

Nachdem seit Erscheinen der Vorauflage (zu dieser Albrecht, ZVR-Online Dok. Nr. 1/2015) mittlerweile rund fünf Jahre vergangen sind, befindet sich die 15. Auflage des „Eyermann“ nun auf einem Rechtsstand von Juni/August 2018. Der „Richterkommentar“ (so die Bezeichnung in einer aktuellen Rezension auf juralit.com unter Bezugnahme auf die Profession der Autoren) enthält neben den Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsordnung eine gesonderte Kommentierung des in weiten Teilen novellierten Umweltrechtsbehelfsgesetzes und den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (jeweils im Anhang). Die aktuelle Fassung des Werkes berücksichtigt insbesondere „Regelungen zur weiteren Implementierung des elektronischen Rechtsverkehrs und Änderungen im Asylprozessrecht“ (Vorwort).Rn. 1
Der Rezensent hat das Erscheinen der Neuauflage zum Anlass genommen, das Werk vor allem auf seine Tauglichkeit im Zusammenhang mit der Verwendung durch die Angehörigen der rechtsberatenden Berufe zu prüfen. Insbesondere die Einholung von Auskünften (gem. § 99 Abs. 1 VwGO) und die Gewährung von Einsicht in diese (gem. § 100 Abs. 1 VwGO) sind vor den Verwaltungsgerichten oftmals unbeliebte Notwendigkeiten einer effektiven Verteidigung. Dabei ist es auch aus Gründen der Fairness und Rechtsstaatlichkeit zwingend geboten, dass „das Gericht die tatschlichen Grundlagen [des jeweiligen Rechtsstreits] selbst ermittelt und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung [gewinnt und begründet]“ (Schübel-Pfister, § 99 Rn. 2). Die Einstellung von in der Verwaltung sozialisierten Verwaltungrichtern, wie sie etwa der Freistaat Bayern praktiziert, ist vor diesem Hintergrund zu überdenken. Die Kommentierung ist insoweit stimmig und aussagekräftig (inkl. der Darstellung abweichender Auffassungen). So findet sich hier etwa der Hinweis, dass ggf. auch über vorgesetzte Behörden eine Informationsfreigabe erwirkt werden kann. Ggf. bietet sich in diesem Zusammenhang auch ein Hinweis auf die Verweigerungsfolgen (= Entscheidung zu Lasten der betroffenen Körperschaft) an (vgl. Schübel-Pfister, § 99 Rn. 8). Die Art und Weise der Akteneinsichtnahme bzw. deren Gestattung durch das Gericht wird dann sowohl aus richterlicher (vgl. Schübel-Pfister, Rn. 23 ff.) als auch anwaltlicher Sicht (vgl. Schübel-Pfister, Rn. 27 f.) eingehend und gut nachvollziehbar erläutert.Rn. 2
Besonders instruktiv und mithin wertvoll sind vor allem aber auch die Kommentierungen zur verwaltungsgerichtlichen Beweisaufnahme (§ 98 VwGO) und den Rechtsmitteln (§§ 124 ff. VwGO). Aktuelle Entscheidungen belegen, dass bei den auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts tätigen Rechtsanwälten noch immer ehebliche Defizite bestehen, wenn es um die Beachtung der Bedeutung der erstinstanzlichen Entscheidung sowie der hohen Darlegungslast bzgl. der Notwendigkeit einer richterlichen Überprüfung derselben geht. Den Vorhalt des BayVGH, Beschl. v. 14.12.2018 – 21 ZB 16.1678, juris Rn. 32, wonach die Aufklärungsrüge unbeachtlich ist, sofern in der mündlichen Verhandlung kein diesbezüglicher Beweisantrag gestellt wurde, hätte sich der betroffene Rechtsanwalt jedenfalls sparen können, wenn er zuvor Happ, § 124a Rn. 75 gelesen hätte. Leider ist das verwaltungsgerichtliche Verfahren noch immer durch solche und ähnliche Versäumnisse geradezu geprägt.Rn. 3
Ohne dass dies zu Abschlägen bei der positive Bewertung führen kann, wünscht sich der Rezensent für die nachfolgende Auflage eine eingehender Befassung mit der Frage, wie polizei- und ordnungsbehördliche Prognoseentscheidungen (zur Unterscheidung Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Auflage 2017, Rn. 114) einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können, wenn etwa die Gefährlichkeit einer Person bzw. (angeblich) zu erwartendes menschliches Verhalten in Frage steht. Insoweit kennt das Vollstreckungsrecht (nach §§ 61 ff. StGB) die Einbeziehung einer Gefährlichkeitsprognose durch einen Sachverständigen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 20.09.2018 – III-3 Ws 371/18; vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 14.08.2018 – III-3 Ws 346/18). Weshalb diese, der bestmöglichen Sachverhaltsaufklärung dienende Vorgehensweise (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 14.08.2018 – III-3 Ws 355/18), im Verwaltungsverfahren und in dem sich ggf. anschließenden Verwaltungsprozess keine Rolle spielen soll, ist sicherlich erläuterungsbedürftig (vgl. zur Diskussion Sponsel/Albrecht, Kriminalistik 2017, 252, die das Modell „präventiver Prognosegutachten“ vorschlagen). Freilich handelt es sich hierbei um Spezialfragen. Die Kommentierung weist diesbezüglich dennoch grundsätzlich kein Manko auf. Das Problem der gerichtlichen Behandlung von Prognosen wird nämlich im Kontext von § 114 VwGO eingehend erörtert (so Rennert, § 114 Rn. 63 ff.) und an anderer Stelle zumindest angesprochen (so Kraft, § 108 Rn. 21).Rn. 4
Im Ergebnis ist der neue Eyermann das Hilfsmittel der Wahl, wenn es um den verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit geht. Eine Verfahrensführung, die glaubt, ohne die Neuauflage auskommen zu können, muss geradezu als fahrlässig bezeichnet werden. Der Rezensent wird den Kommentar in Griffnähe aufbewahren.Rn. 5
Fußnoten

* Der Autor ist Oberregierungsrat und hauptamtlich Lehrender für die Rechtsfächer an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Brühl.